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Peter Füssl · 05. Feb 2025 · CD-Tipp

Soap&Skin: Torso

Die aus der Steiermark stammende und in Wien lebende Sängerin, Musikerin, Komponistin und Schauspielerin Anja Plaschg alias Soap&Skin umweht seit ihrem 2009-er Debütalbum „Lovetune For Vacuum“ das Flair des hochsensiblen, wundersamen, nicht wirklich fassbaren Genies. Nach „Narrow“ (2012) und „From Gas To Solid/You Are My Friend“ (2018) legt das zuletzt als Hauptdarstellerin und Soundtrack-Lieferantin des Historiendramas „Des Teufels Bad“ von Veronika Franz/Severin Fiala auch in den Kinos ins Rampenlicht gerückte Allround-Talent nun ein Album mit 11 Cover-Songs vor. Manche mögen das angesichts des hohen Grades an Kreativität, Originalität und Eigenständigkeit der Künstlerin vielleicht verwunderlich finden, aber wer die Karriere der mittlerweile 34-Jährigen mitverfolgt und sie schon live erlebt hat, kennt die restlose Hingabe, mit der sie fremdes Material – wenn man so will ihre Lieblingssongs, zu denen es ganz besondere Bezüge gibt – zu ihrem eigenen macht.

Angesichts des Albumtitels darf man annehmen, sie reduziere einen Song auf seinen Torso, den sie völlig verinnerlicht, mit ihren ganz persönlichen Gedanken und Inhalten kreativ auftankt und mit ihrem unverwechselbaren künstlerischen Stempel versehen schließlich wieder in eine neue Sphäre entlässt. Sie tut dies ohne Netz und doppelten Boden, geht gerade vom Gesanglichen her oft auch an ihre absoluten Grenzen heran – und überschreitet diese zuweilen auch, wenn es die Emotionen verlangen. „Mystery of Love“, im Original ein schmeichelweich klingender, aber mit einer Vielzahl an Referenzen und Andeutungen verschlüsselter Gitarren-Love-Song des amerikanischen Singer-Songwriters Sufjan Stevens, transferiert sie mit ihrer gleichermaßen warmen wie mystisch entrückt wirkenden Altstimme zu melodiösen Piano-Klängen, geschmackvollem Streicherschmelz und dezenten Bläsern ins musikalische Soap&Skin-Universum. Beim von Hans Zimmer komponierten, kreolischen Film-Song „God Yu Tekem Laef Blong Mi“ treibt sie ihre Stimme zum kirchenmäßig klingenden Harmonium in für sie ungewohnte Höhen, um sie gleich darauf im von Shirley Bassey bekannt gemachten, hochdramatischen „Born to Lose“ in den tiefsten Keller zu schicken. Bei dem von Cat Power vor zwanzig Jahre herausgebrachten Song „Maybe Not“ bleibt sie relativ nahe am Original, wohingegen sie den 1980-er Jahre-Charts-Hit „Voyage, voyage“ von Desireless seines Tanzrhythmus beraubt und dafür zum emotionalen, kammermusikalischen Kleinod veredelt. „Johnsburg, Illinois“ vom genialen Tom Waits-Album „Swordfishtrombones“ fettet sie durchaus passend mit einer singenden Säge auf. Das den nahen Tod vorausahnende „Girl Loves Me“ von David Bowies epochalem Abschiedsalbum „Blackstar“ (2016) inszeniert sie mit Jodler-artig überhöhten Gesangspassagen, tiefem Bassgrummeln, stampfendem Rhythmus und drängenden Bläsern als unter die Haut gehenden, verstörenden Sterbegesang – dazu gibt’s übrigens auch ein bilderstarkes Musikvideo.

 


 

 


 

Den 1974 veröffentlichten Fingerpicking-Gitarren-Folk-Song „Stars“ der amerikanischen Singer-Songwriterin Janis Ian über die Tücken und die Vergänglichkeit des Ruhms wird zur ebenfalls ihre Stärke in der Reduktion findenden Piano-Ballade. Noch reduzierter wirkt Lou Reeds 1965 für The Velvet Underground geschriebener, lakonisch-verzweifelter Love-Song „Pale Blue Eyes“. Der 1992-er Hit „What’s Up?“ der 4 Non Blondes wird mit gewagten Effekten und schönen Bläsersätzen jeglicher Charts-Trivialität beraubt, ehe das Finale passenderweise mit dem mehr als acht Minuten langen „The End“ eingeläutet wird – die Original-Version von The Doors dauerte bekanntlich knappe zwölf Minuten. Soap&Skin macht diesen Song sozusagen zur Chefsache und interpretiert ihn völlig solo mit verhallter Stimme zu treffsicher Akzente setzenden Pianoklängen – selbst die im Original implementierte Spoken-Word-Passage behält sie bei. So wird das bedeutungsschwere Abschieds-Epos zur grandiosen Hommage an Jim Morrison und zum passenden Finale eines exzellenten Cover-Albums, das eigentlich klingt, als hätte man es mit lauter Soap & Skin-Originals zu tun. Dass mit den beiden Trompetern Martin Eberle und Alex Kranabetter auch zwei aus Vorarlberg stammende Musiker maßgeblich an diesem außergewöhnlichen Projekt beteiligt waren, sei hier abschließend nicht ohne musikalisch begründeten Lokal-Patriotismus vermerkt. Und es verwundert auch nicht, dass etwa die anstehenden Konzerte im Wiener Konzerthaus, in der Berliner Volksbühne oder in der Elbphilharmonie Hamburg längst ausverkauft sind.

(SOLFO/PIAS)

Dieser Artikel ist bereits in der Print-Ausgabe der KULTUR Februar 2025 erschienen. Hier gehts zum E-Paper!