Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Walter Gasperi · 26. Mai 2012 · Theater

Prägnante Momentaufnahmen, malerisches Ambiente – Schnitzlers „Reigen“ in der Bregenzer Villa Raczinski

Zum Abschluss der heurigen Spielzeit zeigt das Vorarlberger Landestheater in und um die Villa Raczinki am Bregenzer Marienberg-Kloster Schnitzlers „Reigen“. – Ein dank eines großartigen Ensembles und des reizvollen Ambientes eindrücklicher Theaterabend – sofern das Wetter mitspielt.

Ursprünglich sollte die heurige Spielzeit des Vorarlberger Landestheaters mit Shakespeares „Sommernachtstraum“ am Bregenzer Hafen abgeschlossen werden. Statt am Sees spielt man nun aber am Pfänderhang und statt Shakespeare Schnitzler. „Reigen“ passt dabei durchaus zu einer Saison, die unter dem Titel „Liebeszeit“ stand, schließt einerseits den Reigen der Stücke, kreist andererseits in zehn Momentaufnahmen um Begehren, Liebe und Enttäuschung.

Rundgang durch die Villa

Vorbei sind die Zeiten, als dieses Stück einen Skandal auslöste (1920), in dessen Folge der Autor selbst ein Aufführungsverbot verhängte, das erst von seinem Sohn 1982 aufgehoben wurde. Sexualität ist heute kein Tabu mehr, dementsprechend verspielt und mit Humor versetzt ist Bernadette Sonnenbichlers Inszenierung.
Profitieren kann sie dabei freilich auch vom Ambiente der Rokoko-Villa, die Graf Raczinki 1875 bis 1877 für seine Frau Karoline-Therese als Geburtstagsgeschenk erbauen ließ.
Am Brunnen des prächtigen Parks beginnt die Aufführung und, wenn der von Wolfgang Pevestorf gespielte Spielleiter mit lustvoller Rede über Theater und Leben, Schein und Sein ins Stück einführt, wird schon klar, dass das Wetter bei diesem Theaterabend mitspielen muss. Denn nicht nur die Eröffnung findet im Park statt, auch manch andere Szene spielt im Freien. Quer durch das Haus führt der Reigen, bald geht’s treppauf, bald geht’s treppab, sodass der Zuschauer gewisse Mobilität mitbringen sollte.

Slapstickeinlagen

Weil es bei diesem Stück keine Chronologie gibt, sich das Liebeskarussell immer weiter dreht, kann auch das Publikum leicht auf mehrere Gruppen aufgeteilt werden, die in unterschiedliche Szenen einsteigen, kann im Schlafzimmer der Eheleute oder im Wohnzimmer des jungen Herrn, auf dem Balkon mit Schauspielerin und Dichter, an der Laterne mit Dirne und Soldat - wobei der Blick über die Stadt und auf den See schweifen kann - an einer Feuerstelle im Freien als angedeutetem Bordell mit Graf und Dirne oder im Park mit Soldat und Stubenmädchen beginnen.
Quer durch die gesellschaftlichen Schichten ziehen sich die Figuren. Immer geht es aber um das Begehren, kommt es zum Geschlechtsverkehr und zur anschließenden Trennung, nach der Mitglieder des Jugendclubs des Landestheaters die BesucherInnen zur nächsten Station führen.
Variantenreich wird der auch von Schnitzler ausgesparte Koitus ins Off verbannt, findet mal unter der Bettdecke, mal hinter einer Tür oder einem Vorhang, mal im Gebüsch statt. Slapstickartig wirken diese Szenen teilweise, wenn hier oder dort ein Bein oder ein Arm hervorlugt, machen damit aber auch deutlich, wie locker man heutzutage mit diesem Thema umgehen kann.  

Homogenes Ensemble, treffend gecastet

Getragen wird dieser eindrückliche Theaterabend aber auch von einem sehr homogenen Ensemble. Treffend besetzt sind hier alle Rollen. Zwischen Vernachlässigung und Lebens- und Liebesgier wechselnd spielt Katrin Hauptmann die Ehefrau, glänzend bringt Maximilian Held die Doppelmoral ihres Gatten zum Ausdruck, das richtige Maß an Schüchternheit verleiht Lukas Kientzler seinem jungen Herrn, zu bewegen versteht Helga Pedross, die ungeschminkt, aber mit viel Gefühl die alternde Dirne spielt, und lange im Gedächtnis haften bleibt Tamara Sterns temperamentvolle Schauspielerin. Markus Menzel vermag als Graf ebenso zu überzeugen wie Olga Wäscher als süßes Mädchen, Therese Herberstein als Stubenmädchen, Alexander Julian Meile als Dichter und Andreas Jähnert als Soldat.

Gutes Wetter wünschenswert


Wie sich am Ende der Kreis der Szenen schließt, so schließt sich für das Publikum auch der Rundgang durch die Villa und man tritt wieder in den Park. Nicht nur eine stark gespielte Szenenfolge hat dann dieser Theaterabend geboten, sondern auch einen Einblick in die prunkvollen Räumlichkeiten der Villa vermittelt. – Zu hoffen bleibt nur, dass die weiteren Aufführungen dieser Produktion von ähnlichem Wetterglück begleitet werden, wie die Premiere.