Blick auf die Wurzeln und in die Zukunft im Einklang
Jubel für Windwerk bei der 100-Jahre-Jubiläums-Geburtstagsfeier
Mit einem großen Festkonzert des symphonischen Blasorchesters Windwerk unter der Leitung von Thomas Ludescher fanden die Feierlichkeiten zum 100. Jubiläum des Vorarlberger Blasmusikverbandes (VBV) ihren Höhepunkt. Dessen Leitgedanken: „Ein Auge auf die Wurzeln und den Blick in die Zukunft richten“, verkörperte die Werkauswahl ideal. Vier Uraufführungen von Tobias Psaier, Martin Schorn, Martin Rainer und Thomas Ludescher waren zu erleben und zusätzlich der Marsch „Mein Vorarlberg“ von Christian Schiestl sowie außerdem wirkmächtige Kompositionen für Blasorchester von James Barnes, Nigel Hess und Stephen Melillo. Sämtliche Werkdeutungen erklangen auf einem bewundernswert hohen musikalischen Niveau. Acht Musikbeiträge, eine Vorstellungsrunde, Dankesworte und Moderationen machten die Matinee zu einem gut gemeinten Fest, allerdings mit gehöriger Überlänge.
Zum gemeinsamen Musizieren lud das symphonische Blasorchester Windwerk via Ausschreibung Studierende und engagierte junge Blasmusikant:innen des Landes ein. So konnten 16 junge Erwachsene im groß besetzten Blasorchester mitwirken und Erfahrungen mit außergewöhnlicher Literatur auf hohem spieltechnischem Niveau und im gesellschaftlichen Miteinander sammeln, wie der Saxofonist Magnus Bramberger im Gespräch mit Martina Ess humorvoll erzählte.
Es war ein starkes Zeichen, dass beim Festkonzert sogleich im ersten Programmteil drei Auftragskompositionen präsentiert wurden. Das Organisationsteam rund um den Landeskapellmeister Reinhard Fetz, seinem Vize Wolfgang Bilgeri, dem scheidenden VBV-Obmann Wolfram Baldauf und anderen hat mit den beauftragten Komponisten eine gute Auswahl getroffen.
Drei neue Kompositionen
Martin Schorn lebt in Vorarlberg und bildet sich als Komponist bei Thomas Ludescher weiter. Von ihm wurde das Werk „Illphonie“ präsentiert, in dem er sich mit der Kraft des Wassers als Lebensader der Zivilisation und der Wasserkraft als Energiequelle beschäftigte. Mit Regenrohr, Naturklängen und alpinen Sounds wurde am Beginn eine Atmosphäre geschaffen, danach entwickelte sich das bogenförmig angelegte, dreisätzige Werk gut und aussagekräftig. Die Schlusspassage verströmte eine fröhliche Zuversicht.
Einen Kompositionsauftrag erhielt auch der Südtiroler Komponist Tobias Psaier. Er zeichnete in seiner episodenhaft angelegten Komposition mit dem passenden Titel „Perspektiven“ musikalische Landschafts- und Stimmungsbilder. Gut kamen die Klangregister und deren Farben zur Geltung und effektvoll endete das Werk mit viel Perkussion und wirkmächtigen Klangsteigerungen.
Am meisten überzeugte das „Divertimento“ für Blasorchester von Martin Rainer. Er mutete den Musiker:innen im Hinblick auf die Spieltechnik einiges zu. Ungewöhnliche Klangbilder, flächige Texturen, herausfordernde rhythmische Schichtungen, virtuose Soli und ein feinsinniger Humor zeichneten die Musik aus. Altes und Neues, Licht und Schatten wurden dabei mit einem Augenzwinkern in eine vielgestaltige musikalische Form gegossen. Sogleich waren die Musiker:innen mitten drin im Geschehen, vor allem in den eher ruhigen Passagen entfalteten sich die spezifischen Klangfarben, die eine symphonische Blasorchesterbesetzung auszeichnet. Die virtuosen Soli stellten die Musiker:innen hervorragend in den Raum und verliehen damit dem musikalischen Fluss eine mitreißende Schubkraft. Zudem kristallisierte das Orchester den Schalk im Nacken des Komponisten exzellent heraus.
Alternativen bieten
Dass sich die Vorarlberger Blasmusikant:innen in ihrem Wirken und über die Aufführung tradierter Stücke Gedanken machen, wurde mit der Aufführung des Marsches „Mein Vorarlberg“ von Christian Schiestl deutlich. Er erzählte die unter Blasmusikant:innen bekannte Geschichte, dass zeitweilig in Vorarlberg der Marsch „Dem Land Tirol die Treue“ viel zu oft gespielt werde. Ebendarum komponierte er eine Vorarlberger Alternative nach einem Text von Hansjörg Marte. Mit den visuellen Impressionen von Alexander Kaiser wurde dem Heimatbewusstsein des Vorarlberger Blasmusikwesens gebührend Raum gegeben.
Viele Töne, lange Werke
Ein langer musikalischer Block mit virtuosen Werken der symphonischen Blasorchesterliteratur brachte in der zweiten Konzerthälfte die meisterhafte Spielart von Windwerk unter der Leitung von Thomas Ludescher zum Ausdruck. Die Musiker:innen mit Christian Schiestl am Konzertmeisterpult und Reinhard Fetz am zweiten Pult gaben alles und zelebrierten ihre Leidenschaft für die symphonische Blasmusik. Souverän gelang es, die charakteristischen Qualitäten der symphonischen Blasmusik aufzuzeigen. Schöne Kantilenen, ausgefallene Klangkombinationen, virtuose solistische Passagen, wirkungsvollen Steigerungen und Kulminationen mit einer breiten Palette an Stabspielen, Trommeln und perkussiven Gerätschaften sowie eine große musikstilistische Vielfalt auf engem Raum ließen die Zuhörenden in der „Symphonic Overture“ von James Barnes in die Klangmassen eintauchen. Diese wurden in Nigel Hess‘ „East Coast Pictures“ teilweise noch gesteigert. Doch hier zeigten sich auch erste Ermüdungserscheinungen im Orchester. Alle Kräfte wurden in „Time to Take Back the Knights“ von Stephen Melillo nochmals aufgeboten.
Ehrenamt, Musikschulen und Zusammenhalt
Sympathisch führte Martina Ess durch das Programm. Wolfram Baldauf blickte auf seine 22-jährige Tätigkeit als Obmann des VBV zurück, verwies auf die Errungenschaften seines Vorgängers Walter Fehle, erinnerte an die vielfältigen Veranstaltungen im Laufe des Jubiläumsjahres und dankte seinem Team für die erfüllte Zeit. Außerdem stellte er seinen Nachfolger als Obmann des Vorarlberger Blasmusikverbandes, Thomas Rudigier, vor. Dieser hat sich für die kommende Zeit vorgenommen, weiterhin das Wirgefühl in den 129 Musikvereinen des Landes zu stärken, moderne Strukturen zu schaffen und die Vernetzung auszubauen. Landestatthalterin Barbara Schöbi-Fink verwies in ihrem Statement auf wichtige Schaltstellen zwischen den Musikschulen des Landes und dem Blasmusikwesen, die das Musizieren auf hohem Niveau erst ermöglichen. Die Begeisterung der etwa 8.000 Musikant:innen in allen Gemeinden des Landes unterstrich die Geschäftsführerin des VBV Sabrina Ganahl und sie betonte den Merksatz: „Ohne Musig ka Fescht“. Als Dank überreichte Thomas Ludescher dem scheidenden VBV-Obmann die Partitur des Werkes „Die Kraft der Tradition“, das zum Abschluss erklang.