„Aus seinem Leben“ derzeit am Vorarlberger Landestheater (Foto: Anja Köhler)
Peter Niedermair · 11. Jän 2018 · Aktuell

30 Jahre allerArt – Ein Gespräch mit dem Obmann des Vereins Wolfgang Maurer

allerArt feiert am Samstag, 20. Jänner 2018 in der Remise Bludenz das 30-Jahre-Jubiläum.

Peter Niedermair: Was ist die Remise, was ist der Verein allerArt für Dich persönlich? Welche Rolle spielt allerArt in Deinem Leben, was hast Du für eine Beziehung zu diesem besonderen Ort?

Wolfgang Maurer: allerArt in der Remise ist kein Betrieb. Es ist das Team als Ganzes, das die Remise zu einem besonderen Ort macht; ein wesentliches Charakteristikum des Vereins allerArt ist, dass wir im Laufe der Jahre nicht zu einem Kunstbetrieb verkommen sind. Die Remise spielt eine sehr große Rolle in meinem Leben, der Verein allerArt hat auch mitgekämpft dafür, dass dieses Haus überhaupt geplant und dann umgesetzt worden ist. Darüber hinaus war die engagierte Arbeit des Vereins wesentlich, dass der Bund in die Drittelförderung bei den Baukosten eingestiegen ist. Da haben sowohl Ingo Springendschmid als auch Michael Konzett und der damalige, leider viel zu früh verstorbene Kulturreferent Helmut Pecoraro ganz wesentlich dafür gesorgt, dass die Gelder von Seiten des Bundes für dieses Haus geflossen sind.

Niedermair: Im Rundumblick, was ist allerArt jetzt, was ist der Verein historisch-kulturpolitisch, was zeichnet ihn aus? Was sind die großen Linien? „Dreißig Jahre allerArt“ ist die Überschrift für die Feier am 20. Jänner 2018.

Die Anfänge 1988


Maurer:
Der Verein ist im Mai 1988 angemeldet worden. In diesen 30 Jahren hat es ganzjährige Ausstellungstätigkeiten gegeben, und 2018 wird es auch das Festival „Die Tage zeitgemäßer Musik“ zum dreißigsten Mal geben. Das sind die zwei Standbeine, auf denen allerArt immer gestanden hat. Die zeitgenössische Musik und die zeitgenössische Kunst. Plus, und zwar mehr als heute, die zeitgenössische Literatur.

Niedermair: Gut in Erinnerung sind mir die zahlreichen Veranstaltungen zu gesellschaftskritischen und kirchenkritischen Themen. Rückner und Franz Bickel und Andreas Brandtner. Was hat rückblickend der Verein Denkmal für eine Rolle gespielt?

Maurer: Denkmal war in erster Linie für die gesellschafts- und kirchenkritische Betrachtung der Gesellschaft, weniger für das zeitgenössische Kunstschaffen, das war bei Denkmal auch da, ist aber nur am Rande verfolgt worden.

Niedermair: Gab es eine strukturelle bzw. inhaltliche Verknüpfung zwischen Denkmal und allerArt?

Maurer: Nein, aber da war ich noch nicht aktiv im Verein dabei … es gab eher eine gewisse Rivalität ...

Niedermair: … spürbar …

Maurer: … Spürbar, mir ist es dazumal und jetzt auch im Rückblick vergleichbar mit der Auseinandersetzung Brecht – Adorno, wenn ich die großen Linien betrachte. Denkmal als diejenigen, deren Fokus die Gesellschaftskritik war, wo auch die Kunst, wenn sie denn überhaupt eine Rolle spielte, nur am Rande vorkam. Während bei allerArt eher die Adorno Position vertreten wurde, die Kunst selbst ist schon aufgrund der Tatsache, dass es sie gibt, wie Ingo Springenschmid sie auch gesehen hat, autonom und Form einer Gesellschaftskritik.

