"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Anita Grüneis · 30. Mär 2023 · Diverses

Schloss Werdenberg: Ein Schloss mit Geschichte voller Geschichten

Der Wind, das himmlische Kind, ist dieses Jahr zu Gast im Schloss Werdenberg in Grabs. Er steht als Jahresthema im Mittelpunkt in den Museen als auch beim Pfingst-Festival Schlossmediale. Museumsdirektor Thomas Gnägi hat wieder einmal ein dichtes und spannendes Programm erarbeitet, um Geschichte zu Geschichten werden zu lassen. Dazu erscheint das knapp 500 Seiten dicke Buch „800 Jahre Werdenberg in 100 Geschichten“, zusammengestellt vom Pädagogen und Autor This Isler und belebt mit Fotos von Mirella Weingarten, Leiterin der Schlossmediale und Bühnenbildnerin.

In diesem Buch erzählt This Isler markante Geschichten aus der wechselvollen Existenz Werdenbergs, wobei ruhige Phasen und Portraits von Personen mit dramatischen Ereignissen abwechseln. Interessierte können sich dann im Schloss Werdenberg auf „Erzählbänken“ durch das Einscannen des jeweiligen QR-codes ihre besondere Geschichte aussuchen und sie sich erzählen lassen. So zum Beispiel die Schilderungen der dramatischen Überschwemmungen im Jahr 1868, wo der Rhein zwischen Haag und Buchs in einer Breite von mehreren 100 Metern frei mäanderte und viel Kies ablagerte. Der erbitterte Streit um den Bau von Wuhren dauerte Jahrzehnte und brachte viel Leid mit sich. Im Buch ist zudem über das Schloss und die Werdenberger Bevölkerung viel Wissenswertes zu lesen – jede Geschichte kommt in einer homöopathischen Dosis von zwei bis drei Seiten daher, Fachausdrücke werden gleich am Ende der jeweiligen Story erläutert. Es ist ein (leider etwas schweres) Buch, das zum stundenlangen Schmökern einlädt, wobei aus den hundert Geschichten ein Vielfaches von lebendiger Vergangenheit wird.

Wenn Bierflaschen von der Brauerei erzählen

Auch für Kunsthistoriker Thomas Gnägi hat Geschichte nicht nur stattgefunden, sie hat immer etwas zu erzählen. Das zeigt sich unter anderem im Dachgeschoss des Schlosses, in dem einzelne Objekte auf Paletten platziert, manche mit Glas-Schutz versehen, und nummeriert wurden. Interessierte können sich die passenden Tafeln von einem Regal holen und erfahren darauf die faktischen Angaben über das jeweilige Objekte wie Datierung, Eingang, Oberbegriff, geografischer Bezug, Vorbesitz, Material, Abmessung, Punzen, Zustand etc. Auf der Rückseite ist jeweils eine Geschichte zu finden. So liegen beispielsweise zwei Bierflaschen von 1950 in einem Korb, über sie erschließt sich die Geschichte der Brauereien in der Region. Die Gegenstände wurden aus einem Konvolut von rund 1.700 Museums-Objekten ausgewählt und erfahren nun im Schloss ihre Wiederbelebung – ob das eine Waage vom Schweizer Zoll ist, ein alter hölzerner Handwagen, mit dem einst die Zeitung „Werdenberger und Obertoggenburger“ in die Haushalte geliefert wurde oder ob es filigrane Christbaumständer sind – sie alle haben in sich Geschichten geborgen, die es zu entdecken gilt.

Who is who – und das mit einer App

Im zweiten Stock des Schlosses befindet sich die historische Portrait-Galerie mit den Ölbildern, zu denen sich die Besucherinnen und Besucher im letzten Jahr anhand von Fotos gesellen konnten. Etliche dieser Fotos sind nun in wechselnder Folge wieder im Goldrahmen zu bewundern, dazu existiert ein Fotobuch, das Auskunft über die Personen gibt. Die Biografien der historischen Persönlichkeiten können über eine spezielle App abgerufen werden. Wieder geht es um die Geschichten hinter der Geschichte. Und auch das Schloss selbst hat seine Geschichte. So war es um das Jahr 1829 vorbei mit der Bedeutung des Schlosses Werdenberg, es wurde versteigert und der Arzt Johannes Georg Schläpfer aus dem Appenzell erhielt den Zuschlag. Er wollte darin ein Kuriositätenkabinett eröffnen, unter anderem sollte eine Mumie aus Ägypten eingelagert werden, dazu missgebildete Embryonen, ausgestopfte Bären, Totenmasken usw. Bevor es allerdings soweit kam, starb der Arzt mit 38 Jahren. Seine Nachfolger versteigerten das Schloss erneut und so wurde Dr. Ulrich Hilty-Kilias aus Chur neuer Besitzer.

Was duftet aus dem Tiegelchen?

In der ehemaligen Küche des Schlosses geht es um Düfte. Wer einen Deckel der handlichen Tiegel öffnet, kann seinen Geruchsinn testen: alte oder neue Gerüche? Zu den alten Gerüchen, die es schon in der frühen Zeit in der Küche des Schlosses Werdenberg gab, gehören beispielsweise Honig, Safran, Minze, im Gegensatz zu den neuen „kolonialen“ Gerüchen wie Kakao, Vanille, Pfeffer. Gleichzeitig lässt sich hier die Geschichte des Schlosses auf magische Art und Weise erfahren: Mit einem Schattenspiel, das Menschen, Häuser und Reiter auf die Wände projiziert, wird das wechselhafte Dasein des Schlosses märchenhaft lebendig erzählt.

www.schloss-werdenberg.ch