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Silvia Thurner · 07. Jul 2024 · Musik

Allein Freiheit ist der Zweck der Schöpfung

Beethovens „Egmont“ und „Fidelio“ musikalisch bildhaft in Szene gesetzt

Tobias Grabher hat sich mit dem von ihm initiierten Kammerorchester Camerata Musica Reno einen herausragenden Namen geschaffen. Nicht nur inhaltlich überzeugten die bisherigen Produktionen, sondern auch durch seine musikalische Gestaltungskraft begeistert das Orchester. Im aktuellen Projekt stellte der Orchesterleiter Beethovens Schauspielmusik zu Goethes Trauerspiel „Egmont“ mit dem zweiten Akt der Oper „Fidelio“ in Beziehung. Mit der Sopranistin Jenni Hietala, Lukas Schmid (Tenor), Ejnar Čolak (Bariton) und Simonas Strazdas (Bass) sowie Hubert Dragaschnig als Rezitator erlebten die Zuhörenden im ausverkauften Theater Kosmos einen eindrücklichen Opernabend mit einer großen Aussage.

Ludwig van Beethoven war ein politischer Künstler. Unter anderem bildet seine Oper „Fidelio“, op. 72 einen Markstein in der Vermittlung der Freiheitsrechte, wenn Unschuldige eingekerkert werden. Um nichts weniger dramatisch wirken die Botschaften des Aufbegehrens gegen politische Unterdrückung in der Schauspielmusik zu „Egmont“, op. 84.
Das mit jungen, aufstrebenden Musiker:innen besetzte Kammerorchester füllte seine Rolle als Opernorchester mit bewundernswerter Kraft aus. Rasch wurden die Zuhörenden in die dramatischen Geschehnisse hinein geführt. Sie erlebten „hautnah“ die Erzählungen von Egmont, der sich in Brüssel gegen die Vorherrschaft des Machthabers Alba wehrt. Im zweiten Teil verdichtete sich die Konzertatmosphäre, wenn Leonore Florestan aus der Todeszelle befreit.
Beethovens „Egmont-Ouvertüre“ intonierte das Kammerorchester zuerst etwas vorsichtig, fast zögerlich. Doch rasch spitzten sich die gegensätzlichen musikalischen Motivblöcke zu. Der Klangfluss schaukelte sich hoch und kulminierte in einem selbstbewusst in den Raum gestellten Fortissimo. Beethovens Musik und Goethes Trauerspiel hat Franz Grillparzer mit einem Text verbunden. Versiert deklamierte ihn Hubert Dragaschnig und trat in eine gute Kommunikation mit dem Orchester und dem Publikum.
Im Mittelpunkt stand die finnische Sopranistin Jenni Hietala, die die Rolle des Clärchen emotional verkörperte. Verbunden mit der plastisch gedeuteten Musik entwickelte sich eine faszinierende Sogwirkung. Holzbläser:innen lenkten die Aufmerksamkeit mit hervorragenden Soli auf sich und die dynamisch differenzierten Passagen formten das dramatische Geschehen stringent.

Befreiung und Jubel

Noch dramatischer ging es im Theater Kosmos bei der von Mahour Arbabian inszenierten Aufführung der Kerkerszene aus dem 2. Akt des Fidelio einher. Jenni Hietala als Leonore, der Tenor Lukas Schmid in der Rolle des Florestan, Ejnar Čolak (Bariton) als Pizzaro und der Bassist Simonas Strazdas als Rocco füllten ihre Rollen eindrücklich aus. Selten ist Oper so intensiv zu erleben wie im Theater Kosmos. Das Publikum befindet sich gewissermaßen auf der Opernbühne und die Protagonist:innen agierten zwischen den Orchestermusiker:innen und dem Publikum. Dies bewirkte eine unmittelbare Gesamtwirkung, stellte jedoch die Sänger:innen und die Musiker:innen vor besondere Herausforderung.
Jenni Hietala, Lukas Schmid, Ejnar Čolak und Simonas Strazdas gestalteten intensiv. Zwar war teilweise die Balance nicht ideal, doch die Verzweiflung der Arien im Kerker des Florestan und dessen Fieberträume sowie die Wucht der beherzt handelnden Leonore, die ihren Mann aus der Todeszelle befreit, sowie das Aufatmen im Duett „O namenlose Freude“ verströmten eine unmittelbare Wirkung.
Am Ende erklang die berühmte „Leonore-Ouvertüre“ (Nr. 3), die das Schicksal des Freiheitskämpfers Florestan und die Courage von Leonore in musikalisch-psychologische Bilder fasste. Der Gestaltungswille des Orchesters war während des gesamten Konzertes spürbar. Gut aufgebaut wirkten die markanten Akkorde und harmonischen Tonschichtungen, die dynamische Struktur der Werke und der energetische Fluss. Einige Unsicherheiten in der Linienführung bzw. in der Koordination von Übergängen taten dem spannenden Gesamterlebnis keinen Abbruch.
Tobias Grabher geht seinen Weg als Aufstrebender am Dirigentenpult konsequent und selbstreflektierend. Seit er 2021 die Camerata Musica Reno gründete, hat er sich enorm weiterentwickelt. Die Körperspannung sowie das Austarieren zwischen ruhigen und konfrontativen Passagen, Steigerungen, Wende- und Höhepunkte formte er plastisch und mit einem guten Gespür für die Proportionen.