Die Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik


Niedermair:
Weil wir beim Namen und der Bedeutung von Theodor W. Adorno sind, der sich intensiv auch mit Musik beschäftigt hatte … eine wichtige Programmschiene, innovativ, reputiert, mit international großem Echo sind die Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik. Was waren die Impulse dafür? Wer hat diese Türe aufgemacht?

Maurer: In diesem Fall muss man vor die Gründung von allerArt zurückgehen. In Bludenz hat die Jeunesse musicale nicht nur zeitgenössisches Musikschaffen präsentiert, aber auch. Da war zum Teil auch Franz Bickel dabei, auch Hanspeter Frick. Das waren die Wurzeln. Nach der Gründung des Vereins allerArt wurde Georg Friedrich Haas zum ersten Kurator der Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik bestellt. Er hat in den ersten Jahren das Programm kuratiert. Georg Haas, der in New York lebt, gilt mittlerweile als einer der bedeutendsten Komponisten weltweit. Das war der Anfang für diese Tage zeitgemäßer Musik. Und, Georg Haas war ein Freund von Michael Konzett. Die persönlichen Beziehungen spielten hier natürlich eine wesentliche Rolle.

Georg Haas, Wolfram Schurig, Alexander Moosbrugger, Clara Ianotta


Niedermair:
Georg Haas hat seine Rolle dann weitergegeben an …

Maurer: … Wolfram Schurig, nach ihm kam Alexander Moosbrugger, und jetzt ist Clara Ianotta dran.

Niedermair: Sie spielt international gesehen in der Championsleague und ist fasziniert von Musiken, die die Künste verbinden. Wie siehst Du die Bedeutung dieser Reihe, welche Rolle spielt die zeitgemäße Musik?

Maurer: Die Aufgabe sehe ich darin, dass hier im Rahmen des Festivals Projekte verwirklicht werden können, die sonst überhaupt nicht stattfinden könnten, an keinem anderen Ort. Das hat einerseits mit dem international sehr guten Ruf zu tun. Es hat damit zu tun, dass in den letzten Jahren aufgrund einer sehr großzügigen Förderung etwa der Ernst-von-Siemens Stiftung den Komponisten Honorare für die Kompositionen gezahlt werden können, die sie in der Regel sonst nicht bekommen, vor allem wenn es junge, unbekannte Musiker und Komponisten sind. Für viele sind diese Tage auch eine Initialzündung, es gibt die Möglichkeit einer Uraufführung mit sehr guten Interpreten, was auf ihrem künstlerischen Weg eine große Rolle spielt.

Niedermair: Wie siehst Du die kulturpolitische Bedeutung dieser Reihe auf der Folie der Vermessung einer Kulturlandschaft?

Maurer: Sicherlich bis Zürich, München, Stuttgart und über Innsbruck hinaus haben wir hier das einzige Festival, das konsequent am zeitgenössischen Musikschaffen festhält. Es gab andere, wie z. B. die Bregenzer Festspiele, die versuchten etwas Derartiges auf die Beine zu stellen. Vor allem Alfred Wopmann in seinen letzten Jahren als Intendant hat das probiert, was nicht wirklich funktionierte. Es gibt in Bludenz kleinere Formate, die hier zu einer Uraufführung kommen. Insofern ist das auch ein Treffpunkt für jüngere Komponistinnen und Komponisten geworden. Was das Festival mit auszeichnet, ist eine Seltenheit, dass in etwa 50 % der uraufgeführten Kompositionen von Frauen stammen. Im internationalen Kontext ist das so nicht der Fall. Das ist ganz speziell an den Bludenzer Tagen zeitgemäßer Musik.

Die kulturpolitische Bedeutung der Tage zeitgemäßer Musik


Niedermair:
Die Komponistinnen sind heute in einer größeren Anzahl vertreten als generell, im gesamten Kunstbetrieb.

Maurer: Das war nicht immer so. Mit dem Wechsel in der Intendanz von Alexander Moosbrugger zu Clara Ianotta wird speziell auch darauf ein Augenmerk gelegt, dass da wirklich auch die Komponistinnen gehört werden. Es gibt die Komponistinnen natürlich wie in anderen Kunstsparten auch, nur werden sie nicht in dem Maße wahrgenommen.

