Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Peter Füssl · 13. Jun 2010 · Tanz

Glänzender "tanz ist festival"-Auftakt mit der Compagnie 7273 am Dornbirner Spielboden

Einmal mehr ist Festivalorganisator Günter Marinelli seinem Ruf gerecht geworden, ein gutes Händchen für außergewöhnliche Compagnien und Aufsehen erregende Tanzproduktionen zu haben. So entpuppte sich die hierzulande kaum bekannte französisch-schweizerische Compagnie 7273, die mit „Laï laï laï laï“ am Donnerstag das Festival eröffnete und mit „Romance-s“ am Samstag eine der spannendsten Produktionen der letzten Jahre zeigte, als absolute Trouvaille für die immer zahlreicher werdende tanz ist-Fangemeinde.

Nicolas Cantillon (Jahrgang ’72) und Laurence Yadi (geboren ’73) haben die nach ihren Geburtsjahren benannte Compagnie 7273 vor zehn Jahren gegründet und haben eine interessante Entwicklung hinter sich. Während die älteren Produktionen oftmals multimedial angelegt und mit opulenten Kostümen und Ausstattung versehen sind, geraten die jüngeren Werke immer puristischer und konzentrierter auf den reinen Tanz. So hätten die beiden am Spielboden präsentierten Werke unterschiedlicher nicht sein können, obwohl ihre Uraufführunsdaten nur ein Jahr auseinander liegen.

Ein Plädoyer für Phantasie und Entschleunigung

Das 2008 uraufgeführte „Laï laï laï laï“ ist den Siebziger Jahren gewidmet, ein phantasievoller Versuch der Akteure, sich an die Zeit ihrer Kindheit zu erinnern. Nicolas Cantillon versucht das Publikum als rauschebärtiger, Gitarre zupfender und Kauderwelsch singender Barde in die Atmosphäre jener Epoche zu entführen, als der Folk à la Woodstock noch jung und die Traumwelt der Hippies noch ungebrochen war. Wie ein Schamane scheint er ein Tor in eine andere Welt öffnen zu können. Dort präsentiert Laurence Yadi überzeugend die Kindfrau in Karohemd und Latzhose, während Gildas Diquero mit seiner Pfauenfedern-Maske und Régis Marduel im Eisbärenkostüm an diesem schwülen Abend die wahrlich schweißtreibenden Parts zufallen. Auf einem großen, weißen, zotteligen Teppich bewegt sich das Trio wie losgelöst aus Zeit und Raum und eröffnet eine Traumwelt, die magische Einblicke in längst vergangene und vergessene Welten gewährt. Hier gibt es keine Eile und keine abrupten Bewegungen, nichts Konkretes, dafür aber viele Andeutungen, die der Phantasie alle Türen offen lassen. Auf dem weißen Teppich scheinen sie manchmal wie auf einer Wolke zu schweben, oft genügen nur kurze Blicke und minimale Gesten, um miteinander in Kommunikation zu treten. Die Sehnsucht nach Gemeinsamkeit scheint zur großen Anziehungskraft zwischen den Akteuren zu werden, und nur wenn Eifersucht und Enttäuschung ihre Sprengkraft entfalten, kann es auch mal zu kleinen Eruptionen kommen. Es macht wenig Sinn, Laï laï laï laï“ mit rational verstehen zu wollen. Viel spannender ist es, einfach diese traumhaften Bilder auf sich wirken zu lassen, sich in ihnen zu verlieren, bis der Sänger/Schamane den zauberhaften Einblicken ein Ende bereitet.

„Romance-s“ – ein Paarlauf der Extraklasse

Ganz anders gestrickt ist das letztes Jahr uraufgeführte Duett „Romance-s“, das für Laurence Yadi  und Nicolas Cantillon, die auch außerhalb des Tanzes ein Paar sind, maßgeschneidert ist. Denn hier geht es um das ganze Spektrum an Emotionen, Kommunikationsformen, wechselseitigen Beeinflussungen und Abhängigkeiten zwischen Mann und Frau. Dafür haben sie ein reichhaltiges Bewegungsvokabular entwickelt, das aus verschiedensten Elementen der Tanzgeschichte schöpft – vom klassischen Ballett, über Expressionistisches bis hin zum Tanztheater und zur Pantomime. Mit bewundernswerter Phantasie, phantastischer Körperbeherrschung und großer Präzision loten sie die Paarbeziehung aus, die zwar auf Autobiographischem beruht, in der sich aber durch die abstrakte Bewegungssprache auch die Zuschauer mit ihren Paarerfahrungen wiederfinden können. Agiert wird auf einer völlig leeren Bühne, die Lichteffekte bleiben stets dezent und sogar auf die Musik wird weitestgehend verzichtet – alles läuft eine gute halbe Stunde lang allein zum rhythmischen Atmen der Akteure ab. Und wenn dann ganz zum Schluss zur völligen Dunkelheit im Saal ungemein kraftvoller, archaisch wilder, energiegeladener Flamenco ertönt, kann man sich unschwer vorstellen, was sich dazu wohl zwischen Mann und Frau abspielen könnte ...

Weitere Termine:

Mittwoch 16.6., 20.30 Uhr
Liz King & Georg Blaschke „Your Dancer“
Alexander Gottfarb „Political Movements, Part 2“

Samstag 19.6., 20.30 Uhr
Company Elio Gervasi „Geckos“

An beiden Tagen ist ab 20 Uhr Günter Marinellis Golfplatz-Installation „meeting the point“ zu sehen.

Infos/Karten: www.spielboden.at