Vorarlbergs Tor in die Welt
Hans Kohler: „Alles auf Schiene. Ein Tag am Güterbahnhof Wolfurt"
Die Bilder zeigen aufeinandergestapelte Container auf weiten asphaltierten Flächen, Container, die sich individuell beschriftet in den grauweißen Himmel erheben und Container, die nur in Ausschnitten erkennbar sind, weil sie in ihrer Fülle nicht auf das ganze Foto passen. Manche sind zum Zeitpunkt der Aufnahme in Bewegung und werden von oben mit einem Kran viele Meter über dem Boden transportiert. Andere stehen bereit für die Ware, werden von Mitarbeitern inspiziert und geprüft oder gewaschen und auch in der Werkstätte repariert, bis sie wieder als stabile Verpackung den Güterbahnhof Wolfurt verlassen.
Adressiert mit Namen von Transportunternehmen aus der ganzen Welt werden sie mit Kränen direkt auf die Gleise gehoben, wo die Güterzüge bis zu siebenhundert Meter lange Kolonnen bilden, in denen sie auf Schienen präzise zum weiteren Zielort befördert werden. Achtzigtausend dieser jährlichen Waggons sind befüllt mit Getränken.
Arbeitswelten auf 40 Hektar Gelände
Im Fotobuch „Alles auf Schiene“ geht es aber um viel mehr, als nur um Container, Zahlen, Fakten oder den räumlichen Überblick des Güterbahnhofs. Der Fotograf Hans Kohler bringt vor allem die Menschen an der Drehscheibe des internationalen Containerumschlags vor seine Leica-Kamera und dokumentiert, wie Mitarbeiter:innen in über 900 Arbeitsplätzen für den technischen Ablauf und den reibungslosen Zugverkehr zusammenarbeiten und den sieben Kilometer langen Bahnhof am Laufen halten. Mit einem genauen Blick für Details hat er aus verschiedenen Perspektiven abgelichtet, was sich tagtäglich in Wolfurt abspielt, und während zwischendurch immer wieder in Erklärungen verdeutlicht wird, welch große Bedeutung der Bahnhof für Vorarlberg als „Exportweltmeister“ erreicht hat, sind es eben doch die dort tätigen Menschen, die bei ihren vielfältigen Aufgaben in Bildern begleitet werden. Für sie soll dieser Bildband ein „Dankeschön“ sein, wie Kohler schon im Vorwort betont.
Erschienen ist der Bildband als Pilotprojekt des Verlags Edition108, den der Buchgestalter René Dalpra auch aus seiner Leidenschaft für Fotografie im Herbst 2024 gründete, weil er in Österreich keinen inhaltlich passenden Fotobuchverlag finden konnte. Ziel sei es, pro Jahr vier bis sechs Buchprojekte auf Papier zu bringen.
Auf den 192 Seiten hat Kohler die Fotos themenspezifisch nach Betriebsfeldern zusammengefasst. Die schwarzweißen Abbildungen erlauben einen authentischen Einblick in die Arbeitswelten, die sich auf dem 40 Hektar großen Gelände eröffnen. Ein Kranführer lenkt die bis zu 41 Tonnen schwere Fracht. Ein anderer lächelt aus der offenen Fahrzeugtür in die Kamera. Drei Personen beseitigen mit Besen die Graffiti-Überreste auf den ÖBB-Garnituren. Mit Funkgeräten, Helmen und Handschuhen ausgestattet werden Verschub-Mitarbeiter zwischen den Waggons beim Verkuppeln auf den Schienen fotografiert. Einer von insgesamt 73 Freiwilligen der Betriebsfeuerwehr ist mit einer Gasmaske auf dem Kopf schon bereit für den Einsatz.
Drinnen in den Büros arbeiten die Fahrdienstleiter jeweils auf acht Bildschirmen gleichzeitig, während draußen Frauen und Männer in Warnwesten unterwegs sind, prüfend auf der Ladefläche der LKWs stehen oder die Weichen auf den Schienen tauschen – falls notwendig auch nachts. Dann ist der Himmel auf den Bildern schwarz und die arbeitenden Menschen strahlen im hellen Licht der Kamera.
Die Menschen am Terminal Wolfurt
Ursprünglich habe Hans Kohler „aus Interesse an der Eisenbahn“ fotografiert. Bei den Aufnahmen hat er die Menschen bei ihrer Arbeit begleitet, die in unterschiedlichen Funktionen in die täglichen Abläufe involviert sind, um die Transporte in die ganze Welt zu bewerkstelligen. Für die breite Masse sei diese Arbeit oft „unsichtbar“, wie im Essay von Andreas Dünser am Ende des Fotobands betont wird. Darin beschreibt Dünser etwa, wie „die Diskussion über die Zukunft der Arbeit an der Realität der meisten arbeitenden Menschen vorbeigeht“ und bezieht sich dabei auf „Do-it-Jobs“, die in der medialen Debatte außen vor bleiben, wenn etwa über „Homeoffice“, „Work-Life-Balance“ oder „Künstliche Intelligenz“ geredet wird. Mit seinem Bildband möchte der Autor und Fotograf einen Einblick in das Wirken der Menschen am Güterbahnhof Wolfurt geben.
Dieser Artikel ist bereits in der Print-Ausgabe der „KULTUR" März 2025 erschienen. Hier geht es zum E-Paper.
Hans Kohler: Alles auf Schiene. Ein Tag am Güterbahnhof. Verlag Edition108, Götzis, November 2024, 192 Seiten, Hardcover, ISBN: 978-3-200-10032-9, € 49,50
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