„Willkommen in den Bergen - Un mondo a parte“, zu sehen am 28.4. in der Kinothek Lustenau (Foto: Claudio Iannone / Filmwelt)
Michael Löbl · 17. Mär 2025 · Musik

Wunschloses Händel-Glück

In der Kulturbühne AMBACH Götzis erlebte das Publikum am Sonntagvormttag eine in jeder Hinsicht exemplarische Wiedergabe von Georg Friedrich Händels Oratorium „Alexander’s Feast“.

Mit Superlativen soll man ja sparsam umgehen, aber für diese Aufführung von G.F. Händels Oratorium ist das Attribut „Sternstunde“ sicher nicht zu hoch gegriffen. In der wunderbaren Akustik der fast ausverkauften Kulturbühne AMBACH beschenkten Dirigent, Chor, Orchester und Solist:innen die Besucher:innen mit eineinhalb Stunden purem Händel-Glück.

Es war eine Aufführung, die mit Sicherheit auch in Wien, München oder sogar in London großen Erfolg gehabt hätte. Die Chorakademie Vorarlberg, das Barockorchester Concerto Stella Matutina und drei hervorragende Gesangssolisten unter der Leitung von Markus Landerer gestalteten Händels Musik ausdrucksvoll, abwechslungsreich, dabei teilweise absolut virtuos und sorgten für ein kurzweiliges Konzerterlebnis am Sonntagvormittag.  

Ein Herzensprojekt

Die Chorakademie Vorarlberg entstand 2007, als Markus Landerer seine zahlreichen Aktivitäten in Vorarlberg beendete um dem Ruf nach Wien als Domkapellmeister von St. Stephan zu folgen. Mehrere Sänger:innen wollten sich damit nicht abfinden und gründeten einen neuen Chor, mit dem Ziel, Markus Landerer wenigstens einmal jährlich für gemeinsame Konzerte an seine alte Wirkungsstätte zurückzuholen. Und das hat geklappt; seit 2008 leitet er jedes Jahr ein Projekt mit einem großen Chorwerk vom Barock bis zur Moderne. Die Proben beginnen jeweils im Herbst, sind auf mehrere Monate verteilt und werden alle von Markus Landerer geleitet. In diesem Jahr hat man sich für Georg Friedrich Händels Oratorium „Alexander’s Feast oder das Alexanderfest“ entschieden, gesungen im englischen Original. Ein Werk, das Markus Landerer besonders am Herzen liegt: „Für mich sticht das ‚Alexanderfest‘ aus dem faszinierenden Schaffen Georg Friedrich Händels mindestens genauso heraus wie der ‚Messias‘. Die Kombination von vielgestaltiger und leuchtkräftiger Musik, perfekter Einheit von Text und Tönen und bestechender Kompaktheit machen dieses Oratorium zu einem ganz besonderen Kunstwerk, das uns eindrucksvoll vor Augen führt, dass Musik Menschen tatsächlich verändern kann!“

