Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Christina Porod · 05. Okt 2012 · Theater

Der süße Geschmack von früher und was übrig bleibt – „Das ganz normale Leben“ feierte Premiere im Kammgarn Hard

Am gestrigen Donnerstagabend erlebte das Premierenpublikum im vollbesetzten Saal einen vergnüglichen Theaterabend.

„On the road again“ eröffnet das Zwei-Personen-Stück. Ein junges Liebespaar will per Autostopp in den Urlaub. Mit Rucksäcken und Hermann Hesses Der Steppenwolf im Gepäck geht’s auf nach Athen; in bestem Hippie-Outfit mit Stirnband, Sonnenbrille und Gitarre.

Alles wie gewohnt

Die Rucksäcke von einst sind zu klein geworden, denn das ganz normale Leben hat darin zu wenig Platz. Ein Audi Quattro mit Anhängerkupplung und Wohnwagen sind mittlerweile angeschafft. Im Lesebrillenalter angekommen, sieht der Urlaub der ehemaligen Hippies Hubert und Sieglinde auf dem inzwischen gewohnten Kärntner Campingplatz etwas anders aus. Kräutertöpfchen, Gartenzaun, Campingstühle, Tisch und Tischtuch, Lieblingsblumen, Wäscheleine und sogar die Satellitenschüssel müssen dabei sein. Alles wie gewohnt, auch der 19 Uhr Fixtermin Vorarlberg heute wird nicht versäumt. Irgendwo und irgendwann zwischen Athen und Kärnten hat sich ihr ganz normales Leben bzw. Zusammenleben abgespielt.

Aktuelles, Banales, Besinnliches

Hermann Hesse war gestern. Heute liest Sieglinde die Vorarlberger Nachrichten auch am Campingplatz vor dem Wohnwagen. Bei der Schlagzeile "Testamentsaffäre" meldet sich Hubert zu Wort: „Die Lumpen müssen doch in einem Rechtsstaat RATZ-fatz entlassen und verurteilt werden. Da macht ihn doch gleich ein Lumpensalat an. Wie immer schneidet er die Wurschträdle zu dick. Sieglinde liest über Atomkatastrophe und Fukushima vor, aber Hubert hat ja eh ein Notfallpaket im Keller: Schnaps, Bier und Wein. Beim Vorarlberg-heute-Beitrag über Biosprit äußert sich Sieglinde kritisch dazu. Besinnlich wird’s, wenn Musik aus den 70er Jahren eingespielt wird. Ohrwürmer wie Suzie Q oder Lo, Lo, Lo Lola bringen dem Schauspielpaar und dem Publikum das Lebensgefühl dieser Zeit zurück. Sieglinde bedauert, dass die Romantik in ihrer Beziehung verloren gegangen ist. Streicheleinheiten gibt’s lediglich bei Massagen im Home of Balance.

Zuletzt kommt noch Tiefgründiges zur Sprache

Die couragierte Sieglinde könnte nach eigener Auffassung Lebensberaterin sein, denn sie hat sämtliche Kurse besucht: Strömen, Astrologie, Heilkräuterkunde, Yoga und sie weiß, wie das Unbewusste wirkt. Sie selbst hat eigentlich gar keine Probleme, diese ergeben sich bloß, weil sie mit Hubert zusammen ist. Die Schatten der aufkommenden Ehekrise werden nun sichtbar. Hubert ist mit dieser Thematik völlig überfordert und will seine Chakren nicht öffnen. Vom Unbewussten weiß er nichts und will auch nichts wissen.

Kurz und gut

In der nur einstündigen Aufführung, die fast abrupt endet, bekommt der Zuschauer ein umfassendes Bild vom Leben dieses Paares, das zumindest in Teilaspekten dem Leben vieler Paare ähnlich ist. Sind sie trotzdem ein Traumpaar? Für das Publikum schon, denn Elke Riedmann brilliert in ihrer Rolle. Man nimmt ihr jedes Wort ab, auch die junge Hippie Sieglinde, was bei Kassian Heide als Hippie Hubert eher schwer fällt. Er verkörpert den in die Jahre gekommenen zurückhaltenderen Hubert, als Ergänzung zur energetischen Partnerin, authentisch. Alles in allem eine stimmige Vorführung, ein gelungenes Bühnenbild und tolle, gut ausgesuchte Musik, die als Subtext beiträgt.

Das Publikum honorierte die Schauspieler und Regisseur Markus Riedmann mit wohlverdientem Applaus.

 

Am 9. und 10. November hat man die Gelegenheit das Stück im Theater am Saumarkt in Feldkirch anzusehen. www.saumarkt.at