Neu in den Kinos: „The Amateur“ (Foto: 20th Century Studios)
Fritz Jurmann · 24. Mär 2025 · Musik

Wir werden sie vermissen!

Das Vokalensemble Ottava Rima verabschiedete sich nach 20 Jahren mit einem fulminanten „Best Of“.

Ohne besonderen äußeren Anlass, einfach so, verkündete das achtköpfige heimische Vokalensemble Ottava Rima nun nach zwei überaus erfolgreichen Jahrzehnten in der Musikszene des Landes seinen Abschied und zog am Wochenende ein letztes Mal luxuriös sämtliche Register seines umfassenden Könnens. Es sei einfach Zeit für diesen Schritt gewesen, so Oliver Moldaschl, Organisator des in allen Stimmen streng gleichberechtigten Ensembles.

Ottava Rima hinterlässt damit eine spürbare Lücke in der reich bestückten Chorlandschaft Vorarlbergs. Denn diese Truppe war als eines der profiliertesten Vokalensembles des Landes auf die Kunst des A-Cappella-Gesanges spezialisiert, also des unbegleiteten mehrstimmigen Singens, besaß damit ein herausforderndes Alleinstellungsmerkmal und war in der Region praktisch konkurrenzlos.

In 64 Konzerten präsent

In nicht weniger als 64 Konzerten in Österreich, Deutschland, der Schweiz und Italien, in Vorarlberg bevorzugt in der Landesbibliothek und der Basilika Rankweil, hat diese Gesangstruppe innerhalb von 20 Jahren ihre Kunst gezeigt und dabei alles geboten, was sie in verschiedensten Stilrichtungen an ausgefeilten Interpretationen auf Lager hatte. Begeisterung bei Freunden und Fans, hochrangige Auszeichnungen u. a. der Internationalen Bodenseekonferenz und bei „Austria Cantat“ in Salzburg waren ihre ständigen Begleiter.   
Doch damit soll es nach diesen zwei bewegten Jahrzehnten nun genug sein, befanden die acht Sängerinnen und Sänger unisono und versetzten sich für ein finales „Best Of“ ein letztes Mal in einen Zustand konzentrierter Hochstimmung. Am Samstag wurde die Pfarrkirche von Schwarzach kurzerhand zur Bühne erklärt für ein letztes Hochfahren all der herausragenden Qualitäten, die man an Ottava Rima stets bewundert und gerühmt hat.

Ein kompaktes Doppelquartett

Als Doppelquartett mit je vier Damen und Herren wurde das Ensemble 2005 gegründet und blieb auch bis zum Schluss in dieser Formation, mit ganz wenigen Wechseln im Personal. Und so setzt sich auch die Abschieds-Besetzung aus vorwiegend bekannten Namen zusammen: im Sopran Elvira Flora und Michaela Steger, im Alt Ursula Gantner-Moldaschl und Heike Bösch, im Tenor Oliver Moldaschl und Herbert Motter, im Bass Uwe Grabher und Sigurd Flora. Schon in ihrer Grundaufstellung weichen sie dabei ab von der im Chorgesang üblichen Anordnung „die Damen links, die Herren rechts“ und mischen sich recht bunt in den Stimmen, je nach Anforderung in den einzelnen Arrangements. 
Markenzeichen von Ottava Rima aber war stets ihr wunderbar geschlossener, dabei kontrastreicher und transparenter Vokalsound, an dessen Homogenität und Klangkultur es nie etwas zu deuteln gab. Die acht Sänger:innen fühlten sich dabei der Tradition ihres Namens verpflichtet, der eigentlich eine altitalienische Versform bedeutet, zugleich aber auch den Begriff Oktave und die Zahl Acht enthält. Einen Dirigenten hat es dazu nie gebraucht, der hätte wohl eher gestört. Es hat von Anfang an genügt, wenn früher Oliver Moldaschl, heute Uwe Grabher in der künstlerischen Verantwortung mit unscheinbaren Handbewegungen den Einsatz gegeben und den Schlussakkord abgewunken hat. That’s it!

Tatsächlich Amateure?

