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Michael Löbl · 07. Jul 2024 · Musik

Alles neu bei Klassik Krumbach

Sebastian Beit, Erster Oboist der Wiener Philharmoniker, Johanna Bilgeri, frischgebackene Solofagottistin der Wiener Symphoniker und der Pianist Gabriel Meloni begeisterten am Samstagabend mit einem unterhaltsamen Programm in der Pfarrkirche Krumbach.

Für die Wiener Symphoniker ist Vorarlberg so etwas wie eine zweite Heimat. Jeden Sommer verbringen sie hier, aber auch im Winter schauen sie im Rahmen der Bregenzer Meisterkonzerte meistens noch einmal vorbei. Dass sich ein Wiener Philharmoniker auf die andere Seite des Arlbergs verirrt, kommt hingegen nicht alle Tage vor.

Aber der Reihe nach. Als das Geschwisterpaar Natalia und Alex Ladstätter im November die Leitung von „Klassik Krumbach“ nach vier erfolgreichen Ausgaben überraschend niederlegte, begann eine hektische Zeit. Die Verantwortlichen wollten das Festival unbedingt weiterführen, es gab aber zu diesem Zeitpunkt weder ein Programm noch Ausführende und lediglich ein halbes Jahr Zeit für die Vorbereitung. Mit vereinten Kräften hat man es geschafft, ein sehr spezielles, abwechslungsreiches Programm mit heimischen und internationalen Künstlern zusammenzustellen.

Familiäre Bande

Wieder ist ein familiär verbundenes Paar für die Festivalplanung verantwortlich, nun allerdings nicht Geschwister, sondern Vater und Tochter. Wolfgang Bilgeri, gut vernetzter Posaunist aus Hittisau und seine Tochter, die Fagottistin Johanna, haben ihre Beziehungen spielen lassen und Musiker, Schauspieler und Musikvermittler aus Nah und Fern für ein Wochenende nach Krumbach geholt. Johanna Bilgeri, die vor knapp drei Wochen das Probespiel als Solofagottistin der Wiener Symphoniker für sich entscheiden konnte, ist ja mit beiden Wiener Toporchestern in ständigem Kontakt. Derzeit - noch als Akademistin der Wiener Philharmoniker - hat sie Sebastian Breit, den Ersten Oboisten dieses Orchesters, für dieses Kammermusikkonzert in den Bregenzerwald gelotst. Johanna Bilgeri musste in den letzten Tagen ein wahres Marathonprogramm bewältigen, sie wirkte in allen vier Veranstaltungen des Festivals als Solistin mit, nicht zu vergessen die damit verbundenenen Proben. 
Zwei Viertelfinalspiele einer Fussball-Europameisterschaft an einem Abend sind für jedes Konzert eine ernstzunehmende Konkurrenz. Wer es aber vorzog, vor dem Fernseher sitzen zu bleiben, hat definitiv etwas versäumt. Nämlich Kammermusik für Oboe und Fagott auf Weltklasseniveau und ein in allen Belangen ebenbürtiger Pianist, der die beiden Bläser feinfühlig unterstützte. Er war der Dritte im Bunde: der in Dornbirn geborene Gabriel Meloni, derzeit Student an der Musikuniversität Wien. Als Trio spielen die drei jungen Musiker bereits länger zusammen und traten mit ähnlichen Programmen bereits in Wien auf. Ursprünglich war ja an diesem Abend etwas ganz anderes geplant, nämlich ein Konzert des Blasorchesters Vorderbregenzerwald, welches aber wegen Terminproblemen des Dirigenten durch dieses Kammermusikprogramm ersetzt wurde. Auf dem Programm standen drei französische Trios für Oboe, Fagott und Klavier und ein Stück für Oboe von Robert Schumann. 

Ein besonderes Instrument

Sebastian Breit spielt eine sogenannte „Wiener Oboe“, ein ganz spezielles Instrument, das ausschließlich in Wien gespielt wird. Dort allerdings in jedem Orchester von der Volksoper bis zum RSO, im Gegensatz zur „Französischen Oboe“, die dann ab Linz in der gesamten übrigen Welt verwendet wird. Aufgrund ihrer Entwicklung ist sie jenen Instrumenten ähnlicher, für die Beethoven, Brahms, Bruckner und Mahler komponiert haben. Da es mehrere Jahre lang niemanden gab, der eine Wiener Oboe bauen konnte, entwickelte sich um 1970 eine schwere Krise, das Instrument war vom Aussterben bedroht. Die Rettung kam aus Japan, als sich die Firma Yamaha der Sache annahm und die Wiener Oboisten jahrelang mit hochprofessionellen Instrumenten versorgte. Inzwischen übernehmen das wieder heimische Instrumentenbauer und die Population gilt heute als auf absehbare Zeit gesichert.
Es war ein reines Vergnügen zu beobachten, mit welcher Lockerheit die drei Musiker:innen dem Publikum die witzig-virtuosen Trios von Francis Poulenc und Jean Francaix technisch perfekt, mit viel Esprit und Augenzwinkern servierten. Beide Stücke klingen zwar leicht und locker, sind aber für alle drei Ausführenden ausgesprochen schwierig zu spielen. Davon war weder den Bläsern noch dem Pianisten etwas anzumerken, alles klang vollkommen selbstverständlich, klug gestaltet und makellos im Zusammenspiel. Eine musikalische Entdeckung war das Terzetto op. 22 von Theodore Lalliet. Der Komponist war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Solooboist an der Pariser Oper und schrieb zahlreiche Werke für sich und seine Bläserkollegen. Das Terzetto ist ein romantisches, fast opernhaftes Trio, voller herrlicher Melodien und brillanter Passagen, in denen vor allem Oboe und Fagott ihre individuellen Stärken präsentieren konnten. Die „Drei Romanzen“, op. 94 für Oboe und Klavier sind nicht nur eines der ganz wenigen Originalwerke eines großen romantischen Komponisten für dieses Instrument, sie gehören auch zu den größten Herausforderungen. Die wunderschönen, eher schlichten Stücke stellen jeden Oboisten vor atemtechnische Probleme, die nicht leicht zu meistern sind. Insbesondere die zweite Romanze mit ihrer einfachen, volksliedhaften Melodie lässt dem Interpreten kaum Möglichkeiten Luft zu holen, ohne den musikalischen Fluss zu unterbrechen. Hier stößt selbst ein Spitzenbläser wie Sebastian Breit ab und zu an seine Grenzen.  
Der Texter des Festival-Programmheftes scheint ein Lieblingswort zu haben: „fein“. Von einem „feinen Ensemble“ ist die Rede, „feinstes Musizieren“, „fein ziseliert“, Kammermusik „vom Feinsten“, bestimmt für „feine Ohren“ – es nimmt fast kein Ende. Aber er hat recht. Es war ein sehr feines Konzert mit sehr feinen Musikern und einem sehr feinen Programm.

www.klassik-krumbach.at
www.johannabilgeri.com, www.gabrielmeloni.com