Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Silvia Thurner · 06. Mär 2023 · Musik

Der Kammerchor Feldkirch besang mehrere Gesichter der Nacht

Der Kammerchor Feldkirch unter der Leitung von Benjamin Lack lenkte in den vergangenen Jahren mehrmals mit großen Chor-Orchesterprojekten die Aufmerksamkeit auf sich. Nun besannen sich die 26 Sänger:innen auf sich selbst und stellten mit einer geistreichen Werkauswahl das Empfinden in Nachtliedern aus der Zeit der Romantik in den Mittelpunkt. Unterstützt von der Pianistin Anna Adamik interpretierte der gut aufgestellte Kammerchor im Pförtnerhaus Kompositionen von Rheinberger, Schubert und Brahms. Bereichert wurde das stimmungsvolle Konzert von Sarah Kling und Clemens Breuss, die solistisch zu hören waren. Lange wirkten überdies Anna Adamiks Werkdeutungen von Frederic Chopin nach.

In den romantischen Liedern zur Nacht kristallisierten Komponisten des 19. Jahrhunderts unterschiedliche Gefühlswelten heraus. Eine schöne Vorstellung war, dass sich in der Dunkelheit Himmel und Erde berühren. Die Nacht diente als Metapher für die Liebe, Ruhe und Gelassenheit und ebenso für wirre Fantasien, Ängste, Konflikte und Seelennöte. Oft boten musikalische Naturschilderungen hierfür geeignete Ausdrucksformen. Der Kammerchor Feldkirch versammelte klavierbegleitete Chorlieder, in denen diese Grundzüge zu finden waren und bot eine abwechslungsreiche und stimmungsvolle Konzertstunde.
In den Chorreihen finden sich herausragende Sänger:innen. Zwei traten auch solistisch auf und beeindruckten mit ihren Darbietungen. Sarah Kling sang mit warmem Timbre und formte in Schuberts „Ständchen“ (D 921) die Leittöne hervorragend aus. Clemens Breuss brachte mit seiner hellen Tenorstimme Schuberts „Nachthelle“ (D 892) im Prinzip des Call und Response schön zur Geltung. Eine reizvolle Wirkung hinterließ dabei auch die Besetzung, einmal das Mezzosopransolo mit Frauenchor und das andere Mal das Tenorsolo mit Männerchor.
Unter anderem erklangen drei Lieder von Joseph Gabriel Rheinberger. Über einer quirlig romantischen Klavierbegleitung mit raumgreifenden Akkordzerlegungen führte der Kammerchor Feldkirch mit Rheinbergers Lied „Lockung“, nach einem Text von Joseph von Eichendorff, in die Waldeinsamkeit im Mondenschein. Zum Schluss hin fanden sich die Stimmen in einem guten Ausgleich, sodass die melodischen Hauptlinien, gefühlvoll umrankt von den begleitenden Stimmen, transparent erklangen. Dynamisch gestalteten die Sänger:innen die Geschichte über die Nixe, die die Zweige der Trauerweide in die Tiefe zieht im Lied „Der Weidenbaum“. Die Geschehnisse in „Mummelsee“ formte der Kammerchor mit wogenden Wellenbewegungen und polyphon ineinander verwobenen melodischen Linien dramatisch aus. Doch die Lieddeutung wirkte in den einzelnen Linienführungen etwas undifferenziert.

Lieder von Brahms

Chorlieder von Johannes Brahms stellen stets eine Herausforderung dar, denn die dichten, im vierstimmigen Satz geführten Linien, verlangen eine sehr ausgewogene Stimmbalance. Dies war im Feldkircher Pförtnerhaus kein leichtes Unterfangen. Zwar wirkte die Balance der Stimmregister mit viel Bedacht ausgelotet, doch bündelte und mischte sich der Gesamtklang nicht immer ideal. Ein Grund lag wohl auch darin, dass der Chor im „Querformat“ des Saales Aufstellung genommen hatte. Trotzdem kamen die Qualitäten des Kammerchores Feldkirch gut nachvollziehbar zur Geltung. Schön und mit einem auffallend guten Kontakt zum Dirigenten setzten die Sänger:innen das Brahms-Lied „Der Gang zum Liebchen“ in Szene. Etwas unentschlossen wirkte zuerst das mottospendende Lied „O schöne Nacht“. Vor allem den schreitenden Duktus brachte der Chor im harmonisch anspruchsvollen „Abendlied“ nach einem Text von Friedrich Hebbel zum Ausdruck. Den Höhepunkt bildete „Der Abend“, in dem die chromatisch ausgeführten melodischen Linien den Text von Friedrich Schiller plastisch betonten. Passend zum Schluss interpretierte der Kammerchor Feldkirch das Lied „Sehnsucht“, in dem der wohl allgegenwärtige Gemütszustand der Romantik mit einem wirkungsvoll aufgehellten Dur-Schluss besungen wurde.
Benjamin Lack leitete die Chorsänger:innen souverän. Auffallend war, wie textdeutlich die musikalischen Sätze artikuliert wurden, zudem unterstützten die gut ausgeformten Vokalklänge den Gesamtklang. Anna Adamik gestaltete sämtliche Klavierparts sehr präsent und beeindruckte mit der Interpretation des Chopin-Nocturnes. Eine besondere Tiefe verlieh sie Chopins g-Moll Ballade, indem sie die Themen kraftvoll, raumgreifend und rhapsodisch steigerte.

weiteres Konzert:
Kammerchor Feldkirch, Benjamin Lack, Leitung; Anna Adamik, Klavier
17.3.23, 20 Uhr
Rathaussaal, Vaduz
http://www.kammerchor-feldkirch.at/