Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Peter Füssl · 03. Jun 2016 · Tanz

Puristisch, reduziert, von höchster Qualität – das tanz ist Festival eröffnete mit drei eindrucksvollen Solo-Produktionen

Der Publikumsandrang beim tanz ist Festival-Eröffnungsabend am Spielboden war groß, ein Zeichen dafür, dass Festival-Macher Günter Marinelli in den vergangenen Jahren hervorragende Arbeit geleistet hat. Und man will künftig noch verstärkt darauf setzen, interessierte Jugendliche mit geeigneten Workshops für den Tanz zu begeistern – ein weites Feld, für das die Tanzpädagogin Anne Thaeter gewonnen werden konnte. Die vielbeklatschten Stars des Abends waren aber der Finne Imo Iduozee, der in Wien lebende Slowake Tomas Danielis und der in Brüssel lebende Franzose Samuel Lefeuvre, die mit ihren sehr unterschiedlichen Solo-Arbeiten für eindrucksvolle eineinhalb Stunden sorgten.

Ima Iduozee - ein perfekter Tänzer und Ästhet

 

In einen spannenden Dialog mit dem Tanzboden trat Ima Iduozee in seiner mit „This Is The Title“ betitelten Performance. Drehungen und Windungen am Boden liegend oder im Kauern, dazwischen explosive Sprünge und akrobatisches Breakdance-Vokabular, als wolle er der Schwerkraft und der Bodenhaftung trotzen. Iduozee ist ein perfekter Tänzer und Ästhet, der ursprünglich aus der finnischen Hip-Hop-Szene kommt, mittlerweile aber an der University of the Arts in Helsinki auch zeitgenössischen Tanz und Performancekunst studiert hat. Gegen Ende des 25-minütigen, von einer  unkonventionellen elektronischen Soundcollage begleiteten Solos wird alles schwerfälliger, die Bewegungen funktionieren nicht mehr von selber. Geht es um Existenzielles, um Ängste, um die Beschwerlichkeit des Daseins? Imo Iduozee eröffnet ein weites Feld für Assoziationen, wie dies auch die folgenden Tänzer tun werden.

Tomas Danielis - aus der Unbeweglichkeit ins Bewegliche ...

 

Tomas Danielis startet quasi dort, wo Imo Iduozee aufgehört hat: Die Bewegungen entwickeln sich unendlich mühsam aus der absoluten Unbeweglichkeit heraus. Langsam beginnen die Gliedmaßen zu gehorchen, der Tänzer dreht immer beweglicher seine Runden um den ganzen Tanzboden. Schließlich setzt J. S. Bachs Ouvertüre nach Französischer Art in h-Moll, BWV 831 ein. Danielis erinnert auf einmal an einen absurden Dirigenten, der die eindringliche „Clavierübung“ des barocken Meisters zu fassen sucht. Er scheint in burklesken Bewegungen, manchmal auch nur mit minimalistischen Handzeichen die Musik nachzuempfinden, um die Möglichkeiten des zeitgenössischen Tanzes daran zu messen. Die durchaus auch witzige Performance endet dort, wo sie begonnen hatte – in der Unbeweglichkeit.

Samuel Lefeuvre - David Lynchs "Log Lady" lässt grüßen

 

Einen ganz anderen Weg geht der in der Brüsseler Szene verwurzelte, unter anderem beim renommierten Les Ballets C. de la B. aktive Samuel Lefeuvre. Zum Soundtrack eines Psychothrillers stakst er mit ungelenken Schritten auf die Bühne, in der rechten Hand wiegt er einen Holzklotz, die linke Hand macht einfachste Bewegungen. Ein mysteriöses Szenario entspinnt sich. Der Holzklotz wird zur Last, die ihn zu Boden drückt, von der er sich nur mühsam befreien kann. Spastisch wirkende Bewegungen unterstreichen die unheimliche Atmosphäre. David Lynch hätte bestimmt seine Freude an dieser außergewöhnlichen Hommage an seine „Log Lady“ aus der 1990/91-er Kult-Serie „Twin Peaks“. Wer diesen Bezug nicht kannte, fand mühelos andere Interpretationmöglichkeiten für diesen gegen Ende hin fast schon aussichtslos wirkenden, verzweifelten Kampf. Manche dachten etwa an die unmenschlichen Strapazen, denen viele Flüchtlinge ausgesetzt sind und interpretierten den Holzklotz als Säugling. Auch eine Möglichkeit.

Perfekt organisierte Umbauten

 

Ima Iduozee, Tomas Danielis und Samuel Lefeuvre haben sich erst am Spielboden kennengelernt, aber die zwei 25-minütigen und das 15-minütige Stück ergänzen sich in ihrer Unterschiedlichkeit auf perfekte Weise. Die perfekt organisierten Umbauten dazwischen gingen so rasch über die Bühne, dass man sitzen bleiben konnte und die Stücke von der Atmosphäre her durchaus aufeinander wirken konnten.

Im Einleitungsstatement hatte Günter Marinelli die übereinstimmenden Merkmale für alle drei Solo-Performances folgendermaßen zusammengefasst: puristisch, reduziert, von höchster Qualität. Wie wahr!

Die Solotrilogie ist am Samstagt, 4. Juni, 20.30 Uhr
nochmals zu sehen.
www.tanzist.at - www.spielboden.at