Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Dagmar Ullmann-Bautz · 24. Jun 2022 · Theater

Wienerschnitzel im Dreivierteltakt - umjubeltes Thomas Bernhard-Stück „Das Kalkwerk“ als österreichische Erstaufführung im Theater Kosmos

1970 erschien Thomas Bernhards Roman „Das Kalkwerk“ und machte den Autor erstmals einer breiteren Leserschaft bekannt. Es erzählt die Geschichte einer leidenschaftlichen Passion, von Konrad, der seit Jahren verbissen an einer Studie über das menschliche Gehör arbeitet, es aber nicht schafft, sie in Worte zu fassen und aufs Papier zu bringen. Seine gelähmte Frau benutzt er als Versuchskaninchen und um ungestörter arbeiten zu können nehmen beide Quartier in einem stillgelegten Kalkwerk. Zunehmend entwickelt sich Konrads Passion zu einer immer zerstörerischen Obsession. Selbst ein Getriebener und von seiner Obsession Gequälter, quält er auch seine Frau stundenlang mit immer denselben Worten, denselben Lauten und kratzenden Geräuschen. Zornig projiziert er sein Scheitern, seine Unfähigkeit auf seine Umgebung, auf seine Frau und so kommt es unausweichlich zum tödlichen Eklat.

Über hundertmal bejubelt

Der aus Bregenz stammende Regisseur Philipp Preuss hat den Roman für die Bühne bearbeitet und inszeniert. Die gefeierte Premiere fand im Oktober 2014 an der Schaubühne in Berlin statt und wurde dort über hundertmal gespielt und bejubelt. Der Verein Weiterspielen Productions hat es sich zur Aufgabe gemacht, erfolgreiche aber abgespielte Produktionen großer Theaterhäuser wiederzubeleben und damit zu touren. So geschehen auch mit „Das Kalkwerk“ und Vorarlberg sagt Danke, dass dieser fantastische Theaterabend hier in Bregenz zustande gekommen ist, das Stück hier seine österreichische Erstaufführung feiern durfte.

Hör- und spürbar

Regisseur Preuss hat sich ganz und gar auf die Welt des Thomas Bernhard eingelassen und eine Inszenierung auf die Bühne gebracht, die Bernhard intensivst erlebbar, hör- und spürbar macht. Genial auch die Querverbindungen und Verweise zur österreichischen Kunstszene und herzerfrischend das Einbinden des Aufführungsortes, durch Ortsnamen und kleine Einwürfe im Dialekt.
Die Ausstatterin Ramallah Aubrecht, ebenso wie Preuss in Bregenz geboren und aufgewachsen, hat nicht einfach nur ein Bühnenbild entworfen, nein, sie hat ein Kunstwerk geschaffen, das in seiner schillernden Einfachheit überzeugt und begeistert.

Immense Ausdruckskraft

Und dann ist da noch ein großartiger Schauspieler, der Österreicher Felix Römer. 75 Minuten hält er sein Publikum in Atem, spielt den Konrad und auch seine Frau voller Hingabe und einer immensen Ausdruckskraft, ist leise und laut, voller Schmerz und entrückt im obsessiven Wahn. Einem Feuerwerk gleich nimmt er den Raum ein, von der Bühne bis in den hintersten Winkel des Zuschauerraumes.

Österreichische Glückseligkeit

Dazu kommt der wunderbar bissige, subtile Bernhardsche Humor, manche würden ihn Sarkasmus nennen, den sowohl der Regisseur wie auch der Schauspieler perfekt beherrschen und der mit einem panierten Konrad seinen Höhepunkt erreicht. Wiener Walzer und Wienerschnitzel, das ist österreichische Glückseligkeit, und wenn sich Felix Römer auf der Bühne im Dreivierteltakt in Mehl, Ei und Brösel wälzt, wird das neben vielen anderen zum unvergesslichsten Moment.
Das Publikum bedankte sich auch in Bregenz mit jubelndem Applaus!

Mitglied der kollektiven künstlerischen Leitung

Preuss und Aubrecht sind seit 2001 ein kongeniales Team, arbeiteten frei und sehr erfolgreich an unzähligen Theaterhäusern in Deutschland, der Schweiz und Österreich. Seit Kurzem ist Preuss Mitglied der kollektiven künstlerischen Leitung am Theater an der Ruhr in Mühlheim und Aubrecht ist als Ausstatterin dort im Team. Wir wünschen viel Glück und alles Gute für neue Herausforderungen.

www.theaterkosmos.at