„Hirschfelds go to Izmir“ - die neue Produktion der freien Kompanie walktanztheater.com
Walter Gasperi · 20. Jun 2024 · Film

Aktuell in den Filmclubs (21.6. – 27.6.2024)

Die LeinwandLounge in der Remise Bludenz zeigt vor der Sommerpause noch Stéphane Brizés leises Liebesdrama „Hors Saison – Zwischen uns das Leben“. Das Skino Schaan ermöglicht dagegen in der Reihe „The Ones We Love“ ein Wiedersehen mit Matthieu Kassowitz´ „La Haine“, der ein schonungsloses Bild der Frustration und Aggression in den Pariser Vorstädten zeichnet.

Hors Saison – Zwischen uns das Leben: 15 Jahre nach ihrer Trennung begegnen sich der in einer persönlichen Krise steckende Filmschauspieler Mathieu (Guillaume Canet) und seine damalige Geliebte Alice (Alba Rohrwacher) in einer kleinen bretonischen Küstenstadt wieder. Unsicher verläuft noch das erste Treffen, doch bald ist wieder die alte Vertrautheit da und in den Gesprächen arbeiten sie ihre damalige Beziehung und Trennung auf. Steht so zunächst Mathieu im Zentrum, gewinnt zunehmend Alice an Gewicht.
Nichts Spektakuläres passiert und Stéphane Brizé dramatisiert auch nicht durch die Inszenierung. Unauffällig begleitet er seine beiden Protagonist:innen, lässt ihnen in langen Einstellungen viel Zeit und Raum. Einblick kann so Alice in den einstigen Trennungsschmerz bieten, aber auch die verpassten Chancen werden aufgearbeitet. Getragen wird dieses leise und langsame Liebesdrama von den beiden großartigen Hauptdarsteller:innen Guillaume Canet und Alba Rohrwacher. Eindrücklich vermittelt Canet die Ängste dieses Mathieu, während bei Rohrwacher langsam das Aufflackern alter Gefühle und die Zerrissenheit zwischen Familie und dem Ex-Freund spürbar werden.
Zur Stimmigkeit trägt dabei auch wesentlich die Einbettung in das herbstliche Küstenambiente bei. In den gegen die Felsen brandenden Wellen des Atlantiks kann man eine Metapher für die erwachenden Gefühle sehen, der weitgehend leere Strand und der vorwiegend graue Himmel verstärken die Melancholie, die Mathieu und Alice umgibt. 
Dennoch wird „Hors-Saison – Zwischen uns das Leben“ nie zum schweren Drama, sondern bewahrt dank des Feingefühls und der Empathie Brizés sowie durch sein Gespür für leisen Witz immer Leichtigkeit, betrauert zwar das Verpasste und Missglückte, erzählt aber auch von Versöhnung und wie das Leben weitergeht.
LeinwandLounge in der Remise Bludenz: Mi 26.6., 19 Uhr

 

La Haine: Drei junge Erwachsene ziehen einen Tag lang durch die Pariser Banlieue und erleben ein Klima der Gewalt und Ablehnung. Plakate verkünden zwar „Le monde est a vous“ oder „L‘avenir – c‘est vous“, doch für das Trio scheint es keinen Handlungsspielraum und keine Zukunftsperspektiven zu geben. Die Boxhalle, in der der eine trainierte, wurde bei Krawallen verwüstet, beim Grillen auf dem Dach vertreibt sie die Polizei und auch im Krankenhaus werden sie von der Polizei abgewiesen, als sie ihren Freund besuchen wollen, der bei einem Polizeieinsatz schwer verletzt wurde. Die Aggression der Polizei steigert wiederum die Aggressionsbereitschaft der jungen Männer und als einer von ihnen eine Pistole findet, die ein Polizist verloren hat, eskaliert die Situation.
Immer noch rüttelt Matthieu Kassowitz‘ 1995 entstandener Spielfilm mit seiner schonungslosen Schilderung der Verhältnisse in den Pariser Vorstädten auf und hat nichts von seiner Aktualität verloren. Von Anfang an vermitteln schwarz-weiße Archivbilder von Demonstrationen, Plünderungen, Krawallen und hartem Einschreiten der Polizei eindrücklich die explosive Stimmung, die in der Pariser Vorstadt Chanteloup-les-Vignes herrscht. Die dokumentarische Note, die dieser Einstieg dem Film verleiht, wird in der Folge durch eine dynamische Handkamera und triste Schwarz-Weiß-Bilder fortgesetzt. Dazu kommen authentische Dialoge und die natürlichen Schauspieler sowie die atmosphärisch dichte Verankerung im Milieu, die diesem Klassiker des „Banlieue“-Films große Unmittelbarkeit und Durchschlagskraft verleihen und ihn zu einem kraftvollen und ungeschönten Sozialdrama machen.
Skino Schaan: Do 27.6., 20.15 Uhr (in der Reihe „The Ones We Love“)


Weitere Filmkritiken, Streamingtipps, DVD-Besprechungen und Regisseur-Porträts finden Sie auf meiner Website https://www.film-netz.com.