Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Walter Gasperi · 28. Mär 2024 · Film

Aktuell in den Filmclubs (29.3. – 4.4.2024)

Am Spielboden Dornbirn wird diese Woche der bittersüße Liebesfilm "Past Lives" gezeigt. Beim TaSKino Feldkirch und auch am Spielboden sowie am 18.4. beim Filmforum Bregenz steht der Spielfilm "Joyland" auf dem Programm, in dem ein vielschichtiges Bild der patriarchalischen pakistanischen Gesellschaft gezeichnet wird.

Past Lives: Die Kinderfreundschaft zwischen der zwölfjährigen Young Na und ihrem Mitschüler Hae Sung zerbricht abrupt, als Young Na mit ihren Eltern nach Kanada emigriert. Wenn Young Na dabei auch den neuen Vornamen Nora bekommt, verdeutlicht das den Bruch mit dem bisherigen Leben. Von dieser Kindheit überspringt Celine Song in ihrem autobiographisch inspirierten Spielfilmdebüt mit einem Schnitt 12 Jahre. Über Facebook und Skype stellt Nora nun wieder Kontakt zu ihrem ehemaligen Mitschüler her, doch zu einem Treffen kommt es erst weitere 12 Jahre später, als Hae Sung zu der inzwischen mit einem Amerikaner in New York lebenden Jugendfreundin reist.
Man spürt in der Genauigkeit der Beobachtung, in der Stimmigkeit der Szenen, dass Song genau weiß, wovon sie erzählt. In langen Einstellungen lässt sie ihren Schauspieler:innen viel Raum, forciert die Emotionen nicht, erzählt undramatisch und dennoch – oder gerade deswegen – entwickelt dieser kleine Film durch die Konzentration auf die Beziehung von Nora, Hae Sung und ihrem Mann bewegende Kraft. Genau getimt ist der Erzählrhythmus, die Ellipsen sorgen für meisterhafte Verdichtung und die gedeckten Farben unterstützen die sanfte, von zartbitterer Melancholie bestimmte Erzählweise. 
Auch wenn die Trauer über den Verlust dabei zu Tränen rühren kann, so bleibt „Past Lives“ nicht nur dank der von leisem Humor durchzogenen, meisterhaften Dialoge leicht und optimistisch, sondern auch, weil er daran erinnert, dass der Verlust und die Lücke, den jede Lebensentscheidung bringt, auch neue Chancen bietet und mit etwas Neuem geschlossen wird. – Die filigrane Auslotung dieses Spannungsfelds macht diesen von drei wunderbaren Schauspieler:innen getragenen Film zu einer kleinen Perle. 
Spielboden Dornbirn: Sa 30.3. + Fr 5.4. – jeweils 19.30 Uhr

 

Joyland: Im Mittelpunkt von Saim Sadiqs in Cannes mit der Queer Palm ausgezeichnetem Spielfilmdebüt steht Haider (Ali Junejo), der mit seiner Frau Mumtaz (Rasti Farooq), seinem Vater und der Familie seines Bruders in einem Haus in der pakistanischen Großstadt Lahore lebt. Neue Möglichkeiten eröffnen sich für den arbeitslosen Haider, als er einen Job als Backgroundtänzer in einem erotischen Theater erhält. Fasziniert ist Haider, der seine homosexuelle Neigung verdrängt, hier von der trans Frau Biba (Alina Khan) und beginnt eine Affäre mit ihr, sieht in ihr aber nicht die Frau, sondern den Mann.
Die Stärke von "Joyland" liegt einerseits in der feinfühligen und runden Erzählweise, andererseits in der differenzierten Schilderung der traditionellen pakistanischen Gesellschaft. Mit der Verzahnung von Haider, seiner Frau, der Transfrau Bina und Haiders Vater können nicht nur die patriarchale Macht und die vielfältige Unterdrückung der Frau, sondern auch die Diskriminierung und Ausgrenzung nicht heterosexueller Gruppierungen plastisch herausgearbeitet werden.
Dank Sadiqs genauem Blick für Situationen und Figuren sowie starker Schauspieler:innen wird „Joyland“ aber nie zum schweren Problemfilm, sondern bietet starkes Gefühlskino. Nach rasantem Beginn wird dabei die Erzählweise langsamer und lässt in langen Einstellungen immer wieder den Protagonist:innen Raum, um intensiv ihre Emotionen und Befindlichkeit zu vermitteln. Gekonnt wird dabei auch der Lebensfreude, die in den Tanzszenen spürbar wird, die Beengung gegenübergestellt, die vor allem am Ende an Gewicht gewinnt. Dennoch entlässt „Joyland“ die Zuschauer:innen nach zwei bewegenden Stunden zwar nachdenklich, aber nicht niedergeschlagen, sondern mit dem Wissen und dem Glauben, dass auch in Pakistan ein befreites und selbstbestimmtes Leben möglich sein könnte.
TaSKino Feldkirch im Kino Rio: Mo 1.4., Do 4.4., Fr 5.4. 
Spielboden Dornbirn: Mi 3.4. + Fr 19.4. - jeweils 19.30 Uhr 
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Do 18.4., 20 Uhr


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