Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Thorsten Bayer · 19. Mai 2012 ·

„Tarata-Ting, Tarata-Tong“: Die Geschwister Pfister begeisterten das Freudenhaus mit einer herrlich durchgeknallten Revue

Vor ausverkauftem Haus zeigen Tobias Bonn und Christoph Marti, besser bekannt als Toni und Ursli Pfister, eine perfekte Show. In ihrem Programm „Servus Peter – Oh là là Mireille“ schlüpfen sie nicht nur in die Rollen der Protagonisten Peter Alexander und Mireille Mathieu. Das Publikum begleitet die beiden Berliner auf ihrer Reise in die 60er- und 70er-Jahre sehr gern, schwelgt in Erinnerungen und singt begeistert mit; ob „Akropolis Adieu“ oder „Das kleine Beisl“. Begleitet und geleitet werden sie dabei vom fulminanten Jo Roloff Trio.

Es dauert keine vier Takte, dann hat Tobias Bonn alias Peter Alexander die Zuschauer schon für sich gewonnen. Als lässiger Conférencier in schwarzem Anzug und weißem Hemd lässt er seiner Ankündigung, es gehe nun ins Land der Operettenmelodien, Taten folgen – besser gesagt: ein Lied. „Es liegt was in der Luft“. In der Tat: Ein wunderbarer Abend kündigt sich schon hier, in der „Wiener Stadthalle“, wie er das Publikum „im Saal und zuhause an den Fernsehschirmen“ begrüßt, an. Nach einem weiteren Song ist es Zeit, seinen Partner – auf der Bühne wie privat – dazuzuholen, „ein entzückendes Geschenk aus Frankreich“. Auftritt Christoph Marti in der Rolle von Mireille Mathieu, des „Spatzen von Avignon“.

Liebevolle Revue

Was folgt, ist eine Show, die für ungläubiges Staunen sorgt, so nah sind die beiden in Gestik und Mimik an ihren Vorbildern – vor allem aber für ausgelassene Stimmung. Ob „Blue Bayou“, „Das kleine Beisl in unserer Straße“ oder „Ganz Paris ist ein Theater“ erklingt: Im bis auf den letzten Platz ausverkauften Freudenhaus zeigt man sich text- und intonationssicher.
Die Kunst der Geschwister Pfister besteht auch darin, dass sie die Zuschauer zwar großartig amüsieren und zum Lachen bringen, dies aber niemals auf Kosten der Parodierten tun, sie nicht vorführen. Im Gegenteil: Sie präsentieren eine sehr liebevolle Revue und pflegen – trotz teilweise brüllend komischer Szenen – einen sehr respektvollen Umgang mit ihren Figuren. Zugegeben: Einige Lieder sind schon im Original so herrlich neben der Spur, dass auch die beste Persiflage kaum noch einen draufsetzen könnte – wie beispielsweise bei Mathieus „Tarata-Ting, Tarata-Tong“ aus dem Jahr 1969: „Die schönen Stunden gehen viel zu schnell vorbei / Tarata-Ting, Tarata-Tong / Und darum singe ich meinen Song / Solange die Liebe noch so jung ist und so neu.“

Auftritte als Heintje und Roy Black

Im Laufe des Abends treten weitere Stars aus dieser Epoche auf – allesamt Höhepunkte der zweistündigen Show: die Szenen mit Kinderstar Heintje („ein richtiger Lauser“, wie ihn der Showmaster im zeittypischen Duktus vorstellt) im sehr knapp sitzenden kreischroten Pullover und der unvergleichlich schmalzige Auftritt von Roy Black, die beide von Marti dargestellt werden. Er hat, was den Wechsel der Kostüme angeht, den stressigeren Part der beiden, tritt er doch auch als Mireille Mathieu ständig in anderen – aber stets ähnlich schrillen – Kostümen auf. Umso bewundernswerter ist da die Lässigkeit, mit der die Geschwister Pfister zu Werke gehen. Zumal sie auch unter ständiger Beobachtung stehen: Das Bühnenbild erlaubt durch eine Vorhang-Attrappe einen Blick in die Garderobe der beiden, wo sie schon lange vor dem Beginn der Show in Seelenruhe beim Schminken zu beobachten waren.

„Nichts ist erfüllender als leere Unterhaltung“

Bis auf einen kurzen Auftritt als Anneliese Rothenberger kann sich Tobias Bonn ganz auf seine Rolle als Peter Alexander konzentrieren, was ihm in beeindruckender Weise gelingt. Er verkörpert den im Vorjahr verstorbenen Allround-Künstler, der im bundesdeutschen Fernsehen als der Wiener schlechthin galt, bis in die großzügigen toupierten Haarspitzen. Treffend sind Augenzwinkern und der im Scherz erhobene Zeigefinger, dazu der immer etwas bieder wirkende Humor. Den größten Spaß scheint zuweilen „Kapellmeister“ Johannes Roloff zu haben, der von seinem Klavier aus seine Band (Jürgen „Speedy“ Schäfer am Kontrabass und Schlagzeuger Immo Hofmann) dirigiert und die musikalischen Akzente präzise setzt.

Der Kritiker der Neuen Zürcher Zeitung hat die Faszination dieser extravaganten Show treffend auf den Punkt gebracht „Die Geschwister Pfister machen uns reich an Überzeugung, dass nichts erfüllender sei als leere Unterhaltung. Nichts wahrer als das falsche Gefühl, wenn mit Inbrunst vorgetragen, die von innen kommt, von ganz unten, wo am Grund des Gefühls-Sees die lustvollste Libido lagert: die Liebe zu sich selbst. Lange nicht war Entertainment so schwerelos und Mundraub so schön.“ Am heutigen Samstagabend kann man sich ein weiteres Mal beim Seelax-Festival in Bregenz davon überzeugen.