Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Fritz Jurmann · 03. Feb 2018 · Musik

Bejubelte „Don Pasquale“-Premiere am Kornmarkt - Praller Opernspaß mit tollen Stimmen

Die „Silberne“ mit 25 Jahren ist bereits vorbei. Eine Ehe also, die auch nach ihrer 29. Auflage so rasch nicht in Brüche gehen wird. Die jährliche Opern-Koproduktion zwischen unserem Landestheater und dem Symphonieorchester Vorarlberg ist im Gegenteil längst zum Publikumsrenner geworden und zum beliebten gesellschaftlichen Event: einmal auch außerhalb der Festspiele „Oper schauen“. Nicht anders war das auch heuer am Freitagabend im restlos ausverkauften Haus am Kornmarkt, das nach zweieinhalb Stunden mit Gaetano Donizettis gelungenem Opernspaß „Don Pasquale“ gut gelaunt die Protagonisten vor, auf und hinter der Bühne feierte.

Ein Feuerwerk an Regieeinfällen

Die Oper beginnt damit, dass Don Pasquale mittels einer Funk-Fernbedienung den „Eisernen“ hochfahren lässt. Dasselbe Gerät nutzt im Finale auch die quicke Norina, um dort „ihre“ drei Männer kurz zu paralysieren und mit dem Schlussakkord das Licht auszuschalten. Einfälle wie diese ziehen sich oft im Minutentakt durch die temporeich angelegte Handlung, kommentieren, ironisieren und zeigen die Handschrift des jungen österreichischen Regisseur Michael Schachermaier, der seinen Spielwitz in immer neuen Fassetten auf die in unsere Gegenwart versetzte Handlung überträgt und mit dieser Arbeit hier ein glänzendes Debüt abliefert.

Da sitzt jede Pointe, jede Geste, jeder Blick, doch nie läuft etwas aus dem Ruder. Der pralle Spaß bleibt stets geschmackvoll und driftet vor allem nie ins Lächerliche ab, was naheliegend, aber fatal wäre. Und das Finale erhält auch wirklich die vom Libretto beabsichtigte tragikomische Note, wenn der zuvor so überhebliche alte Geizkragen Don Pasquale, der sich seinen zweiten Frühling erkaufen will, als von seiner Braut gedemütigter Schmerzensmann in Jägermontur eine berührende Charakterstudie abliefert.

Ideale Verbindung von Regie und Dirigat

Was diese Produktion aber weit über das Alltägliche hinaushebt, ist vor allem die enge Verschränkung der gekonnten Inszenierung mit Donizettis extrem hohen musikalischen Anforderungen an Solisten und Orchester, die beim ebenfalls in Bregenz debütierenden jungen deutschen Dirigenten Karsten Januschke in den besten Händen liegen. Er ordnet mit geradezu sprichwörtlicher deutscher Gründlichkeit und Genauigkeit, aber auch mit dem nötigen Freiraum die musikalischen Abläufe dieses Buffo-Meisterwerkes, lässt es mit ordentlich flotten, aber nie überzogenen Tempi in allen Farben glitzern und glänzen und bereitet den Sängern mit den höchst motivierten Musikern des Symphonieorchesters Vorarlberg auch einen wunderbaren Klangteppich für die Entfaltung ihrer schmachtenden Arien und blitzenden Koloraturen. Auch die Balance zwischen Bühne und Orchester gelingt über weite Strecken, was bei der vertrackten Akustik am Kornmarkt nicht selbstverständlich ist.

So einfach geht das, wenn sich Zwei so wie bei dieser Opernproduktion gefunden haben, einander geradezu ideal ergänzen, wie man das in dieser Intensität in den vergangenen Jahren hier selten erleben konnte. Da will sich keiner in den Vordergrund drängen und dem anderen die Butter vom Brot wegstehlen.

Das Bühnenbild birgt Überraschungen

Eine ganz wichtige Voraussetzung für das Funktionieren dieser Abläufe bildet freilich auch der äußere Rahmen mit einem zunächst sehr dominant wirkenden Bühnenbild von Friedrich Eggert, der auch für die Kostüme verantwortlich ist. Es unterstreicht mit wuchtigen Aktenschränken und Tresoren die durchaus heutige Finanzwelt Don Pasquales als erfolgreichem Geschäftsmann, der auch eine Armada von diensteifrig herumschwänzelndem Personal beschäftigt. Der Bregenzer Festspielchor liefert dazu in einer der umwerfendsten Chorszenen der gesamten Buffo-Literatur im dritten Akt ein köstliches und musikalisch tadelloses Bühnenschmankerl ab. Sein Leiter Benjamin Lack hat auch hier wieder einmal ganze Arbeit geleistet.

