Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Dagmar Ullmann-Bautz · 21. Aug 2011 · Theater

„Ho Zwerge Ho!“ - Elfriede Jelineks „Prinzessinnendramen“ als märchenhaftes Wald- und Wiesenspektakel in Feldkirch

walk-tanztheater.com steht für außergewöhnliches, kreatives, immer wieder aufs Neue überraschendes Theater, seit 10 Jahren beheimatet in Feldkirch und geleitet von der Schauspielerin, Tänzerin und Theaterpädagogin Brigitte Walk. Sorgfältig wählt sie ihre Themen wie auch ihr künstlerisches und technisches Team aus. Mit einem Open-Air-Theaterstück auf dem Gelände des ehemaligen Jesuitenkollegs Stella Matutina in Feldkirch feiert das walk-tanztheater.com letzten Freitag Premiere.

Elfriede Jelinek hat mit „Prinzessinnendramen“ sechs unterschiedliche, sehr kritische und doch unterhaltsame Kurzstücke in ihrer sehr eigenwilligen Sprache geschrieben, einer Sprache, die in ihrer dadaistischen Prägung nicht allein Handlungsträger bleibt, sondern gleichermaßen zum Handlungsthema wird. Jedes Stück befasst sich mit einer „Prinzessin“, deren Schicksal uns durch Märchen, Musik oder Medien bekannt ist. walk-tanztheater.com hat zwei davon – Schneewittchen und Dornröschen – als Figuren ausgewählt und schickt das Publikum gemeinsam mit ihnen in den Wald.

Guides führen sicher durch den Wald

Die Aufführung – der Premierenabend war wunderbar trocken und warm – startet in der unteren Lichtung des zauber-, ja märchenhaften Geländes. Noch während sich das Publikum ein Glas Wein oder ein kleines Bierchen gönnt, erklingen zwischen den Bäumen erste schräge Töne. Markus Gsell  lockt mit seinem Saxophon langsam alle Protagonisten, herrlich kunterbunt gekleidet, auf die Bühne. Sie rezitieren einzelne Sätze, tanzen, singen, haben Spaß.
Jetzt wird das Publikum in zwei Gruppen auf- und einem Guide zugeteilt – das Abenteuer kann beginnen! Auf schmalen Pfaden geht es zu den verschiedenen Spielstätten. Vor einer kleinen Höhle – einer wirklich traumhaften Kulisse – liegt Dornröschen (beeindruckend Johanna Tomek) schlafend in Rosa gekleidet auf einer rosa Liege gebettet. Laut kämpfend, die Aufmerksamkeit auf sich ziehend, stürzt Prinz „Superman“ (Carsten Clemens) den Hang herunter, küsst und erweckt Dornröschen aus ihrem Schlaf. Muss die Prinzessin diesen Prinzen sofort als „Mr. Right“ akzeptieren? Selbstverständlich! Der Prinz platzt aus allen Nähten vor lauter Selbstbewusstsein und männlichem Hochmut – hat allein doch er die Prinzessin gefunden und er allein sie aus ihrem todesähnlichen Schlaf erweckt.
Tomek und Clemens sind ein wunderbares Paar, das sich nichts an darstellerischer Ausdruckskraft schenkt.

Tolles Ensemble in phantastischer Ausstattung

Vor der zweiten großen Theaterstation im Wald erlebt das Publikum auf seiner Wanderung durch das wildromantische Gelände spannende Videokunst von Marc Altmann, Leichen schleppende Zwerge, schreiende Prinzessinnen, und ein weißes Einhorn. Auch das zweite Setting besticht durch seine natürlichen Schönheit. Ein alter ausgetrockneter Brunnen dient Schneewittchen, der bösen Stiefmutter und dem Jäger als Spielplatz ihrer Eitelkeiten. Starke musikalische Zitate unterstützen die Ironie der Inszenierung und das beeindruckende Spiel von Brigitte Walk als Stiefmutter im Madonna-Look, von Maria Fliri als glänzendes Schneewittchen und Wolfgang Pevestorf als todbringenden Jäger.
Neben den fünf professionellen Schauspielern agieren jugendliche und erwachsene Amateure. Sie bereichern mit ihrer Präsenz, ihrem lustvollen Spiel die Szenerie. Regisseur Stephan Kasimir gelingt es, Jelineks bitterbösen, spröden und recht kratzbürstigen Text in höchst eindrückliche Bilder zu packen. Die Ausstattung von Ursula N. Müller ist geradezu genial, angefangen von ganz kleinen Details (winzige Püppchen am Wegesrand), über die zum Teil aberwitzigen, höchst aufschlussreichen Kostüme, bis zu den riesigen Spiegeln, die als Projektionsflächen dienen.
Ein erlebnisreicher, bildintensiver, amüsanter Theaterabend mit vielen Facetten und Feinheiten, die lange noch nachwirken.

Weitere Aufführungstermine: 23./24./25./26./27./28./30.8
Ersatztermine: 31.8./1. und 2.9.
jeweils 20.30 Uhr
Infos: www.walk-tanztheater.com