Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Anita Grüneis · 28. Sep 2019 · Theater

„Identität Europa“ im TAK: „Ich brauche Luft um zu brennen“

„Identität Europa“ heißt das Schauspiel, das kürzlich im TAK Theater Liechtenstein uraufgeführt wurde. Acht Autoren aus acht Ländern schrieben acht Kurzstücke, in die sie ihre Vorstellung einer europäischen Identität packten. Für diese Produktion spannte das TAK mit dem Deutschen Nationaltheater Weimar und Les Théâtres de la Ville de Luxembourg zusammen. Inszeniert haben Katrin Hilbe und Rafael D. Kohn, gespielt wurden die Stücke von Thomas Beck, Katharina Hackhausen, Krunoslav Šebrek und Christiani Wetter.

Europa – das ist ein Erdteil und ein Subkontinent mit rund 50 Ländern, aber auch ein Bündnis von 28 Ländern, das in den 50er Jahren seinen Ursprung nahm und heute als Europäische Union von politischer Bedeutung ist. Reicht all dies aus, um eine eigene Identität zu schaffen? Eines wurde an diesem Theater-Abend klar: Europa ist eine Vielfalt von Identitäten, die sich aus den Mentalitäten und Problemen ihrer Menschen speist. Jedes der acht Stücke trug mit seiner Eigentümlichkeit zum Identitätspuzzle von Europa bei. Dazu schuf der Bühnenbildner Alexander Grüner aus Weimar die passenden Kostüme und vor allem ein Bühnenbild, das so flexibel war wie das europäische Konstrukt. Die in mehreren stabilen Rahmen gespannten Gummibänder machten Durchblicke und Durchgänge möglich, begrenzten und verbanden.      

Europa, die alte Schöne

Mehrere Autoren ließen Europa selbst zum Sinnbild werden, wie zum Beispiel der Liechtensteiner Daniel Batliner, bei dem in „Am Ende der Schmetterlinge“ Europa als ältere Dame auf der Bühne mit einem schrecklichen Kater erwacht. Die Party ist vorbei, ihre vielen Ehemänner sind verschwunden, aufräumen will das Chaos niemand. Da steht sie nun, die verblichene Schönheit Europa, die einst Illusion von vielen war, und muss sich irgendwie selbst weiterhelfen. „Zu viel Macht ist immer vulgär“, meint sie und stopft Essiggurken in sich hinein. Rafael Kohn hat diesen Text inszeniert, Katharina Hackhausen gab der älteren Dame viel Charme und eine unverwüstliche Robustheit. 

Schweiz – Braut, die sich nicht traut

Auch die Schweizerin Rebecca Schnyder packte Europa in „Liebe Europa“ direkt an. Sie zeigte die Schweiz als Braut, die sich nicht traut. „Ich mach das, ich will das, ich kann das“ – davon ist sie überzeugt und dass Gemeinsamkeit Schutz bedeutet. „Du beschützt mich doch?“, fragt Thomas Beck in seinem weißen Brautkleid etwas unsicher und empört sich über den Ehevertrag. „Du willst, dass ich machen muss, was in deinem Ehevertrag steht“, argwöhnt er und betont, dass er seine Überzeugung für niemanden aufgibt. Die Autorin hat das Verhältnis der Schweiz zu Europa wunderbar auf den Punkt gebracht, Katrin Hilbe inszenierte mit Feingefühl und Humor, was Thomas Beck perfekt in seine Braut-Figur umsetzte.
Der Luxemburger Guy Helminger schrieb „Die Probe“, in dem eine Schauspielerin über die Identität Europas improvisieren soll. Die Schauspielerin Christiani Wetter ließ dabei vergessen, dass sie einen bereits vorhandenen Text sprach. „Europa ist für uns da. Es ist eine Chance“, heißt es. Gut möglich, dass man das in Luxemburg so sieht.    

Reden mit dem Geliebten

Einige der Autoren verpackten die Schwierigkeiten mit der europäischen Identität in sehr persönliche Monologe, wie Andrea Teede aus Estland. In „Steh nicht auf“ beschreibt sie auch die Schwierigkeit ihres kleinen Landes mit der russischen Vergangenheit. „Ich kann nicht mit dir reden, wenn du mir immer zuhörst“, klagt die Schauspielerin Katharina Hackhausen über Europa, als würde sie mit einem Geliebten reden, und: „Ich brauche Luft zum Brennen“.
Der Deutsche Dirk Laucke hat in „Eiserne Liebe“ die Beziehung von Ost-und Westdeutschland genauer betrachtet und lässt Krunoslav Šebrek die Geschichte der DDR mit einem zornigen Blick wiedergeben. Der gleiche Schauspieler bringt das Stück aus Kroatien von Vedrana Klepica mit seiner Präsenz und seiner Wucht zum Leben. In der „Anleitung zum Verständnis mehrjähriger Pflanzen“ sezierte die Autorin diverse Kriegsstrategien derart gewissenhaft,  dass sie damit den ZuhörerInnen das Fürchten lehrte. 

Rassismus und Europa

Mit dem Thema Rassismus beschäftigten sich Spanien und Rumänien/Ungarn. Im spanischen Stück von Clàudia Cedó ging es um die Frage, ob ein weißer Schauspieler einen Schwarzen spielen darf, leider überließ der Autor diese Aufgabe dem Regisseur und nicht dem Schauspieler selbst, was wahrscheinlich spannender gewesen wäre. Sehr packend inszeniert von Katrin Hilbe war „Piri“ von Csaba Székely, die Geschichte eines Roma-Mädchens, das Christiani Wetter mit viel Herz und Präsenz auf die Bühne brachte und dabei zugleich einen Laser-Blick auf Ungarn warf. Es ist auch die wunderbare Erzählung eines adoptierten Mädchen, das politisch nach rechts driftet und alle Roma diskreditiert, dann aber erkennen muss, dass sie selbst eine Roma ist. In diesem Monolog stimmte alles, sogar die Kostüme, die mit dem Alter des Mädchens mitwuchsen.
Ein spannender und kurzweiliger Theaterabend, der viel über Europa erzählt und ebenso viel zum Nachdenken anregt. Dieses Projekt sollte jährlich wiederholt werden, vielleicht kann es etwas dazu beitragen, dass Europa eine wirkliche Gemeinschaft wird. 

Die nächste Aufführung im TAK ist am 23. November 2019.
Zudem gastiert das Stück im Nationaltheater Weimar und nächstes Jahr im Les Théâtres de la Ville in Luxemburg.
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