„Tancredi“ begeistert als Hausoper der Bregenzer Festspiele in glänzender Besetzung. (Foto: Bregenzer Festspiele/Karl Forster)
Walter Gasperi · 06. Jun 2024 · Film

Aktuell in den Filmclubs (7.6. – 13.6.2024)

Die LeinwandLounge in der Remise Bludenz bietet mit dem französischen Spielfilm „Geliebte Köchin – La Passion de Dodin Bouffaint“ Augenschmaus und weckt Gaumenfreuden. Der Spielboden Dornbirn blickt dagegen mit dem Dokumentarfilm „Vista Mare“ auf die vielfältigen Arbeitsprozesse, die nötig sind, um reibungslosen Massentourismus zu ermöglichen.

Vista Mare: An Ulrich Seidls „Rimini“ erinnern die ersten Einstellungen von Julia Gutwenigers und Florian Koflers Dokumentarfilm: In sorgfältig komponierten, statischen Totalen fangen die Filmemacher:innen einen nebelverhangenen, winterlich-kalten und menschenleeren Badeort an der italienischen Adria ein. – Doch die Vorbereitungen für die Sommersaison laufen schon: Am Strand wird Sand ausgebaggert, um einen perfekten Strand zu schaffen, bald werden auch die Sonnenschirme geflickt. Mit Beginn der Saison vervielfältigen sich die Arbeiten: Hotelzimmer müssen gereinigt, Unmengen an Bettwäsche gewaschen werden, Hochbetrieb herrscht in der Küche, während am Strand Animateur:innen für Unterhaltung sorgen. Nicht fehlen dürfen natürlich der Eisverkäufer, der sein Gelati zwischen den dicht gedrängten Sonnenschirmen anpreist, und der afrikanische Strandverkäufer, mit dem um den Preis von Sonnenhüten gefeilscht wird.
Auf Kommentare und Interviews verzichtet das Regie-Duo und beschränkt sich auf die Beobachtung. Unbehagen und gewisse Verstörung erzeugen dabei nicht nur die kühl-distanzierten, weitgehend statischen Einstellungen, sondern auch wiederkehrende Totalen des mit Sonnenschirmen und Badegästen überfüllten Strands sowie der in ihrer Gleichförmigkeit hässlichen Hotelfassaden und die kalte und teils dissonante Musik von Gabriela Gordillo.
Der Fokus liegt auf den Arbeitsprozessen, kein Profil gewinnen in den kurzen Szenen die Saisonarbeiter:innen. Sichtbar wird aber, was von ihnen geleistet werden muss und wie sie ausgebeutet werden, wenn Gutweniger/Kofler auch eine Demonstration einfangen, bei der sie gegen die niedrigen Löhne, überlange Arbeitszeiten und fehlende freie Tage protestieren. Mag diese Szene auch relativ kurz sein, so prägt sie sich doch ein und wirkt nach, weil sie den Preis sichtbar macht, den die einen bezahlen, damit die anderen ihren Urlaub genießen können.
Spielboden Dornbirn: Fr 7.6. + Mi 12.6. – jeweils 19.30 Uhr

Geliebte Köchin – La Passion de Dodin Bouffaint: Der in Cannes 2023 für die beste Regie ausgezeichnete vietnamesisch-französische Regisseur Trần Anh Hùng erzählt in seiner Ende des 19. Jahrhunderts spielenden Literaturverfilmung nicht nur von der Liebe zum Kochen und zum Essen, sondern auch von der Liebe eines berühmten Gourmets Benoît Magimel) zu seiner Köchin (Juliette Binoche).
Großartig harmonieren die immer wunderbare Juliette Binoche und Benoît Magimel. Sie brilliert als ebenso zurückhaltende wie selbstbewusste und im Grunde ihren Arbeitgeber dominierende Frau, er lässt die Leidenschaft des Hausherrn fürs erlesenes Essen ebenso spüren wie seine tiefe, aber nicht ganz erfüllte Liebe zu seiner Köchin.
Freilich muss man diese Kochkünste auch ins richtige Licht rücken. Während Trần Anh Hùng auf Filmmusik verzichtet, schwelgt er in eleganten, in warme Brauntöne und warmes Licht getauchten Bildern. Erst nach einem tragischen Zwischenfall werden die Bilder dunkler, aber auch dann strahlen sie große Eleganz aus. – Augenschmaus bereiten die Innenszenen dabei ebenso wie die prächtigen, von Grüntönen dominierten Bilder der freien Natur.
Gleichzeitig ist diese Geschichte über die Liebe zum Kochen, zum Essen und auch zu einer Frau in seiner schon geschmäcklerisch schönen Bildsprache aber auch gefährlich nahe am Kitsch. Doch wie der Geschmack und die Eleganz der Speisen und Getränke ist es schließlich auch der Geschmack des Regisseurs, der diesen bildschönen Film, der mit einem großartigen 720 Grad Schwenk durch die Küche und über die vielfältigen Gerätschaften endet und dabei nochmals die Pole Küche und Liebe verbindet, vor dem Absturz in eine Kitschsauce bewahrt.
LeinwandLounge in der Remise Bludenz: Mi 12.6, 19 Uhr

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