Niedermair: Welche Impulse gehen von diesen Tagen zeitgemäßer Musik aus? Wie strahlt dieses Festival aus?

Maurer: Es strahlt meiner Meinung nach noch viel zu wenig ins Land aus. Das ist einer der wunden Punkte. Die Kooperation mit dem Konservatorium in Feldkirch zum Beispiel ist eher schwierig, wir haben mehrfach Anläufe unternommen, es war einmal mit Anselm Hartmann möglich, ansonsten bieten wir immer wieder etwas an, wie schon Alfred Moosbrugger oder Wolfram Schurig, die mehrfach angeboten hatten, sie würden dorthin gehen und das Programm vorstellen, auch die Ideen dahinter, eine längerfristige Kooperation hat sich nie ergeben.

Niedermair: Vermutung?

Maurer: Ich bin selbst ja auch Lehrer und ich weiß, wie der Alltagsbetrieb läuft, wie sehr die Einrichtung mit sich selbst beschäftigt ist, da geht ja relativ wenig, wir haben jetzt zum ersten Mal auch für Schüler vom Gymnasium einen Workshop parallel zu den Tagen zeitgemäßer Musik gemacht, mit Modular-Synthezisern, das war recht interessant, aber zur Verzahnung kommt es nicht wirklich. Es ist schon schwer genug, 17-Jährige dafür zu gewinnen, dass sie am Donnerstagnachmittag, Freitag den ganzen Tag und Samstag den ganzen Tag an einem Workshop teilnehmen, am Sonntag noch einmal eine Generalprobe machen und dann noch eine kleine Aufführung mit dem was sie da komponiert haben, es ist schwierig, Schüler dafür zu finden, obwohl der Workshop qualitativ hochwertig war und sie nichts gekostet hat. Die Kosten haben wir über double check und über die Sparkassenstiftung übernommen. Nicht nur weil die zeitgenössische Musik weit entfernt liegt vom Erfahrungshorizont von Schülern.

Niedermair: Nicht nur für Schüler, generell …

Maurer: … wahrscheinlich ist es einfacher, junge Menschen für einen Literaturworkshop zu begeistern.

Niedermair: Ich denke, es gilt nach wie vor das Wort des früheren Feldkircher Kulturstadtrates Futscher, der einmal sagte, es sei nicht bedeutend, ob auf der Bühne mehr Künstler stünden als Besucher im Saal. Wichtig sei, dass das überhaupt stattfinde. Das war nicht nur für damals wichtig, sondern wäre es heute in der teils Quoten- und Ziffern-orientierten Kulturwelt weiterhin. Ein weiterer, ein wesentlicher Name für die Musik und allerArt ist Gerold Amann. Er bindet noch einmal wesentliche Elemente der Remise und deren Arbeitsweisen zusammen.

Maurer: Natürlich hat das Gymnasium Bludenz das Glück gehabt, mit Gerold Amann und mit Ingo Springenschmid zwei Künstler im musikalischen und bildnerischen sowie literarischen Bereich zu haben, die aufgrund ihrer Persönlichkeit junge Menschen für ihr jeweiliges Fach begeisterten. Da gibt es ein Zitat von Georg Friedrich Haas, den wir für die nächstjährigen Tage zeitgemäßer Musik eingeladen haben, etwas sehr Kurzes zu komponieren, und wird ein Streichquartett zur Aufführung freigeben, dieser Georg Friedrich Haas sagte, wenn wir da alle einladen, zu diesem 30-jährigen Jubiläum etwas zu komponieren, dann sollen wir nicht auf Gerold Amann vergessen, weil es ohne ihn das alles gar nicht gäbe.

Niedermair: Gerold Amann hat im musikalischen Bereich von allerArt die Fundamente gelegt, wie Ingo Springenschmid in der Literatur und in der Bildenden.

