Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Walter Gasperi · 16. Mär 2023 · Film

Aktuell in den Filmclubs (17.3. - 23.3. 2023)

In der LeinwandLounge in der Remise Bludenz steht diese Woche Sophie Hydes großartiges Kammerspiel „Good Luck to You, Leo Grande" auf dem Programm. Das Filmforum Bregenz zeigt dagegen mit Olivia Wildes „Don´t Worry, Darling" eine visuell starke, bissige Satire.

Good Luck to You, Leo Grande: Ein riskantes Unterfangen ist es im Medium Film, das vom Bild lebt, sich weitgehend auf zwei Menschen zu beschränken und diese sich in einem geschlossenen Raum rund 90 Minuten unterhalten zu lassen. Leicht könnte so etwas das Publikum langweilen. Feingefühl, herausragende Schauspieler:innen und präzise Dialoge sind hier nötig. – Und über all das verfügt „Good Luck to You, Leo Grande“, in dem sich die verwitwete Religionslehrerin Nancy (Emma Thompson) mehrfach mit dem jungen Sexarbeiter Leo (Daryl McCormack) in einem Hotelzimmer trifft.
Eine große Bühne bietet Sophie Hydes Kammerspiel (Drehbuch: Katy Brand) vor allem Emma Thompson. Wunderbar ist es, ihr zuzusehen, wie nervös und unsicher sie beim ersten Treffen auf den jungen Leo wartet und wie sie von Treffen zu Treffen lockerer, gelöster und glücklicher wird.
Auf explizite Sexszenen kann Hyde getrost verzichten, lässt zwar offen alles ansprechen, bleibt aber dezent in der Darstellung. Viel Feingefühl beweist die gebürtige Australierin bei der Inszenierung und auch wenn „Good Luck to You, Leo Grande“ weitgehend in einem Raum spielt, hat das nichts mit abgefilmtem Theater zu tun, sondern ist ganz Film.
Denn wie Hyde in genau getaktetem Rhythmus im Schuss-Gegenschuss-Verfahren zwischen ihren beiden Protagonist:innen wechselt, so vermittelt sie auch in Nahaufnahmen von Berührungen und Gesten ein Gefühl für die Bedeutung von Zärtlichkeit und Körperlichkeit. Während im Theater die Zuschauerperspektive immer dieselbe ist, akzentuieren im Film Einstellungswechsel Momente. Sinnlichkeit entwickelt diese Tragikomödie, die trotz des Themas nie schlüpfrig wird, sondern durch ihre sichere Balance zwischen Witz und Ernst berührt, so in den Nahaufnahmen der Berührungen, während eine Kamerarückwärtsfahrt, die Nancy im Raum isoliert, eindrücklich ihre Einsamkeit vermittelt.
LeinwandLounge in der Remise Bludenz: Mi 22.3., 19 Uhr

Don´t Worry, Darling: Mit viel Liebe zum Detail und prächtiger Ausstattung beschwört Regisseurin Olivia Wilde von der ersten Einstellung an eine geradezu paradiesische Vorstadtwelt der 1950er Jahre: Partys werden gefeiert, Cocktails am Pool getrunken, makellos sind Häuser und Gärten. 
Alles scheint in dieser Victory genannten Community, die vom scheinbar visionären und charismatischen CEO Frank (Chris Pine) gegründet wurde, eitel Wonne. Ein ideales glückliches Paar scheinen in dieser Welt auch Alice (Florence Pugh) und Jack (Harry Styles) zu sein. Doch langsam stellen sich bei Alice Irritationen ein. Verstörend leer sind so die Eier, die sie aufschlägt, und nachts brechen in Alpträumen kurze schwarzweiße Bilder von Tänzerinnen auf sie herein. Genauer beginnt sie hinzublicken, hinterfragt, wieso das Verlassen der von einer Wüste umgebenen Siedlung strikt verboten ist und wieso eine Nachbarin, die Kritik an dieser Welt übt, bald große Probleme bekommt.
Etwas zu viel Zeit lässt sich Wilde vielleicht für die Beschwörung der 1950er-Jahre-Welt und die Steigerung der Irritationen, bis die düsteren Hintergründe aufgedeckt werden. Doch mit seinen Schauwerten und dem Rätsel, das um die Hintergründe dieser heilen Welt aufgebaut wird, hält Wilde ihren Film, der im Kern die Frage stellt, ob ein sorgenfreies Paradies oder Selbstbestimmung wichtiger ist, locker über zwei Stunden am Laufen. Denn mit der Fokussierung auf dem Geheimnis und dessen langsamer Klärung funktioniert „Don´t Worry, Darling" auch wie ein klassischer Whodunit: Kennt man die Lösung der Geschichte allerdings einmal, bleibt abgesehen von der visuellen Oberfläche und dem feministischen Akzent nur wenig übrig.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi 22.3., 20 Uhr


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