Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Peter Füssl · 26. Apr 2024 · Musik

Wolfgang Muthspiel Chamber Trio – Triologe der Extraklasse

Wolfgang Muthspiel, Colin Vallon und Mario Rom begeisterten am Dornbirner Spielboden

Nach längerer Pause war Österreichs Parade-Jazzgitarrist Wolfgang Muthspiel endlich wieder einmal am Dornbirner Spielboden zu Gast, wo er vor Jahren als äußerst beliebter „Stammgast“ alle seine wichtigen Projekte präsentierte. Sein Chamber Trio mit dem Schweizer Pianisten Colin Vallon und dem Wiener Trompeter Mario Rom klingt nicht nur von der Papierform her ausgesprochen hochkarätig, sondern überzeugt auch auf der Bühne mit exzellenten Live-Qualitäten. Nach 90 erlebnisreichen Konzertminuten erklatschte das begeisterte Publikum noch eine Zugabe, und auf die Frage des Bandleaders „Wollt Ihr etwas Langsames oder etwas Schnelles?“ kam die spontane Antwort: „Beides!“.

Trio der Trio-Spezialisten

Dass die vielen Triologe der Extraklasse ebenso begeisterten, wie die virtuosen Soli aller Beteiligten, ist wenig verwunderlich, haben wir es hier doch mit ausgesprochenen Trio-Spezialisten zu tun. Der aus der Steiermark stammende und in Wien lebende Trompeter erfreut sich bei den Jazz-Fans mit Mario Rom’s Interzone mit Lukas Kranzelbinder am Kontrabass und Herbert Pirker an den Drums höchster Beliebtheit. Colin Vallon veröffentlichte mit Kontrabassist Patrice Moret und Drummer Julian Sartorius (bzw. Samuel Rohrer) vier exquisite Trio-Alben, die letzten beiden beim renommierten Münchner Label ECM. Dort ist seit zehn Jahren auch Wolfgang Muthspiel beheimatet, wo er unter anderem mit den Trio-Alben „Driftwood“, „Angular Blues“ und „Dance of The Elders“ mit Larry Grenadier bzw. Scott Colley am Bass und Brian Blade an den Drums großes Aufsehen erregte. Die drei Chamber Trio-Akteure hätten auf Anhieb „ihre gemeinsame kammermusikalische Zone entdeckt“, zeigte sich Muthspiel begeistert, und auch vom Organisatorischen und von den Entfernungen her sei es bedeutend einfacher als mit amerikanischen Partnern, unterrichtet er selber doch an der Musikhochschule Basel, Vallon an der Hochschule der Künste in Bern und Rom an der Bruckner Privatuniversität in Linz.  

Von „Vevey“ über „Atlas“ bis zu „Guacho Schubert“

Die ersten drei Stücke spielte Muthspiel, von dem alle Kompositionen stammten, auf der akustischen Gitarre. „Vevey“, nach der Westschweizer Stadt und gleichzeitig dem Geburtsort dieses Trios benannt, führte das Publikum mit ruhigen, fließenden, kunstvoll ineinander verzahnten Tönen auf Gitarre und Piano in die Konzertatmosphäre hinein, Rom gesellte sich erst spät mit einem verhallten und mit hörbarem Atemstrom geblasenen Solo dazu. Muthspiels langes Solo-Intro zum zweiten Stück „Atlas“ klang irgendwie klassisch-spanisch, anschließend trieb er das musikalische Geschehen mit rhythmischem Klopfen auf den Gitarrenkorpus an und lieferte Vallon die Basis für ein ausgedehntes Solo. Der übernahm daraufhin die Rhythmusarbeit, indem er die angeschlagenen Saiten mit der Hand abdämpfte und so einen Rhythmusteppich erzeugte, über den Rom ein kraftvolles Solo legte. Im temperamentvollen „Guacho Schubert“ brachte der ohnehin nicht von irgendwelchen Genre-Grenzen beengte Muthspiel seine Erfahrungen mit argentinischen Musikern mit jenen mit der österreichischen Frühromantik-Ikone auf höchst unterhaltsame Weise zusammen.

Hommagen an die kleine Tochter, den verflixten Hund, an Django Bates und Lionel Loueke

Für „A Father And A Sun” (kein Schreibfehler, es heißt tatsächlich nicht „Son“, denn er hat das Stück seiner Tochter gewidmet) griff Wolfgang Muthspiel dann zur halbakustischen Jazz-Gitarre und begeisterte mit einem fast schon Fusion-artig klingenden, melodiösen Lauf – gleichermaßen zupackend wie elegant, präzise wie cool, Intellekt und Emotion auf ideale Weise verbindend. Auch Vallon und Rom fanden – wie in allen Stücken – ausreichend Platz für ausdrucksstarke Soli. „Everything Happens To That Dog“ versuche er seit dreißig Jahren in den unterschiedlichsten Besetzungen zu spielen, erzählte Muthspiel, aber es sei ein schwieriges Stück. Das Chamber Trio fühlte sich allerdings sichtlich wohl und meisterte mit großer Experimentierfreude die rhythmischen und harmonischen Raffinessen, zauberte jede Menge Geräuschhaftes aus den Instrumenten, manchmal laut, meistens witzig, sodass man sich höchstens noch begeistert fragte, ob der musikalische Hund mit dem Schwanz wedelt, oder der Schwanz mit dem Hund. Kaum weniger tricky hörte sich „For Django“ an, eine Hommage an den englischen Pianisten Django Bates, den Muthspiel für seine Zappaeske und für seine balladeske Seite liebe, wie er betonte, besonders aber auch für seine Fähigkeiten, Musik zu arrangieren. Dementsprechend abwechslungsreich geriet das permanenten Stimmungswechseln unterzogene Stück, das man auch in einer hervorragenden Quintett-Version vom 2018-er Album „Where The River Goes“ her kennt. Das letzte Stück des abwechslungsreichen Programms widmete Wolfgang Muthspiel dann dem aus Benin stammenden Gitarristen und Sänger Lionel Loueke, mit dem er für nächstes Jahr ein musikalisches Projekt geplant hat. Hier platzierte er seine flotten Läufe erstmals über einem Loop, und auch Vallon steuert dezent etwas Elektronik bei, um auf der kleinen musikalischen Expedition nach Westafrika auch die diesem Genre für gewöhnlich innewohnende Lebensfreude nicht zu kurz kommen zu lassen – manche Sequenzen wirkten durchaus auch Soundtrack-artig.

Langsames und Schnelles zum Abschied

Zu den bereits anfangs erwähnten Zugaben ließ sich das formidable Trio nicht lange bitten. „Etüde Nr. 13 1/2“ lautete der witzige Titel des flotten Rausschmeißers, der manchmal Erinnerungen an den grandiosen Paco de Lucía wach werden ließ, und „Might This Be The End?“ nannte sich schließlich das verträumte Finale. Diese Frage im Titel könne man hier und jetzt eindeutig mit „Ja“ beantworten, meinte Muthspiel grinsend, gleichzeitig hoffe er aber, dass es nicht wieder zehn Jahre dauern werde, bis er zurück an den Spielboden komme. Diesem Wunsch kann man sich nur anschließen!

Nächstes Konzert der Jazz&-Reihe am Spielboden
Do, 2.5.2024, 20.30 Uhr: Kadri Voorand Duo
www.spielboden.at