Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Anita Grüneis · 24. Okt 2018 · Aktuell

Marco Büxi Büchel – die Angst des Skifahrers vor der Piste

Der Liechtensteiner-Schweizer Doppelbürger Marco Büxi Büchel war nicht nur im Skizirkus immer ein Publikumsliebling. Zwanzig Jahre lang gehörte sein Leben dem Skisport, er ist insgesamt 300 Weltcuprennen gefahren. „Vier davon habe ich gewonnen. Das heißt, ich habe 296 verloren! Siege sind schön, wunderbar, unvergesslich, ja. Aber fürs Leben gelernt habe ich aus meinen Niederlagen”, sagte er im Schlösslekeller in Vaduz, wo er von seinen Erfahrungen erzählte. Gemeinsam mit seiner Frau Doris hatte er Geschichten aus jener aktiven Sportlerzeit niedergeschrieben. Davon las er einige ab Blatt, andere erzählte er aus dem Stegreif. Seine Lesung wurde zu einem Genuss auch für alle Nicht-Skifahrer.

Es war seine zweite Lesung überhaupt und die vorgetragenen Texte gibt es zwar in geschriebener, aber nicht in gedruckter Form. Ob es ein „Büxi“-Buch geben wird, ist noch fraglich. Seine Frau Doris – selbst Journalistin und Autorin – arbeitet daran. Für ihr gemeinsames Projekt erzählte Marco Büchel dem Diktiergerät und sie arbeitete die gesprochenen Worte in geschriebene Texte um. So entstanden aus den vielfachen Fragen, ob die „Streif“ denn wirklich so steil sei, und der immer wiederkehrenden Aufforderung „Verzell amol“ die jetzt vorgestellten Geschichten „Kalte Füße“. Geplant ist, daraus eine Hommage an große Füsse in kleinen Skischuhen werden zu lassen.   

Lauberhorn und Kitzbühel

Marco Büxi Büchels Texte sind nicht nur für Skifahrer oder Skibegeisterte interessant, sondern auch für Menschen, die dem ganzen Skizirkus eher fremd gegenüberstehen, ihn aber mit jedem Weltcup zur Kenntnis nehmen. Zudem sind „Lauberhorn“ oder „Kitzbühel“ auch Nichtsportlichen ein Begriff und dass Ski-Abfahrer die Helden im Skibusiness sind, ist nicht erst seit dem Herminator bekannt. Mit Marco Büchel kam nun einer jener Helden auf die Bühne des Schlösslekellers. Ob Slalom, Riesenslalom, Super-G oder Abfahrt – er kennt alle Disziplinen, war viermaliger Weltcup-Sieger, vielfacher Medaillengewinner bei Weltmeisterschaften und sechsmaliger Olympia-Teilnehmer.

Liegestühle in St. Tropez

Chronologisch ließ er das Publikum an seiner Karriere teilhaben. In seiner ersten Geschichte schilderte er seine Teilnahme als 19-Jähriger an der Weltmeisterschaft in Saalbach 1991, als er noch weit weg von den Weltspitze war und mit Hubertus von Hohenlohe um Sekunden konkurrenzierte. Mit viel Humor nahm er dabei sich selbst und seinen Ehrgeiz auf die Schippe. Er berichtete, wie er einst neben seinem Idol Andy Wenzel, dem er schon als Kind nachgeeifert hatte, im Flugzeug saß, wie er sich auf das Gespräch mit ihm freute, Geheimtipps erwartete und redete und redete und redete ... Das tönt bei Marco Büchel so: „Der Flieger startete, ich redete, er schwieg“. Am Schluss sagte Andy Wenzel nur einen Satz. „Du tät’st viel besser in St. Tropez Liegestühle vermieten“. Ein Satz, der Marco Büchel extrem in die Knochen fuhr. Diesem 14-fachen Skiweltcupsieger wollte er es zeigen! Als er dann 1999 bei der alpinen Skiweltmeisterschaft in Beaver Creek die Silbermedaille im Riesenslalom gewann, wurde ihm nach seiner triumphalen Heimkehr im Radio L Andy Wenzel als special guest präsentiert. Damit war auch St. Tropez für immer erledigt.

Die Angst des Rennläufers vor der Piste

Marco Büchel war im Internationalen Skizirkus beliebt, weil er immer freundlich und fair war. So kam auch bei dieser Lesung kein böses Wort über irgendeinen anderen Skifahrer über die Rampe. Dafür ließ Büxi sein Publikum an seinen Gefühlen teilhaben. Ob das die Angst des Rennläufers vor der Piste war oder seine Einsamkeit im Starterhaus. In einem spannenden Countdown berichtete er nahezu tonlos von der inneren Stille vor dem Start, den widersprüchlichen Gefühlen, dem Piepsen der Uhr, dem weißen Licht und dem blauen Schnee, dem schmerzend lauten Zuschnappen der Bindung, der Empfindung, ein Tier im Schlachthof zu sein und den immerzu gleichen aufmunternden Rufen des Servicemanns: Du bist der Beste, du bist der Beste, du bist der Beste, wo er sich doch selbst die Frage stellte: Was tue ich hier eigentlich? Und dann der Start: Eine Explosion. 

Von einem Trauma und der Scham

Nicht nur bei dieser Schilderung ließ Marco Büchel am Innenleben eines Ski- Rennfahrers teilhaben. „Angst ist ein Gefühl des Unterbewusstseins und das braucht man bei der Fahrt, sie ist wichtig,“ meinte er, und weiter: „aber man muss die Angst ruhigstellen.“ Sein großes Trauma war immer, bei einem Riesenslalom im ersten Lauf Bestzeit zu fahren. Genau das passierte ihm in Wengen 1999, nie war er so nahe am Weltmeister-Titel, dann überholte ihn Lasse Kjus mit 1,5 Sekunden Vorsprung: „Man kann alles verlieren und alles gewinnen“. Unvergessen auch, als er 2001 mit der Startnummer eins in Adelboden den Weltcup im Riesenslalom eröffnete, im Ziel in die Kameras jubelte, weil er sich sicher war, Bestzeit gefahren zu sein. Doch dann kam der zweite Läufer, der dritte usw. Alle waren schneller als er. Da zog er die Kapuze tief über den Kopf und verschwand verschämt. Am Schluss hatte er sich als 28. gerade noch für den zweiten Lauf qualifiziert. Immer wieder schilderte Marco Büchel an diesem Abend, wie nahe Triumph und Niederlage beieinander lagen. Es war ein Genuss ihm dabei zuzuhören.
Derzeit arbeitet Marco Büchel als Skiexperte und Kommentator beim ZDF. Außerdem ist er als Referent tätig.

www.marco-buechel.li