Die zeitgenössische Kunst


Niedermair:
Ein anderes großes Feld hier in der Remise und bei allerArt ist die zeitgenössische Kunst. Die hat im Wesentlichen Ingo Springenschmid initiiert und eigentlich fast sein ganzes Leben lang im Zentrum seiner künstlerischen Tätigkeit gesehen.

Maurer: Das ist richtig. Es ist auch, denke ich mir, mit ihm zu verdanken, dass bei allerArt sehr viele junge Künstler, Menschen, die noch nicht wirklich gewusst haben, ob das ihr Weg werden soll oder nicht, dass er ihnen bei allerArt eine Möglichkeit gegeben hat, zu erfahren, wie es ist, eine Ausstellung zu machen.

Niedermair: Für ihn war ja die Situation als Lehrer am Gymnasium in Bludenz zu arbeiten, auch die Grundlage, im Kontakt zu sein mit den jungen Menschen, die am Sprung waren.

Maurer: Und manche von ihnen haben den Weg weiter verfolgt, andere nicht, Markus Getzner ist bei der Kunst geblieben, andere haben für sich andere Wege entdeckt, wie etwa Rico Concin, der einer der frühen Geförderten war. Oder Peter Kohlbacher, der hier auch ausgestellt wurde.

Niedermair: Unzählige Namen, die Ausstellungsliste liest sich wie das Who is who der zeitgenössischen Kunst in Vorarlberg.

Maurer: Auf jeden Fall, ich denke mir, die Ausstellungstätigkeit hier war immer fokussiert auf regional, national, international, auch der Versuch, wie gesagt, Newcomer und bekanntere Positionen zu zeigen, aber nie hat die Überlegung eine Rolle gespielt, wer könnte uns da Besucherströme herleiten. Der Qualitätsaspekt war wichtig und auch die Aufteilung Junge und Arrivierte, diese beiden Pole, die bei Ingo und danach auch immer berücksichtigt wurden. Und zwar kompromisslos, ähnlich wie bei den Bludenzer Tagen zeitgemäßer Musik.

Ingo Springenschmid


Niedermair:
Ingo war nicht allein für die zeitgenössische Kunst ein großer Mentor, auch für die Literatur, er war selbst Autor, ein bedeutender, sehr geschätzter, nicht immer einfach zu rezipierender, aber mit Tiefgang. Seine Verdienste um die Kulturvermittlung, der bei Euch hier in Bludenz sehr zentral ist, wenn man sich das auf den historischen Achsen anschaut, dann gehört Ingo sicher zu jenen, die dieses Element hier verankert haben, wie andere hier in Bludenz ebenfalls, ich denke an Gerold Amann.

Maurer: Auf eine ganz spezielle Art und Weise, finde ich. Es ist nicht verwunderlich, dass von ihm ein Buch mit Vernissagereden erschienen ist, einerseits sind diese Reden literarische Kunstwerke, und auf der anderen Seite bilden sie einen Zugang zur Kunst, der über Umwege funktioniert.

Niedermair: Es war nie ein Erklärendes, ein direktes Benennen, …

Maurer: … alle, die da zugehört haben, jeder, der dabei war, konnte mit seinen Gedanken, mit seinen Erfahrungen, mit seiner Sicht, die ausgestellten Kunstwerke aufgrund der Reden von Ingo neu verorten. Das ist eine ganz spezifische Form der Vermittlung, die er betrieben hat. Wenn ich an Adorno zurückdenke, sollte das Kunstwerk immer ein Rätsel bleiben.