Diese scheinbar so klotzige und protzige Bühneneinrichtung entfaltet jedoch sehr bald spannende Möglichkeiten, wenn sich im Tresor ein Badezimmer für Don Pasquale mit einer antiken Badewanne samt Füßchen verbirgt, wenn die Aktenschränke zur Kletterpartie für die Sänger werden und der Notar (Wojciech Latocha) bei der Trauung urplötzlich zum Gaudium der Zuseher aus einer der Schubladen hervorlugt. Zum Gag des Abends aber wird, dass sich – o Wunder! – diese Riesenbühne plötzlich um die eigene Achse zu drehen beginnt, obwohl es am Kornmarkt noch nie eine Drehbühne gab. Das ist, neben perfekter Bühnentechnik, im Hintergrund und völlig unsichtbar der Muskelkraft starker Männer zu danken, die damit dem Zuschauer oft in Sekundenschnelle immer wieder neue Perspektiven eröffnen und sehr zum flotten Ablauf des Abends beitragen.      

Erstklassiges Ensemble

Das SOV fühlt sich unter Karsten Januschke hörbar wohl, liefert gleich mit der heiklen Ouvertüre eine respektable Visitenkarte ab und zeigt in schlanker, flexibler Besetzung, was es auch an eleganter Italianità draufhat. Und die Besetzung, aus aller Welt in Bregenz versammelt, ist ein erstklassiges Ensemble von routinierten Sänger-Schauspielern, die mit spürbarer Lust ihrer Bewegungsfreude in oft turbulenter Atemlosigkeit freien Lauf lassen und durchwegs auch musikalisch begeistern. Sie machen vom ersten Moment an deutlich, dass es sich bei dem 1843 in Paris aus der Taufe gehobenen Werk (natürlich in italienischer Originalsprache mit deutschen Übertiteln) sozusagen um den Prototyp einer italienischen Belcanto-Oper nach der uralten Commedia dell‘Arte handelt, deren Anforderungen an stimmliche Brillanz in leichtgängigen Koloraturen, Trillern und Verzierungen nicht von schlechten Eltern sind.

Der bayerische Bass Raphael Sigling ist ein Vollblut-Schauspieler und -Sänger mit einer Bühnenpräsenz wie aus dem Bilderbuch. Auch wenn seine Stimme in der Tiefe etwas blass bleibt, ist er wie geschaffen für diese Rolle, deren ganze emotionale Bandbreite zwischen himmlischem Verliebtsein und höllischem Ehejoch er imponierend auszuschöpfen weiß. Eine langbeinige Augenweide ist die temperamentvolle australische Sopranistin Alexandra Flood. Als attraktive Bühnenerscheinung stellt sie eine Norina auf die Bühne, die auch jedem großen Haus Ehre einlegen würde. Ihre Wandlungsfähigkeit vom kapriziösen It-Girl über die „Unschuld vom Lande“ als Nonne bis zum prunksüchtigen Hausdrachen korrespondiert mit ihren stimmlichen Höhenflügen, die sie gleich in der Auftrittsarie „So anch’io la virtù magica“ mühelos das zweigestrichene f erklimmen lassen.

Als aalglatter, zwielichtiger Ränkeschmied Dottor Malatesta gibt sich der smarte Amerikaner John Brancy, der auch mit seinem kernigen Bariton voll überzeugt. Der Ungar Tamás Tarjányi als Liebhaber Ernesto geht mit seinem etwas schmalbrüstigen Tenor, der in Richtung Countertenor tendiert, zwar in den Quartetten fast unter. Andererseits entfaltet er mit seiner wunderbar lyrischen Stimme die ideale Stilistik für den Belcanto in der schmachtenden Serenade im dritten Akt und dem darauffolgenden Liebesduett mit Norina, „Tornami a dir che m‘ami“, das mit Hitparadencharakter längst ein Eigenleben abseits der Oper entwickelt hat.  

Dauer: zweieinhalb Stunden inklusive Pause

Weitere Aufführungen:
Di, 6.2., Di, 13.2., Do, 15.2., Sa, 17.2., Mo, 19.2., Mi, 21.2. Fr, 23.2., Di, 27.2. – jeweils 19.30 Uhr
So, 4.2. und So, 25.2., jeweils 16.00 Uhr
Theater am Kornmarkt