Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Dagmar Ullmann-Bautz · 18. Okt 2015 · Theater

"Look at me now ..." - Der Versuch einer Annäherung an Gertrude Stein

Gertrude Stein war wohl eine der außergewöhnlichsten und schillernsten Protagonistinnen des beginnenden letzten Jahrhunderts, sie war Schriftstellerin, Kunstliebhaberin und Sammlerin, Förderin und Mäzenin und eine der ersten Frauen in der Literatur der klassischen Moderne. Gestern präsentierte das walktanztheater.com im "Alten Hallenbad" in Feldkirch die Premiere von "Look at me now and here I am. Gertrude Stein." und damit einen Versuch diese Frau zu skizzieren.

Treffpunkt der künstlerischen Avantgarde


Geboren 1874 in Pennsylvania als letztes Kind von Daniel und Amalie Stein, war sie das Nesthäkchen der Familie, von allen verwöhnt und verhätschelt. Die Eltern, deutsch-jüdische Einwanderer in zweiter Generation, hinterließen ein Vermögen, das den fünf Geschwistern ein sorgenfreies Leben ermöglichte. Im Alter von 29 Jahren, nach Jahren des Studiums der Philosophie, Psychologie und Medizin in Cambridge und Baltimore, zog Gertrude Stein mit ihrem Bruder Leo nach Paris. Ihre gemeinsame Wohnung in der Rue de Fleurus 27 wurde bald zum Treffpunkt der künstlerischen Avantgarde. Die Geschwister erwarben Bilder von Matisse, Cézanne, Monet, Gauguin u.a., sie führten einen Salon, in dem sich neben den Malern auch Literaten und Philosophen zu stundenlangen Gesprächen trafen.

Kubistische Wortporträts


1905 lernten sich Gertrude Stein und Picasso kennen und es entwickelte sich eine intensive und langjährige Freundschaft. Nicht nur ihr Professor William James, auch Picasso und die anderen Künstler beeinflussten Steins literarische Arbeit. Mit ihren kubistischen Wortporträts, ihrem experimentellen Schreibstil, ihrer absoluten Selbstsicherheit und großem Selbstverständnis beeinflusste sie wiederum andere Schriftsteller und Künstler.

Ein absolutes Minimum


Ein Porträt dieser außergewöhnlichen Persönlichkeit, auch wenn es vom Zuschauer selbst zu vervollständigen ist, stellt eine Herausforderung dar, die dem walktanztheater.com zu meistern nur in Ansätzen gelungen ist. Vielleicht war es ja Kalkül diese so facettenreiche Künstlerin auf ein absolutes Minimum zu reduzieren, hatte sich doch die Künstlerin selbst in ihrer literarischen Arbeit der Stilistik der Verkürzung und Wiederholung verschrieben. Trotzdem hat Stein in aller Reduzierung immer Geschichten erzählt, genau wie die wunderbaren Künstler, mit deren Werken sie sich umgab.

Im Ansatz steckengeblieben


Das ist der Regisseurin Franziska Henschel leider nicht gelungen. Gemeinsam mit dem Dramaturgen Benjamin van Bebber, der Choreografin Anne Thaeter und dem Ensemble, bestehend aus Maria Fliri, Martin E. Greil, Alexey Dmitrenko und Lisa Suitner, hat sie das Stück entwickelt, das nicht so recht weiß, wo es hin will. Für eine Performance ist es zu strukturiert, für ein Stück zu inhaltsleer, für Gertrude Stein-Kenner zu wenig selbstbewusst und provokativ und für ein Publikum, das Gertrude Stein nur flüchtig kennt, zu nichtssagend. Der Abend dauert 50 Minuten, wovon man ca. 15 Minuten beliebig herumsteht oder den Schauspielern beim Modellsitzen und den Zuschauern beim Zeichnen, Schreiben, Tuscheln oder Langweilen zusieht.

Zurückhaltender Applaus


Manche Ideen sind beachtenswert, bleiben aber im Ansatz stecken, es fehlt ihnen die radikale Konsequenz einer Gertrude Stein. Die reduzierte Raumgestaltung (Katharina Pia Schütz) und die Ausleuchtung (Matthias Zuggal) verfehlen jedoch nicht ihre Wirkung.

Am Ende will das Publikum einfach nicht glauben, dass dies schon das Ende sei. Dementsprechend bleibt der Applaus eher zurückhaltend, in diesem Theater eigentlich unüblich.

 

Weitere Vorstellungen:
20.10./21.10./22.10./23.10./24.10.2015 jeweils um 20.00 Uhr
Altes Hallenbad, Feldkirch