"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Anita Grüneis · 01. Mär 2015 · Theater

„Her die Hand, es muss ja sein“ – Siegen oder sterben beim "Zigeunerbaron" der Vaduzer Operette

Schon die Ouvertüre ist ein Ohrwurm. Der „Zigeunerbaron“ von Johann Strauss Sohn vereint Walzerseligkeit mit den feurigen Csárdás-Klängen der ungarischen Volksmusik. Dagegen ist niemand gefeit, das geht nicht nur ins Ohr, das besetzt den ganzen Körper. So geschah es auch bei der Vaduzer Operette, die sich zum 75-Jahr-Jubiläum diese Operette ausgesucht hat. Dirigiert hat William Maxfield, die Regie stammte von Leopold Huber.

Wer uns getraut


Während sich der Vaduzer Saal füllte, lief eine Frau auf der Bühne hin und her. Sie rauchte, trank Kaffee und war - der Kleidung nach zu urteilen – offenbar eine Zigeunerin. In einer Ecke der Bühne hatte sie ihr Quartier aufgeschlagen, einen kleinen Wohnwagen, zwei Klappstühle, ein Klapptisch. Dazu die bunte Wäsche auf der Leine. Die Musik aus dem Orchestergraben (Sinfonieorchester Liechtenstein SOL) setzte ein, die Frau nahm den Takt auf und bewegte sich im Rhythmus. In den Ohren der Zuschauer bildeten sich die berühmten „Schlager“ des Zigeunerbarons: „Ja, das alles auf Ehr, das kann ich und noch mehr“ über „Dschingrah, Dschingrah, die Zigeuner sind da“, „der Dompfaff, der uns getraut“ bis zum „Borstenvieh und Schweinespeck“ als „Lebenszweck“. Dann öffnete sich die Bühne und zeigte eine Flusslandschaft – projiziert auf den Vorhang. Dahinter Männer mit langen Stäben – der Schifferchor.

Kraftvolle Stimmen


Da der gesamte Zigeunerbaron im Freien spielt, war das Bühnenbild (Iris Jedamski) einfach gehalten: Drei kleine Reihenhäuser für den Schweinezüchter, ansonsten übernahmen Projektionen die Imagination. Und dann war da ja noch der Wohnwagen. Auf ihm durften sich der Zigeunerbaron (Michael Nowak, ein routinierter lyrischer und kraftvoller Tenor, schauspielerisch eher vom letzten Jahrhundert) und seine Saffi (Amber Opheim, heller und strahlender Sopran, aber schwer zu verstehen) erotisch tummeln, um den Wagen herum suchte die Zigeunerin Czipra (Rita-Lucia Schneider, sehr präsent, mit rundem Mezzo) nach Wahrheit.

Ein sauberer Schweinezüchter


Der reiche Schweinezüchter war bei Boris Petronje (stimmlich sicher, voluminös und voller Spielfreude) eine elegante Banker-Erscheinung.  Seine Tochter Arena gab Sabine Winter mit einem klaren und weichen Sopran, Erzieherin Mirabella war bei Veronika Brandt resolut und stimmlich versiert, ihr Sohn Ottokar bei Konstantinos Printezis ein heiterer Kerl mit einer schönen Tenorstimme. Sehr souverän, sowohl stimmlich als auch schauspielerisch, gab Hans Michael Sablotny den königlichen Kommissär Carneo. Mit den Solisten sang ein Amateur-Chor mit riesiger Spielfreude, die 30 Sängerinnen und Sänger waren Schweinekiller ebenso gut wie Zigeuner, Husaren und Schiffersleute.

Von Werktreue und Walzer


Regisseur Huber strebte nach Werktreue und meinte bei einer Pressekonferenz: „Wir wollen zurück zur Wurzel des Stücks. Wir wollen wissen, was Strauss und sein Librettist damals angetrieben hat – und das wollen wir dem heutigen Publikum so vermitteln, dass es davon berührt wird.“  Den originalen Johann Strauss wolle er unter der Zuckerkruste hervorkratzen, so Huber weiter. Herauskommen sollte der Strauss der leichten Couplets ebenso wie der Strauss der Verdi-artigen Finali, und der wagnerianisch-romantischen Liebesszenen. Jegliche Operettenklischees würden sich verbieten. Ein hoher Anspruch! Zu sehen war eine Inszenierung, die sich zwischen Modernisierung und den bekannten Klischees bewegte.

Probleme gegen Musik


Die Handlung aus dem Jahr um 1740 wollte sich nicht so recht aus ihrer Zeit lösen. Es geht beim „Zigeunerbaron“ zudem nicht nur um die Liebe, sondern auch um Standesdünkel, um die Vielvölker-Problematik, es geht darum, wie eine übereifrige Bürokratie den Menschen das Leben schwer macht; und es geht um patriotisches Säbelrasseln und damit auch um das Elend des Krieges. Wie zeigt man das alles „werktreu“?

Die IS-Truppen lassen bitten


Leopold Huber ließ einen Militärjeep auf die Bühne fahren, darin stand ein junger Kerl in Lederjacke (Graf Homonay), die schwarz-blauen Fahnen flatterten und erinnerten sofort an die Einmärsche der IS-Truppen. Die Operetten-Männer wurden in den Krieg befohlen. „Siegen oder sterben“ hieß die Devise. Der junge Kerl war der 20-jährige Bariton Äneas Humm und er hatte eine der erstaunlichsten Stimmen. Er sang seine Partie „Her die Hand, es muss ja sein“ mühelos, gab den Homonay lässig und eiskalt und schaffte damit einen dichten Moment an diesem Abend. Ein Highlight, das in Erinnerung bleiben wird.

Als die Krieger dann vom Krieg zurückkamen, war optisch keineswegs Operettenseligkeit angesagt, die Männer waren zerlumpt und verletzt und selbst Graf Homonay zeigte traumatische Nachwirkungen. Doch diese Szenerie ließ sich nicht mit der walzerseligen Musik vereinen, das ist dann doch Regietheater, von dem Huber selbst sagt, dass es nichts Schlimmeres gibt.