Neu in den Kinos: „Teaches of Peaches" Musikdoku des gebürtigen Vorarlbergers Philipp Fussenegger (Foto: Avanti Media Fiction)
Silvia Thurner · 10. Dez 2023 · Musik

Windwerk baute imposante musikalische Räume

In sich ruhende und energiegeladene Klangfülle

„Stille & Fülle“ lautete der Leitgedanke, unter dem das sinfonische Blasorchester Windwerk unter der Leitung von Thomas Ludescher in den Feldkircher Dom geladen hat. Die gotische Kubatur des Domes und die stimmungsvolle Beleuchtung boten ideale Bedingungen für die in großer Besetzung dargebotenen Kompositionen. Den Kern fast aller Werke bildeten Choräle von Johann Sebastian Bach. Die emphatischen und klangfarbenreichen Spielarten, mit denen Windwerk die Kompositionen ausdeutete, machten den besonderen Reiz des Konzertes aus.

Die Besetzung eines symphonischen Blasorchesters und die unmittelbare Tonansprache der Blasinstrumente machen besonders wuchtige Klangerlebnisse möglich. Neben Holz- und Blechblasinstrumenten zeichnet sich dieses Genre meist durch einen riesigen Perkussionapparat aus. Windwerk bot alles auf und erweiterte das Instrumentarium zusätzlich mit Harfe, Violoncello und Kontrabass, Blockflöte, Cembalo und Klavier. Das Erleben dieser üppigen Klangvielfalt, verbunden mit der exzellenten Spielweise der Orchestermusiker:innen, verbreitete im sakralen Raum eine erhebende Stimmung. Konzentriert und ruhig tauchte das Publikum in den „Klangrausch“ ein.

Bachchoräle als Inspirationsquelle

Auf die große Wirkung der Stille machte Windwerk am anderen Ende der Skala aufmerksam. Thomas Ludescher als Programmgestalter deutete das Motto „Stille & Fülle“ nicht allein musikalisch, sondern auch gesellschaftlich und mit religionsphilosophischen Überlegungen aus. So wurde den Zuhörenden viel geboten, denn das durchdachte Motto spiegelte sich sowohl in Mona Kospachs Moderationen als auch in den Kompositionen selbst wider.
Den musikalischen Kern fast aller Werke bildeten Choräle von Johann Sebastian Bach sowie eine Psalmvertonung. Von Thomas Ludescher erklang das plastisch ausgearbeitete Werk „Komm süßer Tod – Immortal Bach“, dem der gleichnamige Choral zugrunde gelegt ist. In drei räumlich aufgeteilten Gruppen schichtete er die Ausgangsmelodie und schuf mit unterschiedlichen Tempi ein feines Klanggewebe. Dieses erzeugte musikalische Nah- und Fernverhältnisse, Reibungen und stehende Klänge, aus denen immer wieder Phrasen des Ursprungschorals herauskristallisiert wurden. Auffallende Klangkombinationen ergaben sich durch die Ergänzung der Klarinetten-, Saxofon- und Posaunengruppen mit tiefen Streichern.

Symphonische Klangtürme

Vom amerikanischen Komponisten David Maslanka interpretierte Windwerk die zweisätzige Symphony „Give Us This Day“ sowie „It Is Enough“. Auch diesen beiden Werken lagen Bachzitate zugrunde. Imposant und fantasiereich entstand in „Give Us This Day“ ein mitreißendes Klangerlebnis. Langsam breitete das Orchester eine musikalisch weite Landschaft aus, für die das tiefe Blech ein starkes Fundament bildete. Besondere Aufmerksamkeit zog der harmonische Aufbau auf sich, den die Orchestermusiker:innen in aufeinander abgestimmten Schichten entwickelten. Die Gegensätze der zweiteiligen Komposition lotete Windwerk energiegeladen aus. Rhythmische Schläge trieben im zweiten Teil den musikalischen Fluss an. Imposante Klangballungen füllten den Kirchenraum und die vorwärts preschenden Ostinatofiguren kulminierten in expressiven Steigerungen. (Strawinsky ließ in diesen Passagen grüßen). 
Die klangvolle Landschaftsbeschreibung „The Catskills“ von Nigel Hess mit einem sensibel zelebrierten Trompetensolo rundete das Programm ab.

Tanz und Ruhe als Partnerinnen

„Stille & Fülle“ bedeutete beim Adventskonzert auch tänzerische Leichtigkeit. Der amerikanische Komponist Bob Margolis legte seinem ereignisreichen Werk „Terpsichore“ drei Tanzsätze des Renaissancekomponisten Michael Praetorius zugrunde. Feinsinnig eröffnete das Blasorchester das dreiteilige Werk mit der Voiceflute, entfaltete damit eine archaische Wirkung und baute eine große Erwartung auf. Erst danach modellierten die Orchestermusiker:innen die inspirierten Tanzsätze und führten sie über einen Sprung- sowie Schreittanz in eine lebhafte Bourree. Die riesige Orchesterbesetzung kam besonders in diesem Werk zur Geltung und verbreitete eine freudvolle Stimmung. 
Den Rahmen bildete einleitend die Psalmvertonung „Miserere Mei deus“ von Gregorio Allegri. Das Thema trugen drei Sänger aus den Reihen des Windwerk-Orchesters vor. Die auf der Empore postierten Trompeter setzten das Werk als Raumkomposition in Szene und nahmen dabei die Zuhörenden in ihre Mitte. David Maslankas Werk „It Is Enough“ erklang sehr passend am Ende des Konzertprogramms. Eine lange Kette an Tonrepetitionen bildete eine (tickende) Zeitachse, in die melodische Kerngedanken eingebettet erklangen. Eine bedeutende Rolle nahm das Vibrafon ein. Ätherisch mündete die Komposition in einen offenen Schluss.

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