Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Ingrid Bertel · 12. Feb 2016 · Aktuell

„Europäische Kulturhauptstadt 2024“ - Wohin will dieses Land?

Sollen sich die vier Rheintalstädte und die Region Bregenzerwald um den Titel der „Europäischen Kulturhauptstadt 2024“ bewerben? Und wenn ja, mit welchem Thema? Nach etlichen Workshops und Podiumsdiskussionen scheint nun zumindest die Richtung klar und in der Nachbarschaft, von Liechtenstein über St. Gallen bis nach Friedrichshafen, würde man sich gern in gemeinsame Projekte einbringen.

Rund 200 Interessierte sind gestern, Donnerstag, in die „inatura“ in Dornbirn gekommen, um zu hören, wie die Diskussion rund um die Kulturhauptstadt-Bewerbung in die Zielgerade einbiegt. Auf dem Podium ist man in einer Frage einig: der dahinwuchernde Stadtraum Rheintal braucht eine Zukunftslösung und könnte dabei zum europäischen Modellfall avancieren. Zersiedelung ist überall in Europa ein Thema, sagt vai-Leiterin Verena Konrad, aber angesichts eingeschränkter Bodenressourcen scheinen Lösungen kaum anderswo so dringlich.

Raumplanung


Es habe in Europa seit Jahrhunderten keine Stadtgründung gegeben, führt Roland Gnaiger, Leiter der Meisterklasse Architektur an der Kunstuni Linz, den Gedanken aus. Die Städte Europas seien Wüsten der Zersiedelung, ebenso wie das Rheintal. In unserem Fall habe man es zusätzlich mit einem verinnerlichten Siedlungsbild aus bäuerlicher Zeit zu tun. Aber nicht nur das Bauernhaus der Großfamilie, auch das Einfamilienhaus sei angesichts der Zahl der Single-Haushalte längst keine Option mehr. Gnaiger sieht jetzt den richtigen Zeitpunkt um die Wohnbau- und Raumplanungsdefizite des Landes zu lösen und gleichzeitig mit Hilfe von „best practice“-Beispielen diese Lösungen auf eine breite Basis zu stellen.

Meisterlösungen


Denn es gibt diese „best practice“ Beispiele alle im Land, so Reinhard Kannonier, Rektor der Kunstuni Linz. Er nennt etwa das Modell Stadtbus/Landbus, das mit seinem hochwertigen Design und seinem klugen System ein Umdenken im Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel bewirkt habe. Zweiter Modellfall: der Werkraum Bregenzerwald. Hier treffen Handwerk und Design, kulturelle und wirtschaftliche Kompetenz aufeinander. Hier werde vorgeführt, wie Innovation entstehe und wie der Brückenschlag zwischen Wirtschaft und Kultur gelingt.

Bei so viel Optimismus möchte der Philosoph Thomas Macho nicht abseits stehen und hält eine launige Rede zum Thema „Durchlässigkeit von Grenzen“, die eine direkte Verbindung zwischen dem „eisernen Vorhang“ im Theater und dem in der Politik herstellt. Von solchen Grenzen aber will man in Friedrichshafen, in St. Gallen und Vaduz nichts wissen und möchte irgendwie einsteigen auf das Projekt Kulturhauptstadt.

Grenzenloser Kuschelkurs?


Die skizzierten Pläne setzen allerdings eines voraus: Die Rheintalgemeinden müssten sich auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Es dürfte keinen Wettlauf zwischen Ikea-Standort und Messe geben, es dürfte nicht jedem Baumarkt ein riesiger Gratis-Parkplatz und jedem Fast-Food-Abspeiser eine eigene Autobahnauffahrt genehmigt werden. Und das scheint – aller schönen Kulturhauptstadt-Reden zum Trotz, ein frommer Wunsch.

Wie das Match zwischen Bregenz und Dornbirn um den Platz des Bannerträgers einer solchen Kulturhauptstadt ausgehen wird, scheint noch offen. Dornbirn habe die Idee als erste Stadt aufgegriffen, erläutert Bürgermeisterin Andrea Kaufmann, nämlich während der Erstellung des Kulturleitbilds. Bregenz trage die Idee auch schon Jahre herum, antwortet Bürgermeister Markus Linhart, nämlich seit die Stadt 2014 in Berlin die Europäische Kulturmarke des Jahres erhalten habe. Was sich solcherart abzeichnet ist das alte Kirchturmdenken. Und dafür braucht es den Titel „Europäische Kulturhauptstadt 2024“ nun wirklich nicht.