Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Dagmar Ullmann-Bautz · 03. Mai 2013 · Theater

Skurrile Parabel – beeindruckend präsentiert! - Das Theater Kosmos spielt Anne Leppers „Seymour“

Wer anders ist, hat keinen Platz, wird einfach ausgetauscht. Anne Leppers Stück „Seymour“ feierte gestern Abend im Theater Kosmos seine österreichische Uraufführung. Es ist trotz des äußerst skurrilen Charakters ein tief trauriges Stück, das berührt, beschäftigt, Fragen aufwirft.

Regisseur Stephan Kasimir und seinem Team ist es gelungen, die Geschichte erträglich, nein sogar spannend und witzig zu erzählen. Einerseits sind es die großartigen jungen Schauspieler, die ihre Figuren mit Leichtigkeit und Authentizität beherrschen, andererseits die herrlich skurrilen Regieeinfälle des Regisseurs Stephan Kasimir sowie das vielschichtige, humoristische Bühnenbild von Caro Stark, die große Freude am Zusehen bereiten und das Herz öffnen, um den Schmerz der Protagonisten, der Kinder, hereinzulassen.

Faschistoides Verhalten


Fünf Kinder, fünf fette Kinder, wurden von ihren Eltern in die Obhut des Dr. Bärfuss gegeben – in eine Kuranstalt weit oben in den Bergen. Dort sollen sie abnehmen und erst dann, abgespeckt und schlank, wieder nach Hause zurückkehren. Doch Dr. Bärfuss ist nicht anwesend, wird aber von Robert, einem der Kinder, vertreten - in einer Art, die faschistoide Züge trägt. Nur wenn alle Regeln des Dr. Bärfuss akkuratest befolgt werden, besteht Aussicht nach Hause entlassen zu werden. Doch die Tage, Wochen, Monate vergehen, Dr. Bärfuss lässt auf sich warten und  keiner wird auch nur ein bisschen dünner, denn nicht nur die angeordneten mitternächtlichen Kuchenorgien sind kontraproduktiv.

Klare Sprache


Anne Lepper bedient sich quer durch den literarischen Garten, zitiert Thomas Mann, Samuel Beckett, den Struwwelpeter, Slavoj Žižek und  Ernst Jünger. Ihre eigene Sprache ist einfach, knapp und ganz klar. Die völlig abgeschieden gelegene Kuranstalt entstammt der Moderne des letzten Jahrhunderts: Sartres geschlossene Gesellschaft, Manns Zauberberg, Thomas Bernhards Feste mit Behinderten, Becketts Ausweglosigkeiten – all das existiert in Anne Leppers Text.

Großartige Schauspieler


Jedes Kind hat seine eigene, ganz individuelle Geschichte, die Regisseur Stephan  Kasimir hervorragend herauszuarbeiten weiß und das Individuum in seiner ganzen Not und Sehnsucht bis in die Tiefe ausleuchtet. Heidi - großartig Susanna Hohlrieder - wünscht sich, schön auszusehen, ein märchenhaft schönes Mädchen! Max will lernen, ist wissbegierig, wünscht sich eine bedeutende Stellung in der Gesellschaft. Simon Alois Huber zeichnet den Max sehr sensibel und verleiht ihm eine faszinierende Präsenz. Sebastian Blechinger spielt mit Leichtigkeit und trotz körperlicher Unbeweglichkeit den Leo, der einfach nur nach Hause und Mamas Liebling sein möchte. Oskar sucht körperliche Nähe, Liebe, Geborgenheit und wird in einer beeindruckenden Leistung vom jungen Chris Mancin dargestellt. Anwar Kashlan, den wir schon aus verschiedenen Kosmos-Produktionen kennen, spielt eindrücklich den Robert, der blind an Dr. Bärfuss und seine Therapie glaubt und seine Leidensgenossen drillt und kontrolliert. Alle kämpfen mit der Abgeschiedenheit des Ortes, mit dem Verlassensein, mit der Lieblosigkeit. Obwohl alle schon ahnen, dass sie niemals wieder diese Kuranstalt verlassen werden, klammern sie sich bis zum Schluss an diese Hoffnung. Doch es wird immer klarer, dass in ihre Zimmer zu Hause schon längst andere eingezogen sind – „Seymours“ – dünn, schön, klug!

Liebevolle Details stimmungsvoll beleuchtet


Caro Stark hat ein Bühnenbild gebaut mit vielen Ebenen, sowohl geerdeten als auch schwebenden und mit witzigen, sehr liebevollen Details. Mit alten Möbeln und Sportgeräten hat sie für die Kinder eine Art Nimmerland geschaffen, in dem sie für immer Gefangene bleiben. Markus Holdermann stiftet dazu das passende, Stimmung zaubernde Licht.

Mit großem Applaus bedankte sich das Publikum für die künstlerische Leistung des gesamten Teams.