Die Rolle der Kulturvermittlung


Niedermair:
… ohne dass er es mystifiziert hätte. Bevor wir in der Kulturvermittlungfrage und mit der zeitgenössischen Kunst fortsetzen, kurz zu einem anderen Thema: Zentrum und Peripherien. Bludenz liegt an einer bedeutenden Verkehrsachse, eine Eisenbahnerstadt, historisch und politisch, weil sie die Arbeitsmigration stark gefördert hat, wie kaum ein anderes Projekt in der vorarlbergischen Geschichte des 19. und 20. Jhts. – Bludenz liegt obwohl transit-verkehrsachsig an einer so wichtigen Strecke, in der Relation oder Wahrnehmung vieler, in Vorarlberg „weit weg“, geographisch-kulturell abseits, wiewohl sehr viel herausragende und bedeutende kulturelle zeitgenössische Kunstereignisse hier in Bludenz stattfinden. Im besten Sinne Avantgarde – man ist hier der Zeit voraus, was kulturpolitische Konzepte betrifft … was macht das, wie wirkt sich das auf das Selbstbild aus? Man wird hier immer freundlich aufgenommen, vor allem auch, dass man „den weiten Weg“ auf sich nehme, hierher zu kommen, wenngleich das nur ein Katzensprung ist.

Maurer: Die Feststellung ist sicher richtig, Bludenz liegt etwas abseits im Kunstverständnis mancher Vorarlbergerinnen und Vorarlberger. Dieses Abgelegensein zwingt einem in gewissem Sinne auch keine engen Vorgaben auf.

Niedermair: Was bedeutet es, konzeptiv remote zu sein?

Maurer: Das gibt gewisse Freiheiten, hier wirklich das machen zu können, was von den jeweils Verantwortlichen im Moment, als das qualitativ Hochwertige und auch Machbare gesehen wird. Wir haben hier einen Raum, den wir bespielen, zum Teil auch mit dem Platz draußen, mit der Glaswand hier im Korridor, er ist relativ klein, aber dieser Raum ist ganz besonders. Wir verlangen keinen Eintritt für die Ausstellungen, alle sind herzlich willkommen.

Ingo Springenschmid, Axel Jablonski, Alfred Graf – Die Kuratoren Zeitgenössischer Kunst


Niedermair:
Diese Willkommen-Kultur ist für allerArt sicherlich etwas Besonderes. Das ist nicht überall so. Darf ich nochmals zurück … Ingo war der erste, langjährige Kurator für die zeitgenössische Kunst, …

Maurer: Er hat insgesamt 16 Jahre kuratiert, am zweitlängsten, 10 Jahre, Alfred Graf, dazwischen gab es ein hochinteressantes Zwischenspiel, mit Axel Jablonski,

Niedermair: … sein Name taucht hier in der Genealogie der Kuratoren nicht so vordergründig auf, er spielte aber eine wichtige Rolle. Was für ihn typisch war, das war ein politischer Zugang zu fast allen Ausstellungen, die er nach Bludenz gebracht hat.

Maurer: In dieser Hinsicht waren seine Ausstellungen eine interessante Antithese zu jenen von Ingo Springenschmid, bei denen sich „das Politische“ sehr vermittelt eingestellt hat. Axel Jablonski war 2003 und 2004 für die Galerie allerArt kuratorisch verantwortlich. Danach war er wieder in Deutschland und der Schweiz als freier Kurator, Verfasser von Artikeln zur modernen Kunst, Herausgeber von Kunstbüchern und Ausstellungskatalogen tätig.

Das erste Jahr von Andrea Fink


Maurer:
Jetzt haben wir das erste Jahr von Andrea Fink abgeschlossen, das meiner Meinung nach sehr interessante Ausstellungen gebracht hat. Das hat begonnen mit Feuerstein, sehr speziell mit den Maschinen und dem Schaum, dann waren die Kunstankäufe des Landes Vorarlberg sicherlich ein Höhepunkt, Simon Kindle, fand ich eine unglaublich gute Ausstellung, der sich mit Bludenz auseinandergesetzt hat, mit Statuen, mit dem Kriegerdenkmal, Abgüsse vom Nepomuk und dem Riedmiller genommen hat, Alfred Zauner war sehr spannend, jetzt Monika Supé, finde ich, war ganz speziell. Andrea Fink, die Kuratorin, arbeitet sehr genau …

Niedermair: … ist sehr engagiert und kennt sich prima aus,

Maurer: … ähnlich wie Clara Ianotta, das ist so bei der Arbeit aller Verantwortlichen des Vereins, man geht aufeinander zu, man versucht, die Rahmenbedingungen für alle so gut wie möglich zu gestalten, für alle, auch für die geladenen Künstlerinnen und Künstler ...

