Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Peter Füssl · 26. Apr 2009 · Tanz

Speed kills – dem Tod entgegentanzen

Nach den großen und opulenten Produktionen des Balé da Cidade de São Paulo und der Akademie für Alte Musik Berlin setzte man beim Bregenzer Frühling nun mit „speed, neither/nor“ von Joachim Schlömer & Graham Smith auf eine Zwei-Mann-Produktion, die mit äußerst reduzierten Mitteln arbeitete. Eine perfekt durchdachte, dramaturgisch geschickt aufgebaute und mit großem Einsatz getanzte Performance.

Am Rand der physischen Möglichkeiten

„Speed is like a wounded dog that keeps running until it falls over“, so lautete der Kernsatz des Abends, den die 50-minütige atemberaubende (aus der Perspektive der ZuschauerInnen) und Atem raubende (aus der Sicht der Tänzer) Performance zum Leitthema hatte. Anfangs plauderten die beiden Männer im Trainingsoutfit noch miteinander, während sie ihre weitgehend synchronen Bewegungsabläufe ausführten, aber schon bald gewannen die Bewegungen an Rasanz. Was erst den Anschein einer eher lockeren Trainingseinheit hatte, entwickelte sich zunehmend zum Gewaltakt, der die Tänzer an den Rand ihrer physischen Möglichkeiten brachte. Getanzt wurde buchstäblich bis zum Umfallen, und es wurde deutlich, dass die Kunst des Überlebens letztlich wohl tatsächlich darin bestehen dürfte, gleich oft wieder aufzustehen, wie man hingefallen ist.

Eindringlichkeit durch Schlichtheit

Bei dieser getanzten Metapher auf den (Über-)Lebenskampf verließen sich Schlömer und Smith fast zur Gänze auf ihre körperliche Ausdrucksfähigkeit. Statt Musik gab es ein monotones Hintergrundgeräusch, das an das Gebläse einer Entlüftung erinnerte, das Programmheft lieferte das passende Zitat von Michel Houellebecq: „Für den heutigen westlichen Menschen, auch wenn er kerngesund ist, erzeugt der Gedanke an den Tod eine Art Hintergrundgeräusch, das sein Gehirn erfüllt, sobald die Pläne und Wünsche weniger werden. (...) In anderen Zeitaltern wurde das Hintergrundgeräusch durch das Warten auf das Reich des Herrn erzeugt, heute wird es durch ein Warten auf den Tod erzeugt. So ist das nun mal.“ Den Rhythmus gaben sich die zunehmend mitgenommenen Akteure durch ihre vor Anstrengung gekeuchten Atmenzüge selbst vor.
Für die ausgeklügelten Lichteffekte sorgten einige wenige Scheinwerfer mit weißem Licht. Zusätzliche Aspekte brachten eine kurze Szene mit aufziehbarem Kinderspielzeug, eine traumartige Videosequenz und eine Tafel, die mit Kreide beschrieben wurde, ein. Letztlich war aber alles auf die kompromisslose Körperlichkeit der Akteure konzentriert, die als starkes Gegengewicht zum kräfteraubenden, nahezu selbstzerstörerischen Parcour de Force ans Ende der Performance tableauartige Bilder des Stillstand setzten. Ein starker Abend, der seine große Eindringlichkeit aus der Schlichtheit der gewählten Mittel bezog – Jerzy Grotowski hätte seine Freude gehabt.