Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Anita Grüneis · 16. Sep 2018 · Theater

Saisoneröffnung im TAK: „und dann können wir, na ja ... reden.“

„Ich melde mich bei dir, ja? Ich ruf dich an, und dann können wir, na ja ... reden. Alles auf den Tisch packen. Egal wie schwer mir das fällt oder ... das machen wir. Wir beide.“ Sind diese Worte ein Versprechen, eine Hoffnung oder eine Drohung? Bei Neil LaButes Stück „In einem finsteren Haus“ weiß das niemand so genau. Dabei wird den ganzen Abend lang vom Reden gesprochen. Wie Männer das so tun. Beiläufig. Nebensächlich. Ein starker Saison-Auftakt im TAK Theater Liechtenstein. 

Neil LaBute hat ein gutes Händchen für die Kommunikationsweisen der Männer und Regisseur Oliver Vorwerk führt seine Darsteller genau an den Abgründen entlang, die ein „Auf den Punkt kommen“ immer wieder verunmöglichen. „Nichts ist einfach. Nicht einmal 'einfach' ist mehr einfach“, heißt es da. Neunzig Minuten lang wurde vor den Ohren und Augen des Publikums ein Familiengeheimnis entwickelt und entfaltet. Bühnenbildnerin Christine Bertl hatte einen unordentlichen Stapel aus Ästen auf die Bühne drapiert, über den alle drei DarstellerInnen mehrmals balancieren oder hineinsteigen mussten. Dabei knackte das Holz, die dürren Äste zerbrachen, wie die alten Lügen. Das Holzgeflecht symbolisierte aber auch ein zerstörtes Baumhaus, von dem immer wieder die Rede war und das bis zum Schluss die Wahrheit – oder war es die Lüge? in sich hütete. 

Total verschieden: kleiner und großer Bruder 

„In einem finsteren Haus“ erzählt von einem unterschiedlichen Brüderpaar. Der große Bruder Terry ist ein Einzelgänger und Versager, der im Gefängnis saß, weil er seinen Vater beinahe totschlug. Der kleine Bruder Drew ein erfolgreicher Anwalt, verheiratet, zwei Kinder, und ein Hallodri. Vollgepumpt mit Drogen baute er einen Verkehrsunfall und wartet nun in einer forensischen Psychiatriestation auf seinen Bruder, den er als Zeugen braucht. Terry soll aussagen, dass Drew als Junge missbraucht wurde, was seinen ausschweifenden Lebensstil und seinen Drogenkonsum erklären soll. Beim Zusammentreffen beginnen die beiden über ihre gemeinsame Kindheit und den Mann zu reden, der für beide wichtig war: Todd Astin. Terry hat ihn aufgespürt und dessen 16-jährige Tochter Jennifer kennengelernt.

Die Familie – das seid ihr alle

Das Publikum wird in der Inszenierung von Oliver Vorwerk von einer Szene in die nächste geschleudert. Denn der Regisseur lässt die drei DarstellerInnen weniger mit sich als viel mehr mit dem Publikum reden, als wollte er sagen: Die Familie, das seid ihr alle. Unsere Welt ist ein Teil eurer Welt. „... denn so läuft das in unserem beschissenen Zuhause. Wir lügen oder wir verlieren kein Wort darüber; wir machen dicht und lassen keine Scheißsilbe raus über die Dinge ... über die Wahrheit“, sagt Terry. Und wer kann seine Hände schon in Unschuld waschen? Vielleicht ist das der Grund, warum sich Terry und Jennifer immer wieder die Hände abputzen, das Mädchen Jenny mit einem Feuchttüchlein, Terry mit einem schmutzigen Lappen. Nur Drew putzt nicht, er lässt putzen. Philip Heinke stattet ihn mit neurotischen Zügen aus, gibt ihn als eitlen Narzisst, der aber ohne seinen Porsche, seinen Champagner und sein Image ein ziemlich armseliger Wicht ist, auch wenn er gerne in Freddy Mercury Pose herumsteht. Schwul oder nicht, das ist hier nicht die Frage, sondern: alles angstbesessen oder was?

Die Zärtlichkeit und die Raffinesse

Sein Bruder Terry war angeblich immer sein Idol. Nikolaus Schmid zeigt diesen Versager als einsamen Wolf, in sich gekehrt, besessen von der Wahrheit, vom Vater so oft verprügelt, dass er als 14-jähriger den Missbrauch genoss, weil endlich ein Mensch zärtlich zu ihm war. Nicht Drew wurde missbraucht, sondern er, Terry. Seine Kälte ist nie kalt, sie ist Schutzschild gegen zu viel innere Hitze. Er ist ein Verlorener, ein Haltloser, der unerbittlich die Wahrheit sucht. Und doch nutzt er die Kindlichkeit von Jennifer aus. Missbraucht er sie? Christiani Wetter zeigt die 16-jährige als ein etwas zurückgebliebenes Mädchen, bei dem aber nie sicher ist, ob sie dumm oder raffiniert ist. Sie becirct und kokettiert wie eine Erwachsene, dann wieder ist sie albernes Girlie. Die deutlich sichtbare Schwangerschaft der Schauspielerin gibt der Figur noch einen Zusatzaspekt - war es der eigene Vater? 

Alle wollen sie an diesem Abend reinen Tisch machen mit ihrer Vergangenheit und werden dabei dauernd benebelt. In jeder neuen Szene zischen neue Nebelschwaden von der Bühne in den Zuschauerraum. Sie erinnern an die Verse von Hermann Hesse: „Seltsam, im Nebel zu wandern! Leben ist Einsamsein. Kein Mensch kennt den andern, Jeder ist allein.“ So allein, wie diese drei Menschen von Neil LaBute. Und wenn sich Drew am Schluss des Stückes auszieht, dann passt das auch zu ihm, er hat sich einen Abend lang total entblößt.   

Weitere Termine: 22. und 27.9.2018, 20.09 Uhr, www.tak.li