Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Dagmar Ullmann-Bautz · 12. Mär 2017 · Theater

Gestern und heute so nah – Premiere von „Jugend ohne Gott“ im Vorarlberger Landestheater

Erschreckend aktuell ist Ödön von Horváths Roman „Jugend ohne Gott“, der in der Dramatisierung des Regisseurs Hannes Rudolph, unterstützt durch Dramaturgin Britta Kampert, am Freitag seine Premiere am Vorarlberger Landestheater feierte. Erschreckend authentisch war auch die Inszenierung mit Jugendlichen des Jugendclubs 16+ und dem Schauspieler Michael Ransburg.

Die Idee, ein Stück mit dem Jugendclub für das ABO-Publikum auf der großen Bühne zu machen, ist voll aufgegangen. Seit der Intendanz von Harald Petermichl verfügt das Vorarlberger Landestheater über eine florierende Theaterpädagogische Abteilung. Neben der Vermittlung professioneller Stücke für Kinder und Jugendliche erarbeitet das Team um Nina Fritsch jährlich drei Aufführungen mit Kindern und Jugendlichen: Je ein Stück mit dem Jugendclub 10+, dem Jugendclub 13+ und 16+.

Erstaunliche Konzentration


Horváths Roman „Jugend ohne Gott“ bietet sich natürlich besonders an, wenn es darum geht, viele junge Menschen zum Einsatz zu bringen und das hat in Bregenz Dank der Theaterpädagogin Verena Kiegerl, die die Szenen mit den Jugendlichen erarbeitet hat, und der Choreographin Brigitte Jagg ganz hervorragend funktioniert. Dreizehn Jugendliche, im Alter von 13 – 22 Jahren, darunter auch zwei Afghanische Flüchtlinge, spielten mit erstaunlicher Konzentration und Professionalität. Der Schauspieler Michael Ransburg ist eine Offenbarung in der Figur des Lehrers und Erzählers. Die Dramatisierung ist bestens bühnentauglich, die Umsetzung und Inszenierung, die Figurenführung des jungen Regisseurs Hannes Rudolph, höchst trefflich. Gekonnt und feinsinnig webt er auch Humor in diese tragische Geschichte.

Wechselbad der Gefühle


Ödön von Horváths Roman „Jugend ohne Gott“ erschien 1937 und schildert den Wahnsinn des Dritten Reichs aus der Sicht eines jungen Geschichtslehrers. Obwohl er gegen die Nationalsozialisten ist, verhält er sich aus Angst systemkonform. Erst als in seiner Klasse ein Mord geschieht, zwingt ihn sein Gewissen zur Stellungnahme. Ransburg verleiht seiner Figur Fleisch und Blut. Sensibel und weich in steifer Schale, hin- und hergerissen zwischen dem was ist, sein sollte und nicht sein darf, präsentiert er dem Publikum ein Wechselbad der Gefühle.

Treffliche theaterpädagogische Arbeit


Alle anderen Figuren werden von den Jugendlichen gespielt, die sowohl als Einzelfiguren, als auch in kleinen und einer großen Gruppe absolut überzeugen. Verena Kiegerl hat sie alle ideal eingesetzt, hat großartig mit ihnen gearbeitet, sie sensibilisiert und ihre Stärken exzellent herausgearbeitet. Die Choreographien, das Bewegungskonzept von Brigitte Jagg ist wohl durchdacht, ausgereift, schlichtweg perfekt und in der Umsetzung der Jugendlichen einfach ergreifend und bezaubernd.

Spannend bis zur letzten Minute


Es ist eine rundherum geglückte Produktion. Auch die Kostüme von Birgit Künzler bestärken diesen Eindruck, der sich im sehr konzentrierten Bühnenbild von Tobias Schunck und im unaufdringlichen und beseelten Lichtkonzept von Arndt Rössler widerspiegelt.

So erlebte das Premierenpublikum einen Theaterabend, der eine alte und heute leider wieder höchst aktuelle Geschichte erzählt, der betroffen macht und spannend bleibt bis zur letzten Minute. Dafür bedankte sich sowohl das junge als auch ältere Publikum mit begeistertem Applaus.