Niedermair: … die zeitgenössische Kunst hat eine wichtige Bedeutung innerhalb der Remise, weil sie auch als ein Zentrum in sich selbst funktioniert, mit großer Außenwirkung und großer Attraktivität.

Maurer: … das finde ich auch, Außenwirkung nach Österreich hinein, zum Teil auch international, aufgrund von zum Teil auch Partnerschaften, auch mit Künstlerinnen gibt es Linien, langjährige Beziehungen, die die KünstlerInnen auch wieder hierherführen. Wir verlieren die Leute, die wir ausstellen und aufführen, nicht aus den Augen, wenn es vorbei ist. Es bleiben die Beziehungen, es reißt nicht ab … nicht mit allen, aber mit den allermeisten, das war eines der großen Verdienste von Michael Konzett, mit seiner Gastfreundschaft. Nicht nur in seinem Haus in Bludenz, auch auf dem Kristberg, das ist auch etwas, was natürlich zu tieferen Beziehungen zu KünstlerInnen geführt hat. Und das spricht sich auch herum, dass es bei allerArt eine besondere Form von Gastfreundschaft gibt.

Die dialogischen Formate


Niedermair:
Ein Segment im großen Programm, in dem diese Beziehungen gefördert und unterstützt werden, sind die dialogisch angelegten Veranstaltungen, die Gespräche, die Diskurse. Was spielen die für eine Rolle? Bei diesen Diskursen sind Christof Thöny und Du die Verantwortlichen …

Maurer: Ich denke mir, wir haben schon über Vermittlung gesprochen. Ingo war zu einer Form von Vermittlung fähig, die schon auch eng mit seiner Person verbunden war.

Niedermair: Das ist ja bei Dir nicht anders.

Maurer: Ich denke, das hat sich auch ein bisschen gewandelt. Vor 30 Jahren konnte man noch eher davon ausgehen, dass in der Familie, in der Schule … die grundlegenden Zugänge, zumindest für eine gewisse bürgerliche Schicht, soweit gelegt werden, dass dann für eine weitere Vermittlung über beispielsweise das Aufführen eines Musikstücks oder das Planen einer Ausstellung hinaus nicht mehr viel gemacht werden musste. Wir im Verein sehen das heute etwas anders.

Niedermair: Was ist aufgetaucht?

DiskursDirekt - Christof Thöny und der literarische Salon - Wolfgang Maurer


Maurer:
Wir haben mit einer etwas anderen Art von Vermittlungsarbeit begonnen … Es sind nicht nur DiskursDirekt und der literarische Salon, den ich mittlerweile auch schon mehr als 25 Jahre betreue, dieses Format stellt einen Versuch dar, in den Dialog zu treten, mit den an moderner Literatur interessierten Lesern. Absolut niederschwellig, die Teilnehmenden haben das Buch gelesen, und man diskutiert dann eine Stunde oder länger in angenehmer Atmosphäre über das Buch, über Leseerfahrungen, man bespricht die Reflexionen …

Niedermair: … das ist nicht akademisch …

Maurer: … nicht akademisch, über eine kurze Einführung in das Buch, ein paar Sätze zum Autor, dann geht es um einen Austausch, was habe ich gut gefunden, wie ist die Sprache, manchmal gehe ich auf Dinge ein, die m. M. etwas zu kurz kommen, Erzählperspektiven zum Beispiel. Es bietet eigentlich einen Raum, wo man mit Büchern, die man gelesen hat, nicht allein bleibt. Das nächste Buch ist Underground Railroad von Colson Whitehead, … ich wähle die Bücher aus, die Beteiligten vertrauen darauf, dass es zumindest ein interessantes Buch ist.

Niedermair: Wie oft trifft man sich hier zu solchen Diskursen über Literatur im Literarischen Salon?

Maurer: Acht- bis zehnmal im Jahr.