Und alle acht bezeichnen sich bis heute neben ihren Berufen nach wie vor als Gesangs-Amateure, auch wenn solche wie die gezeigten Qualitäten freilich weder gottgegeben sind, noch auf den Bäumen wachsen. Da waren für die Perfektionierung ihres ausgeprägten Chorklangs, der fantastischen Intonationssicherheit und der stilistischen Sauberkeit in all den Jahren auch die Unterstützung durch erfahrene Fachleute des Landes wie Oskar Egle, Guntram Simma und Paul Burtscher hilfreich. Dazu war ein gerütteltes Maß an Talent, Probewillen und Einsatz jedes Einzelnen maßgeblich für solch atemberaubende vokale Tugenden, wie sie nun in Schwarzach ein letztes Mal erneut wie am Schnürchen abrollten.
Das wie immer klug disponierte Programm hatten diesmal die Ensemble-Mitglieder gemeinsam aus ihren Lieblingsstücken zusammengestellt, eine Art „Wunschkonzert für Ottavas“ also. Da gab es quer durch den Gemüsegarten alles, was irgendwie einmal gut und teuer für das Ensemble gewesen war, von vierstimmig bis zu achtstimmig, vom Arcadelt-Madrigal aus dem 16. Jahrhundert bis zum Schlager der Zwanzigerjahre, von Franz Biebls komplexem doppelchörigen „Ave Maria“ von 1964 über Max Regers Motette „Nachtlied“ bis zu Eric Whitacres schwebendem „Sleep“ im Stil international gängiger aktueller Chormusik mit ihren Reibungen und Schwebungen in den Intervallen.

Instrumentaler Kontrapunkt

Nicht verborgen bleibt dem/der aufmerksamen Zuhörer:in freilich, dass die meisten dieser Stücke einen eher verhaltenen, melancholischen, jedenfalls nachdenklichen Charakter besitzen – kein Wunder bei einem „Best Of“ zum Abschied. Da ist der instrumentale Kontrapunkt willkommen, den man sich zur Überbrückung und zur sparsamen Begleitung erstmals ausgewählt hat, damit die Stimmung nicht kippt.
Es waren zwei junge Studenten von der Stella Privathochschule Feldkirch, der Cellist Emilian Gallez und der Schlagwerker Linus Weber. Die beiden verständigen sich zunächst in zwei feinsinnigen zeitgenössischen Duetten von Andrew Beall auf Violoncello und Marimbaphon und finden dann mit dem berühmten „Libertango“ von Astor Piazolla zu einem virtuos berauschenden und vom Publikum bejubelten Höhepunkt voll jugendlichem Temperament.   

Das Beste – auch in der Moderation

„Best Of“ – das Beste also ist für Ottava Rima stets gerade gut genug, auch beim Abschiednehmen. Dieser Level wird auch in der Präsentation aufs Schönste erfüllt durch Vorarlbergs wohl gefragteste Moderatorin Bettina Barnay-Walser, die ihre Überleitungen ganz ohne falsche Sentimentalität, aber in ehrlicher Betroffenheit zum Anlass setzt, wie man sich das persönlicher nicht vorstellen kann. Eingebettet ist das alles in kleine Hilfsbrücken, literarische Verweise und philosophische Gedankenflüge.
Es bildet den kostbaren Rahmen für ein Fest hoch spezieller Vokalmusik in einer glücklichen Verbindung zwischen dem Ensemble im Altarraum und seinen Zuhörer:innen im vollbesetzten Kirchenraum, die sich übrigens ein Prädikat als vorbildliches Publikum verdient haben. Da wird auch ohne Aufforderung nicht nach jedem Stück geklatscht, da vernimmt man beim gemeinsamen gebannten Zuhören auch keinen Huster. Dafür sind der Jubel und die anschließenden Standing Ovations umso spontaner.

„Schön war’s!“

Und in dieser Stimmung wird dann auch die erste Zugabe zum eigentlichen Song dieses unvergesslichen Abends, zum nunmehr endgültigen Abschied: Henry Mancinis Edelschnulze „Moon River“, vom Ensemble in traumhaft blitzsauberen Close Harmonies so zart schmelzend präsentiert, dass einem das Wasser in die Augen schießt. Auch dafür ist vorgesorgt, mit einem ins Programmblatt geklebten Papiertaschentuch, laut Moderatorin dafür gedacht, die Tränen zu trocknen, aber auch den Sänger:innen zum Abschied zu winken. Darauf steht: „Schön war’s!“ …