Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Peter Füssl · 09. Mär 2023 · CD-Tipp

Sarah McCoy: High Priestess

Sarah McCoy ist eine Naturgewalt, das machte schon ihr vor drei Jahren auf Blue Note erschienenes Debüt „Blood Siren“ klar und das wird nun mit dem Nachfolgealbum „High Priestess“ auf eindrucksvolle Weise bestätigt. Die mittlerweile 37-jährige Singer-Songwriterin und Pianistin ist kein werbemäßig hochgepushtes Retortenprodukt, sondern ein Produkt der Straße, was viel von ihrer Authentizität ausmacht.

Schon im Teenager-Alter ließ sie ihr Zuhause in South Carolina hinter sich und trampte jahrelang als Straßenmusikerin und Gelegenheitsarbeiterin durch Kalifornien, ehe sie in New Orleans landete, wo sie durch Kaschemmen tingelte, bis sie es im renommierten „The Spotted Cat Music Club“ zum Artist in Residence schaffte. Der Rest ist eine Erfolgsgeschichte, wie sie nur der Zufall schreiben kann. Denn dort wurde sie vom französischen Dokumentarfilmer Bruno Moynie entdeckt, der sie nach Paris ins Umfeld des Pianisten Chilly Gonzales und dessen Produzenten Renaud Letang brachte, die ihre internationale Karriere richtig schön anheizten. Letang produzierte nun auch wieder die elf neuen Songs von McCoy, die auf Gonzales‘ Label Gentle Threat veröffentlicht werden. Schon der Opener „Weaponize Me“ macht klar, dass McCoy wieder tief in ihre aufwühlenden Emotionen eintauchen wird, dass die Grundstimmung zwar eine düstere sein mag, dass aber Kraft und Lebenserfahrung der Protagonistin stets auch lichte Ausblicke zulassen. So schleudert sie ihrem ehrlosen Lover entgegen, dass jede seiner Lügen, jeder seiner hinterhältigen Tricks sie in ihrem Widerstand nur aufmunitioniert habe: „I’ll show my teeth and then consume you / For who you really are / Each lie was just a bullet in your gun / But all it took was one / To weaponize me.“ Ihre tiefe, angeraute, enorm ausdrucksstarke Stimme macht klar, dass diese Frau trotz aller Verletzlichkeit und Schwächen keine Gefangenen macht. Wobei gerne auch ein bisschen Ironie mitschwingt, etwa in „Go Blind“, wo sie sich wünscht, blind zu sein, damit sie sich vom „handsome lover“ nicht länger blenden lässt. Aber in vielen Songs, etwa in „Sometimes You Lose“, wird klar, dass am schmerzhaftesten immer noch die Auseinandersetzung mit sich selber ist, mit Eigenliebe und Selbstzweifeln, Unterdrückung und Selbstermächtigung, Erfolgen und Niederlagen. Musikalisch bewegt sich Sarah McCoy in ihrem angestammten Spannungsfeld aus Jazz, Blues, Soul und Pop Noir und setzt eher auf Reduktion, um ihr expressives Organ wirkungsvoll ins Zentrum zu rücken. Zur akustischen Pianobegleitung kommen im Vergleich zu früher vermehrt klar strukturierte, elektronisch generierte Bass- und Drum-Rhythmen, fallweise garniert mit Backgroundstimmen und atmosphärischen Synthie-Effekten. Zu den eindringlichsten Songs gehören das bluesig geröhrte „Long Way Home“, das selbstbewusst kraftvolle „Sorry For You“ oder das eindringlich kultisch wirkende „Oracle“. Manches kann sich durchaus auch mal Richtung Voodoo bewegen und beschwörenden Charakter annehmen, immerhin hat McCoy die meisten Inspirationen für das neue Album aus dem einschlägig beleumundeten New Orleans mitgebracht. Auch die archaisch-futuristische Gesichtsbemalung erfolgte keineswegs nur für das Albumcover, sondern gehört zur üblichen Ausstattung der exzentrischen und ungemein intensiven Bühnenshows Sarah McCoys. Eine Hohepriesterin durch und durch.

(Gentle Threat)