Niedermair: Mit dem Salon und Diskurs Direkt gibt es zwei dialogische Programmteile, die stark auf die Besucherinnen und Besucher sowie die potentiellen Gäste zugehen. Das schafft auch eine langfristige Affinität und eine Bindung zur Remise.

Maurer: DiskursDirekt wird von Christof Thöny kuratiert, diese Reihe ist noch sehr jung, wir haben sie ca. drei Jahre. Das ist der Versuch, sich gewissen gesellschaftspolitischen Themen und historischen Ereignissen zu widmen. Für mich eine der herausragenden Veranstaltungen war die mit Agnes Heller, für die vielen, auch die Schüler, die da gekommen sind, die dem Vortrag, ihrem Erzählen aufmerksam zugehört haben. Wir haben sie dann auch an Schulen gebracht. Dies gehört zu unserem Verständnis von Vermittlung, eine weitreichende und es ist auch nicht uninteressant, auch im Vermittlungsbereich der bildenden Kunst auf eine gewisse Vorreiterrolle bei allerArt hinzuweisen. Weil wir junge Menschen über den Bildnerische Erziehungsunterricht hinaus, in Workshops zum Beispiel dazu befähigen, dass sie Workshops mit Kindern machen können. Marina Schöpf hat das mit 15-Jährigen gemacht, die dann einen Workshop und eine Führung für Zweitklässlern gemacht haben, sie arbeitet mit mir am Gymnasium.

Niedermair: Dann gibt es eine zweite Kollegin von Dir, die gerade auch im Vermittlungsbereich sehr aktiv ist, Barbara Winkler, die auch in der Kulturvermittlung als Unterrichtsfach arbeitet.

„Kulturelle Bildung“ - Barbara Winkler und „kopfsprung“ - Frauke Kühn


Maurer:
Sie macht– sie ist hier meine Stellvertreterin, Vizeobfrau. Und verantwortlich für die Reihe gemeinsam mit Frauke Kühn. Es geht darum, abseits des üblichen Leseformats, Literatur für junge Menschen begreifbar zu machen. Wir hatten hochinteressante genreüberschreitende Veranstaltungen hier, mit Einbindung von Schülern, zum Beispiel eine Lesung mit Augustin Jagg aus einem Arno Geiger Roman, wo die Schüler dann versucht haben, die Räume in der Literatur darzustellen und zu fragen, wie kann man sich parallel zum Text in architektonischen Räumen bewegen. Wie schauen die Räume aus, in denen die Handlung spielt. Das z.B. ist kopfsprung, oder etwas mit Gerold Amann, eine Vertonung von Literatur. Im Bereich der Vermittlung bilden wir auch die jungen Kulturguides aus, die dann Peers durch das Haus und die Ausstellungen führen, z.B. in der langen Nacht der Museen. Das Land Vorarlberg fördert aus Mitteln von „double check“, eine prima Förderschiene.

Niedermair: 30 Jahre ...

Maurer: … Mit Höhen und Tiefen …

Niedermair: … Was könnte anders sein, was könnte anders laufen?

Struktur und Finanzierung


Maurer:
Es gab lange Zeit, meiner Meinung nach aufgrund der Tatsache, dass der Verein in all seinen Ausrichtungen auf das Zeitgenössische, auf Qualität im Zeitgenössischen gesetzt hat, den zum Teil unterschwellig, zum Teil offen ausgesprochenen Vorwurf, der Verein sei elitär. Es hat auch bei manchen in der Stadt Bludenz politisch Verantwortlichen das Bewusstsein, dafür gefehlt, was der Verein denn eigentlich alles macht, was der Verein für Bludenz leistet. Ich war von 2001 bis 2006 Kulturamtsleiter in Bludenz. In der Zeit hat der Verein allerArt von der Stadt eine Förderung von 84.000 Euro bekommen. In den Jahren danach ist die Förderung auf 50.000 Euro zurückgegangen; wir sind jetzt eigentlich froh, dass sie bei 60,5 T ist. Mit 3000 Sonderförderung dieses Jahr. 2006 gab es den Versuch, die Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik als Programmpunkt zu kippen, das war ja damals auch für mich ein Grund aufzuhören.

