Klezmer-Klänge des spanischen Klarinettisten Pablo Barragán im Hagenhaus Nendeln (Foto: Daniel Gassner)
Peter Füssl · 08. Mai 2025 · CD-Tipp

Stefano Bollani & Iiro Rantala: Jazz at Berlin Philharmonic XV

Mit dem Finnen Iiro Rantala und dem Italiener Stefano Bollani sind am 1. Februar 2023 in der Berliner Philharmonie zwei europäische Spitzen-Pianisten aufeinandergetroffen, die sich in Sachen Kreativität, Einfallsreichtum und vielfältigem, musikalischem Output ebenbürtig sind. Auch scheren sich beide keinen Deut um Genre-Grenzen und betreiben Jazz-Projekte jeglicher Größenordnung, lassen sich aber auch als Solisten im Klassik-Bereich feiern. Beide teilen die Bühne gerne mit anderen Tastenstars, so gibt es etwa exzellente Aufnahmen von Bollani mit Chick Corea, und Rantala brillierte schon neben Michael Wollny, Leszek Możdżer oder David Helbock. Was die beiden aber aus dem Gros der Pianisten herausstechen lässt, ist ihr musikalischer Humor – von mit feiner Hand Gestricheltem bis zum Anarchischen.

Jazz sei ernsthafte Musik, erklärt Iiro Rantala in den Liner-Notes. Zwar hätten die Musiker öfters ihren Spaß miteinander, aber der schaffe es zumeist nicht bis zum Publikum. „Stefanos Ziel ist es, das Publikum in den Spaß miteinzubeziehen, was er mit einigen kleinen magischen Tricks und Gesten schafft. Ich möchte das Gleiche. Stefano ist wie Italien. Leicht, humorvoll, voller großer Melodien, dramatisch, wenn nötig. Er ist stolz, Teil einer langen und reichen Tradition zu sein, aber auch begierig, neue Wege auszuprobieren.“ Stefano Bollani schätzt Rantalas „umwerfend ausgereifte Pianotechnik, seine unstillbare Neugierde und seinen wundervollen Sinn für Humor. Als ich sein lustiges, kreatives, smartes Album ‚My Finnish Calendar‘ hörte, realisierte ich, dass ich einen musikalischen Zwillingsbruder gefunden habe.“ Für ihre witzigen Duo-Erkundungen wählten die beiden unter anderem unsterbliche Melodien aus der italienischen Oper. Den Auftakt macht eine spritzige Version des „Preludio“ aus Verdis „La Traviata“, in der die musikalischen Ideen wie Ping-Pong-Bälle hin- und herfliegen und das Stück in immer neue dramatische Höhen hinaufschießen lassen.


 

 


Feine Melancholie liegt dem „Musetta Walzer“ aus Puccinis „La Bohème“ zugrunde, hier rütteln die beiden ausgiebig an der Gefühlekiste. Diese lassen sie dann bei „Va, Pensiero“ aus dem dritten Akt von Verdis „Nabucco“ als Höhepunkt spannender dynamischer Entwicklungen explodieren. Ganz großes Kino! Auf ihren Flügeln könnten sie es locker mit jedem Gefangenenchor aufnehmen. Aber auch die italienischen Zeitgenossen verstehen es, wundervolle Melodien zu schreiben, etwa der Cantautore Lucio Dalla mit seiner oftmals gecoverten, wehmütigen Hommage „Caruso“ an den großen Enrico. Zwei Eigenkompositionen sind auch dabei: Stefano Bollanis „All’Inizio“ ist ein lässig swingender, harmonisch raffinierter Ritt über die Tastatur, Iiro Rantalas „June“ aus seinem oben erwähnten finnischen Kalender ist eine Art Musik gewordene Slapstick-Kunst. Zum furiosen Abschluss gibt es dann nochmals etwas derbere, aber höchst unterhaltsame Kost mit dem neapolitanischen Volkslied „Te Voglio Bene Assaje“. Macht echt Spaß!

 (ACT)

 Dieser Artikel ist bereits in der Print-Ausgabe der „KULTUR" Mai 2025 erschienen. Hier geht es zum E-Paper.