Vom Stress der auferlegten Selbstbeschränkung – eine große Hausmusik bei den „Montforter Zwischentöne“ oder weniger ist mehr
Eine große Hausmusik wurde im Rahmen der „Montforter Zwischentöne“ mit exzellenten Künstlerinnen und Künstlern angeboten und erfreulich viele Menschen folgten der Einladung. Nach einem genau festgelegten Zeit- und Raumplan war es möglich, unter dem Leitgedanken „Über das Beginnen“ aus einer Vielzahl von Darbietungen ein individuelles Programm zusammenzustellen. Alle jene, die sich auf den Event einlassen konnten und den Abend zur persönlichen Begegnung nutzten, erlebten kurzweilige Stunden. Wer jedoch - so wie ich - die Musik und das Haus an sich als akustischen Raum erleben wollte, ging mit einem unbefriedigten Eindruck nach Hause.
Ausgangspunkt für die große Hausmusik im Montforthaus war die Idee, das ganze Haus mannigfaltig, auch an außergewöhnlichen Örtlichkeiten wie der Garderobe oder der Unterbühne, zu bespielen. Dazu engagierten Folkert Uhde und Hans-Joachim Gögl zahlreiche Ensembles und MusikerInnen, unter anderem das Symphonieorchester Vorarlberg unter der Leitung von Gerard Korsten, das Concerto Stella Matutina, den Kammerchor Feldkirch unter der Leitung von Benjamin Lack, den Pianisten Kai Schumacher, Elfa Run Kristinsdóttir und Elina Albach, Herbert Walser, Levent Ivov, Francisco Obieta, Jürgen Thaler, Bertram Weiß, Mark Riklin, Hans Gruber und andere Akteure.
Ein Erfahrungsbericht
„Das ‚Dazwischen’ ist bei den ‚Montforter Zwischentönen’ in jedem Fall eine Hauptsache“, war im Programmtext zu lesen und die Festivalgestalter betonten zu Beginn, dass eine Auswahl notwendig und die Selbstbeschränkung an diesem Abend quasi mit inbegriffen sei. Jede Besucherin und jeder Besucher erlebte diese Umstände anders, dementsprechend subjektiv ist dieser Erfahrungsbericht.
Ich lasse mich nicht gerne beschränken, schon gar nicht, wenn ich mich ins Konzert aufmache. Dann möchte ich mich ganz auf die Kompositionen einlassen, auf die Musikerinnen und Musiker konzentrieren und mich mit dem Dargebotenen auseinandersetzen können. An diesem Abend war dies jedoch nur eingeschränkt möglich. Der straffe Terminplan erzeugte Stress, weil er nicht so recht funktionierte. Zudem waren einzelne Programmpunkte hoffnungslos „überbucht“. Beispielsweise hatten die Organisatoren wohl nicht mit dem enormen Interesse für den Wissenschaftsjournalisten Bertram Weiß gerechnet.
Auch zwei Monate nach der Eröffnung des Montforthauses gibt es keine Verbesserung der dumpfen Saalakustik. Im Gegenteil, an diesem Abend brummte noch dazu die Lüftung wie ein alter Verstärker. Völlig unverständlich und ärgerlich sind diese Umstände, wenn man bedenkt, wie viel Geld allein in das akustische Konzept des neuen Saales geflossen ist.
Gute Kurzkonzerte
Die einzelnen Versatzstücke meines persönlichen Abendprogrammes zeichneten sich durch engagierte und hochkarätige Künstlerinnen und Künstler aus.
Zu Beginn spielte das Symphonieorchester Vorarlberg im großen Saal. Das Programm war symptomatisch für den gesamten Abend. Eine Ouvertüre sowie Eröffnungssätze aus einem Violinkonzert und der ersten Sinfonie gestaltete das Orchester mit viel Elan und kantigen Phrasierungen aus. Der Konzertmeister und Solist Pawel Zalejski ließ wie immer aufhorchen, diesmal vor allem mit einer sinnlichen Kadenz. Sympathisch und locker führte Gerard Korsten durch das Programm.
Sylvia Schweinberger musizierte in der Garderobe auf einem Instrument der Geigenbauerfamilie Klotz aus dem Jahr 1764. Sie erzählte vom Aufziehen der Darmsaiten, und dass sie sich vor Konzertbeginn am liebsten mit Bach-Solosonaten auf ihren Auftritt vorbereitet.
Beschallung von allen Seiten
Eine Bereicherung war die Improvisation des Pianisten Kai Schumacher, der auf der Unterbühne musizierte. Die dunkel gefärbten Klangflächen in tiefen Registern zusammen mit glissandierenden Klängen und abgedämpften Tönen zogen die Zuhörenden, die das Gespielte von oben erleben konnten, in ihren Bann. Während der Aufführung mischten sich backstage Klangfetzen aus gleichzeitig in Nebenräumen stattfindenden Konzerten ein, die wohlwollend als „Zitate“ in das Werkganze eingefügt werden konnten. Dies gelang bei anderen Vorstellungen nicht so gut. Weil die Wände so schalldurchlässig sind, war beispielsweise der Kammerchor Feldkirch bei einer Lesung allzu präsent.
Jürgen Thaler offerierte zahlreiche Anfänge aus diversen Romanen und stellte sie zu einem anregenden Potpourri zusammen. Ihm zur Seite musizierte der Klarinettist Levent Ivov, der mit seinem aufregenden Spiel die Aufmerksamkeit auf sich zog. Zuerst improvisierte Levent Ivov über Balkanmusik, dann fabrizierte er feinsinnige Spaltklänge und transformierte Töne in geräuschhafte Schatten. Faszinierend wandelte er schließlich seine Klarinette in eine türkische Ney um, indem er das Fass der Klarinette als Mundstück verwendete.
In einem Durchgang platziert, improvisierte der Trompeter Herbert Walser über elektronische Sounds und Loops. Zur Beschallung des Foyers spielte auch ein Trompetenconsort auf und der Kammerchor Feldkirch hatte auf der Treppe einen Kurzauftritt.
Beim Nachhauseweg hatte ich den Eindruck, sehr viel Einzelnes konsumiert zu haben, aber nicht satt zu sein.