Niedermair: Und vom Land?

Maurer: Das Land ist damals eingesprungen. Derzeit fördert das Land die Tage zeitgemäßer Musik mit einer Sonderförderung von 27.500,- und den Verein mit 53.000 bzw. 56.000,-.

Niedermair: Der Bund?

Maurer: … fördert die Tage zeitgemäßer Musik und die Ausstellungstätigkeit mit insgesamt 18 - 20.000,-

Niedermair: Die Personalsituation:

Maurer: Es gibt einen Vorstand mit Beiräten, die Kuratoren sind Beiräte für jeweils eine Programmschiene, der innere Kreis des Vorstands sind vier Leute, dazu kommen dann Clara Ianotta, Andrea Fink, Christof Thöny, Frauke Kühn und Walter Gasperi für die Leinwand Lounge.

Niedermair: Das ist eine - wohlwollend gedacht - geschickte Strategie, dass Du Dir alle diese kompetenten Leute holst.

Maurer: Ja, ich freue mich auch darüber, so kompetente Menschen im Team zu haben. Und die weitere Personalsituation: Andrea Bickel arbeitet zu 80 % in der Administration, macht Galerieaufsicht während der Woche, Veranstaltungsbetreuung, Buchhaltung, Abrechnung.

Niedermair: Sie hat einen Round-About Job, ist die soziale Drehscheibe; dazu gekommen ist ja jetzt auch noch die Leinwand Lounge ...

Die Leinwand-Lounge – Walter Gasperi


Maurer:
…, die wir fast ein bisschen unterschätzt hatten, sie ist mittlerweile unser größter Erfolg; seit September 2016 hat allerArt in der Remise diese Programmschiene, ein genialer Schachzug, nachdem die Stadt und das Land zunächst wechselweise abgelehnt hatten. Angelika Kaufmann und ich habe lange darum gekämpft, ein Verein wie allerArt sollte unserer Meinung nach auch ein Kino dabei haben. 2016 gab es dann endlich den Punkt, an dem Stadt und Land dafür waren, woraufhin wir sofort einen Kinoprojektor gekauft haben. Es waren auf einen Schlag 25 Veranstaltungen pro Jahr mehr. Wir hatten bisher pro Filmvorführung durchschnittlich 70 BesucherInnen.

Niedermair: …. Und wenn man den Idealismus und die Bereitschaft zum Engagement vieler weiterer Personen nicht hätte, gäbe es das alles nicht. Mit bezahlten Angestellten allein brächte man das alles nicht her. Man kann die Kunst nicht wirklich administrieren. Sie lebt von der Leidenschaft.

Maurer: Die Konstellation, dass es vielen Freude macht, hier zu arbeiten, ist das Um und Auf.

Niedermair: Das dachte ich mir heute früh auch, man kann ein solches Gespräch über die 30 Jahre eines Kulturveranstalters wie allerArt eigentlich nicht punktuativ anlegen, so wie man keine Liste machen kann, die man dann herunterdiskutiert; es ist alles so miteinander verwoben, ein mäanderndes Amalgam zeitgenössischen, künstlerischen Schaffens auf höchstem Niveau. Die Zeitschrift KULTUR gratuliert zum Geburtstag. Für „Das dreißigste Jahr“ und die 30-Jahr-Feierlichkeiten wünschen wir alles Gute!

  

allerArt feiert am Samstag, 20. Jänner 2018 in der Remise Bludenz das 30-Jahre-Jubiläum.
18.00 Uhr Künstlerführung in der Galerie: Andrea Fink im Gespräch mit Michael Siegel
18.45 Uhr Sektempfang
19.30 Uhr Begrüßung: Wolfgang Maurer, Obmann allerArt Bludenz
19.45 Uhr Festrede: Michael Köhlmeier
20.15 Uhr Abendessen
21.15 Uhr Konzert: bachSpace mit Tamar Halperin
22.30 Uhr 30 Jahre allerArt Bludenz – eine Diashow