„Kaffee und Zucker?“ Dokumentartheater im TAK in Liechtenstein © Pablo Hassmann
Anita Grüneis · 13. Sep 2020 ·

Tage des Verrats im TAK: Die Raserei in der Politik

Mit der Schweizerisch-Liechtensteinischen Erstaufführung des Stückes „Tage des Verrats“ von Beau Willimon eröffnete das TAK seine Spielzeit. Gleichzeitig stellte sich damit der Regisseur Oliver Vorwerk mit seinem Ensemble vor. Er wird bis Ende des Jahres mit seinen Schauspielern drei Stücke produzieren: Nach „Tage des Verrats“ kommt Arthur Millers „Tod des Handlungsreisenden“ und „Der Fremde“ nach Albert Camus. Damit steht zweimal die Befindlichkeit der Vereinigten Staaten auf dem Programm – und das ist derzeit aktueller denn je.

Das Stück "Tage des Verrats" begann denn auch vielversprechend. Ein Mann mit roter Baseballkappe und roter Clownsnase trat vor den Vorhang und hielt mit unverkennbarer Trump-Gestik eine Rede in Englisch: „Washington first“, hieß es darin und „This state belongs to me – äh, to you, fellow Americans“ und später: „The American dream is back“. Dazu ertönte Woodie Guthries: „This land is your land and this land is my land from California to the New York Island”. Eine wunderbare Einstimmung auf die Vereinigten Staaten von heute. Doch dann öffnete sich der Vorhang und gab die Sicht frei auf eine leere Bühne mit schwarze Stühlen, auf denen Männer in schwarzen Anzügen und eine Frau in einem dunklen Hosenanzug saßen. Hinter ihnen eine Musikerin.

Die Hintergründe eines Wahlkampfs

Das Stück "Tage des Verrats" dreht sich um den Vorwahlkampf einer Präsidentschaftskandidatur. Zentrale Figur in Willimons Theaterfassung ist die Figur Stephen Bellamy. Der PR-Manager soll im Vorwahlkampf der Demokraten dafür sorgen, dass der wenig aussichtsreiche demokratische Gouverneur Morris Präsident der USA wird. Bellamy ist bekannt dafür, dass er Kampagnen hervorragend organisieren kann. Doch dann trifft er sich mit Tom Duffy, dem Wahlkampfmanager der Gegenseite. Dieser verrät ihm einige Geheimnisse und versucht, ihn abzuwerben. Stephen geht zwar nicht auf das Angebot ein, wird aber trotzdem kurz darauf von seinem Arbeitgeber gefeuert, denn das Treffen war eine Falle. Anhand der Figur des Stephen leuchtet der Autor die Hintergründe des politischen Handelns in den Vereinigten Staaten, dabei spielen auch intime Beziehungen eine Rolle. 

Bis zur totalen Erschöpfung

In der Inszenierung von Oliver Vorwerk wurde vom Anfang an viel geschrien. Das ging häufig zu Lasten der Verständlichkeit, dadurch verwischte der Text. Und das war schade. Denn er hat durchaus bisweilen Tiefe und Humor. Der Regisseur erlaubte seinen Figuren zudem keine Entwicklung, als wollte er sagen: In der Politik gibt es nur Schreihälse und Verrückte. Nico Ehrenteit war als „Steve“ Bellamy vom Anfang an eine gescheiterte Figur – ein hyperaktiver Zerfressener, der ständig auf Speed zu sein schien. Oder kokste er? Egal, er gab jedenfalls die 100 Spielminuten Vollgas, zeigte akrobatische Verrenkungen, krümmte sich, fiel urplötzlich auf den Boden, dann wieder tänzelte er wie eine Ballerina, brüllte plötzlich los und rollte dabei die Augen, fuhr sich wild durch die Haare, stopfte hastig sein Hemd in die Hose, stand auch mal mit halb geschlossenen Augen und Hochspannung im Körper auf der Bühne als, als würde er jeden Moment explodieren. Dieser Kaputnik sollte ein brillanter Stratege und Pressesprecher sein? In Oliver Vorwerks Inszenierung war er eher des Wahnsinns fette Beute, die einem irgendwann leidtat und der man wünschte, dass sich bald jemand seiner annehmen möge, bevor er gänzlich kollabiert.

Sweet dreams are made for …

Dagegen wirkte Volker Metzgers Wahlkampfmanager Paul Zara souverän und ausgeglichen, auch wenn er vor allem zu Beginn kräftig durch die Gegend polterte. Julian Härtner war als Ben ein stellvertretender Pressesprecher, hinter dessen Ohren der Ehrgeiz lauerte und der jede Chance nutzte, um voran zu kommen, als Insider-Journalist Frank war er smart und glatt. Eine starke Präsenz zeigten vor allem Christiani Wetter als Praktikantin Molly und Ralf Beckord als Wahlkampfmanager Tom Duffy. Die beiden brachten Ruhe und Überlegenheit ins rasante Spiel und gaben ihren Figuren Profil und Kanten. Als 19-jährige Praktikantin wusste Christiani Wetter ihre Reize bestens einzusetzen, «Sweet dreams are made by me», säuselte sie, legte sich “bereit” auf den Boden. Später wird Paul sagen: «I never had sexual relationship with that woman» – eine bekannte Lüge. Die Szenen wurden im Hintergrund von der Musikerin Karin Ospelt sensibel begleitet, die teilweise auch singend ins Geschehen eintrat.   
Zum Schluss zog sich der enttäuschte und frustrierte Steve bis auf seine schwarze Unterhose aus, streifte ein blutiges Unterhemd über, schüttete sich Kunstblut über das Gesicht (ist eh alles nur Fake) und begann den sterbenden Schwan über die Schneeflocken zu tanzen, die irgendwann vom Bühnenboden schneiten, weil es im Stück ja Winter ist. Molly und Paul stiegen auf ihre Stühle und "pantomimisierten", Steve wälzte sich inzwischen auf dem Bühnenboden und spielte Shakespeare. «The time for empty talk is over. Now arrives the hour of action», meinte Donald Trump vor drei Jahren. Diese action zeigte der Regisseur. Viel action. Und so endete auch der Theaterabend. Das Publikum applaudierte heftig.

Weitere Vorstellungen:
17.9. und 1.10., jeweils 20.09 Uhr
TAK Theater am Kirchplatz, Schaan
www.tak.li