Überzeugende Solisten

Sowohl Chor als auch Orchester waren am Sonntagvormittag in Topform, das gilt natürlich auch für die drei Solist:innen. Die Wienerin Cornelia Horak hatte am meisten zu tun und glänzte durch ihren leuchtenden, modulationsfähigen Sopran. Sie hat diese Partie bereits oft gesungen und gestaltete die unterschiedlichen Stimmungen ihrer Arien und Accompagnati mit traumwandlerischer Sicherheit. Als Tenor im Bereich der Barockmusik mit Arien, Rezitativen oder als Evangelist bei J.S. Bach hat Daniel Johannsen weltweit nicht viele Konkurrenten. Seine glasklare Aussprache, die makellose Artikulation und die kluge Textgestaltung begeisterten von Anfang bis zum Ende. In den Arien konnte er seine helle, geschmeidige und absolut höhensichere Tenorstimme strömen lassen. Der Deutsche Bass Daniel Ochoa ist ein Stammgast bei Konzerten der Chorakademie, unvergesslich bleibt sein „Elias“ in Mendelssohns gleichnamigem Oratorium im Jahr 2017. Diesmal war er fast etwas unterbeschäftigt, überzeugte aber in seinen beiden Arien durch dunkle Farben und dramatische Ausbrüche. Seit 20 Jahren ist das Concerto Stella Matutina auf der Bühne der Kulturbühne AMBACH in Götzis zu Hause, hier finden seit der Orchestergründung alle Abonnementkonzerte dieses Ensembles statt. Unter Markus Landerer entwickelte das Orchester einen feinen, silbrigen Glanz, weich und geschmeidig, dabei wunderbar flexibel im Dialog mit Chor und Solist:innen.
Markus Landerer hat zu Händels „Alexanderfest“ eine langjährige Affinität: „Es ist über 25 Jahre her, dass ich an einem Interpretationsseminar mit dem englischen Dirigenten Paul Goodwin teilnehmen konnte, das im Rahmen der Händel-Festspiele in Halle an der Saale stattfand und bei dem wir damals wirklich fast jede Note und jede Silbe des Werks umgedreht und analysiert haben. Das war mein erster Kontakt mit „Alexander’s Feast“. Seither liebe ich diese Komposition und bin immer wieder aufs Neue hingerissen von der großen musikalischen Bandbreite: Fast jeder Satz ist eine herausragende Besonderheit.“ Als Dirigent kennt er jeden einzelnen Ton, jede Wendung und jede Nuance. Orchester und Chor reagieren auf seine suggestive Zeichengebung, wirken dabei aber völlig frei und gelöst.

Überraschende Klangeffekte

Das „Alexanderfest“ gehört gemeinsam mit dem „Messias“ und „Acis und Galathea“ zu den drei am häufigsten aufgeführten Oratorien Händels. Der Komponist, der den Großteil seines Lebens in London verbrachte, war ausgesprochen fleißig und hinterließ neben Konzerten und Kammermusik die unglaubliche Anzahl von 42 Opern und 25 Oratorien. Der Text des „Alexanderfestes“ beschreibt eine Siegesfeier, die der mazedonische König Alexander der Große zum Abschluss seines Feldzuges gegen die Perser für seine Getreuen ausrichtet. Der Sänger Timotheus versteht es geschickt, alle Anwesenden innerhalb von knapp eineinhalb Stunden von der Kriegsverherrlichung zum Lobpreis für die heilige Cäcilia, die Schutzherrin der Musik und der Künste, umzuleiten. Händel überrascht durch zahlreiche klangliche Effekte und instrumentale Besonderheiten. Zum Beispiel das Arioso „Softly sweet”, in dem er dem Sopran zwei Celli als musikalische Partner zur Seite stellt, die geisterhafte Stimmung, die die beiden Fagotte im Mittelteil der Bassarie „Revenge“ erzeugen oder die Violinumspielungen der Sopranarie „The Prince unable“, die bereits weit in die kompositorische Zukunft der Klassik weisen. 
Ein Sonderlob gebührt den Instrumentalsolist:innen, die durchgehend gefordert waren und für die nötige instrumentale Würze sorgten. Hervorzuheben sind Johannes Hämmerle am Cembalo und an der Orgel, die beiden Cellist:innen Thomas Platzgummer und Magdalena Reisser, Thor-Harald Johnsen an der Theorbe, Elisabeth Baumer und Alesia Linder (Oboe und Blockflöte), Barbara Meditz und Makiko Kurabayashi (Fagott) sowie Bernhard Lampert und Herbert Walser-Breuss, die an Trompeten und Hörnern brillierten.
Das Konzert in Götzis am Sonntagvormittag war die zweite Aufführung, am Abend zuvor war Händels „Alexanderfest“ im Feldkircher Dom zu hören. Umso beeindruckender war daher die durchgängig perfekt gestaltete Klangbalance zwischen Vokal und Instrumental in einer gänzlich anderen Akustik. Im kommenden Jahr steht etwas völlig anderes auf dem Programm der Chorakademie: Der symphonische Psalm „Le Roi David“ des Schweizer Komponisten Arthur Honegger.

www.chorakademievorarlberg.at
www.stellamatutina.at