Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Dagmar Ullmann-Bautz · 10. Sep 2022 · Theater

Der mit der Lampe spricht! – Theater Mutante präsentiert „Aquarium“

Es war das Theater der Sprachfehler, mit dem Andreas Jähnert und Christian Kühne einem interessierten Publikum in den vergangenen Jahren einige faszinierende Produktionen geschenkt haben. Nun ist es das Theater Mutante, mit dem Andreas Jähnert und sein Bruder Sascha seit 2020 auf die Suche nach essentiellen Themen unserer Zeit gehen, die sie mit viel Fantasie auf ihre ganz eigene Art und Weise aufzuarbeiten suchen. Für die recht speziellen Aufführungen werden jeweils die passenden Lokalitäten gesucht und bespielt.

Alexa, die Einzige!

Am vergangenen Donnerstag feierte die Company eine weitere Premiere in der Festhalle in Lochau, benannt als One-Man-Show unter dem Titel „Aquarium“. Die gesamte Halle ist Bühnenraum, das Publikum sitzt aufgefädelt links und rechts entlang der Wände. Bühnenbildnerin Romy Rexheuser hat eine große Wohnung mit Zimmern und Nischen in die Halle gebaut, nicht durch Wände, sondern durch Stränge von Stromkabeln voneinander getrennt. Da gibt es eine Diele, eine Küche mit Spülmaschine, großem Kühlschrank und einer chromglänzenden Kaffeemaschine, ein Wohnzimmer mit Couch, Großbildschirm und einer mannshohen Vogelvoliere, eine Toilette, ein Schlafzimmer mit überdimensionalem Himmelbett und natürlich gibt es Alexa, die Einzige, die Gallo, dem Einsamen, geblieben ist und die immer das tut, was Gallo befiehlt.

Überbordende Energie

Es ist eine beeindruckende Leistung, die Andreas Jähnert als Gallo abliefert. Fast 90 Minuten lang erzählt er spielend, singend, tanzend, mit zum Teil überbordender Energie, seine Geschichte vom ostdeutschen Migranten, der in Vorarlberg, erst happy, dann immer hoffnungsloser vereinsamend, gestrandet ist. Ins Homeoffice geschickt, sieht er sich vollkommen auf sein Selbst zurückgeworfen und verliert allmählich jeglichen Bezug zur Realität. Die Schuld dafür wird bei anderen gesucht und erfolgreiche, selbstbewusste Frauen werden ganz schnell zur Projektionsfläche seiner Frustration und zum Feindbild Nummer eins.

Voyeuristischer Blick

Die Geschichte von Gallo ist nachvollziehbar und fürchterlich traurig. Die eingebauten Slapsticks und der Humor wollen einfach nicht greifen, zu übermächtig ist der voyeuristische Blick in dieses traurige Leben. Das Theater Mutante bohrt ganz tief in dieser Unsäglichkeit unserer Zeit, denn tatsächlich vereinsamen heute und auch gerade in diesem Augenblick Menschen in ihren vier Wänden, kommunizieren – wenn überhaupt – nur noch mittels digitaler Medien und verlieren dabei nicht nur die anderen, sondern auch sich selbst.

Feine Details

Dass Multitalent Andreas Jähnert nicht nur Schauspieler dieser Produktion ist, sondern auch für das Konzept und den Text verantwortlich zeichnet, sei unbedingt noch erwähnt. Inszeniert hat das Solostück Bernadette Heidegger mit feinen Details und viel Spielraum für den Performer.
Wunderbar und unbedingt zu erwähnen der Sound von Ivar van Urk; seine Unterwassergeräusche unterstützen das nach Luft und Liebe schnappende Spiel von Jähnert perfekt. Für den gesamten Handlungsablauf dann doch ein wenig irritierend, dass das Team am Ende des Stückes aus dem Nichts eine Überraschungsparty für Gallo schmeißt. Das nimmt der Geschichte so einiges an Schärfe, was zwar schade ist, aber viele Besucher:innen wohl goutiert haben dürften und somit vermutlich auch beabsichtigt war.

Theater Mutante: Aquarium
weitere Vorstellungen:
11./ 13./14.9., jeweils 20 Uhr
Festhalle, Lochau
www.theatermutante.com