Neu in den Kinos: "The crow" (Foto: Leonine)
Peter Füssl · 05. Sep 2024 · CD-Tipp

Veronika Morscher: „Blooming“

„One day you’ll look back and see that all along you were blooming“ („Eines Tages wirst du zurückblicken und sehen, dass du die ganze Zeit geblüht hast“) – diesen Sinnspruch fand Veronika Morscher in Form eines Graffitis auf einer Reise in Nepal – erst später erfuhr sie, dass es sich um ein Zitat der jungen, kalifornischen, christlichen Liedermacherin, Schriftstellerin und Mixed-Media-Künstlerin Morgan Harper Nichols handelt. Dieser Zufallsfund war der Ausgangspunkt für den Titelsong „Blooming“ des gleichnamigen zweiten Albums der aus Lauterach stammenden und in Köln lebenden Sängerin.

. In den neun Songs sinniert sie nicht nur simpel über Liebesfreud und -leid, sondern über Themen wie Selbstzweifel und Selbstfindung, Identität und Verunsicherung, generationenübergreifende Traumata oder über die Notwendigkeit, unser eigenes individuelles Lebensmuster, unseren Hintergrund und unsere Geschichte zu verstehen und zu akzeptieren, ehe wir versuchen können, andere zu lieben. Möglicherweise ist dieses breite Themenspektrum auch dem Umstand zu verdanken, dass Morscher nicht nur Gesang in Boston, Wien und Köln studierte, sondern in Köln und Maastricht auch noch ein Psychologiestudium absolvierte. Freilich klingen die Lyrics keineswegs akademisch, sondern durchaus poetisch, und es ist ein bisschen schade, dass sie im achtseitigen Booklet nicht abgedruckt wurden, womit der einzige kleine Kritikpunkt auch schon erledigt wäre. Denn „Blooming“ ist ein sehr schönes und stimmiges, klassisches Singer-Songwriting-Album geworden, in dem Veronika Morscher ihre gesangstechnisch bestens entfaltete, ausdrucksstarke und einnehmende Stimme voll zur Geltung bringen kann. Vergleiche mit Joni Mitchell, einer der Säulenheiligen dieses Metiers, drängen sich schon vom Stimmklang her auf, aber auch, was den eindeutigen Jazz-Einschlag betrifft. Das wird auch durch Morschers hochkarätiges Begleit-Ensemble deutlich, dessen Mitglieder allerdings weitestgehend auf solistische Glanzpunkte verzichten und ihre individuellen Fähigkeiten einzig in den Dienst des Singer-Songwritings stellen. Das gilt für den englischen Pianisten/Keyboarder Kit Downes, der als einer der Jungstars des renommierten ECM-Labels soeben ein Album mit der Vocals-Ikone Norma Winstone herausgebracht hat ebenso, wie für den deutschen Gitarristen Hanno Busch, die E- und Kontrabassistin Lisa Hoppe und den vielbeschäftigten israelischen Drummer Amir Bresler. „This record is 100 % analogue and computer free“ steht fettgedruckt auf dem Cover des Albums, das ausschließlich im Vinylformat erscheint, denn Guy Sternbergs Berliner Label LowSwing Records hat sich mit großem Engagement den komplett analogen Aufnahmetechniken verschrieben, die im Booklet auch detailliert erklärt werden. Ein rundum (wie passend für eine Schallplatte) gelungenes Produkt!

(LowSwing Records)

Dieser Artikel ist bereits in der Print-Ausgabe der KULTUR September 2024 erschienen.

Konzert-Tipp: 20.9.24, Kammgarn Hard – von der Aufnahme-Band sind Gitarrist Hanno Busch und Bassistin Lisa Hoppe dabei. Dazu stoßen Pianist/Keyboarder Simon Seidl und Drummer Lukas Akintaya.