Die Camerata Musica Reno unter Tobias Grabher luden gemeinsam mit Michael Köhlmeier zum gemeinsamen Konzert ins Theater Kosmos. (Foto: Lukas Grabher)
Silvia Thurner · 11. Apr 2025 · Musik

Raum zum Nach- und Weiterdenken

Die Pforte setzte beim zweiten Abokonzert einen Markstein in deren 27-jähriger Wirkungsgeschichte

Kurz vor der Karwoche lud die Pforte unter dem Motto „Und nie verstummt es. Wie Worte Wege finden“ zu einem Meditationskonzert in den Festsaal der Stella Musikhochschule. Im Mittelpunkt standen Jugendliche und junge Erwachsene, die im Pforte Kammerorchester Plus gemeinsam mit dem Cantus Firmus Surselva unter der Leitung von Clau Scherrer das Oratorium „Die sieben letzten Worte“ von Joseph Haydn musizierten. Sieben künstlerische „Interventionen“ von Jugendlichen wurden zwischen den musikalischen Teilen gelagert. Die Verbindung von Musik, Wort, Film und künstlerischer Auseinandersetzung ergab ein großes Ganzes mit intensiver Ausstrahlung.

Klaus Christa und Raul Campos, Studierender an der Stella Musikhochschule in der Klasse von Rudens Turku und bekannt als Violinist beim Pforte-Kammerorchester sowie im Metanoia Quartett, zeichneten für das Konzept verantwortlich. In sieben sehr unterschiedlichen künstlerischen Beiträgen bildeten Jugendliche ihre Lebenswelten ab, sie stellten Fragen zu ihrem eigenen Empfinden und zur Wahrnehmung innerhalb der Erwachsenenwelt und schauten dabei weit über den eigenen Tellerrand hinaus auf globale Themen und Krisen. In allen Beiträgen zeigte sich, dass Freundschaft, Herzensbildung, Beziehung und Frieden die wesentlichsten Säulen eines guten Lebens sind.

Aufrüttelnde Fragen von Jugendlichen

Überlieferungen entsprechend soll Jesus am Kreuz sieben kurze Sätze gesprochen haben. Auf diese sieben Worte bezogen sich die künstlerischen Interventionen. Drastisch kam der Leitgedanke „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ sogleich in der ersten Filmzuspielung mit Jugendlichen aus Soweto in Südafrika zum Ausdruck (Regie: Sibusiso Masuku & Bongiwe Nkomo). Darin wurde gezeigt, wie eine Jugendliche aufgrund eines Diebstahls auf offener Straße das Vertrauen in die Mitmenschen verliert. Andererseits wurde die Not jugendlicher Obdachloser ersichtlich, die nicht aus Bösartigkeit, sondern aufgrund bitterster Armut kriminelle Handlungen setzen. Schüler:innen einer Berufsschulklasse in Bregenz mit Christine Fischer-Kaizler stellten in ihrer eindrücklichen Intervention mit „Angst in den Knochen“ existenzielle Fragen und verbanden sie mit Bildern. Schülerinnen einer Mittelschulklasse mit Bianca Jäger-Schnetzer legten Fadenbilder. In den tonlosen Filmsequenzen stellten sie zwischenmenschliche Beziehungen kreativ dar und öffneten viel Raum für eigene Überlegungen. Gedanken über Unverständnis und Rückzug fasste der Jugendclub des Vorarlberger Landestheaters mit Michael Schiemer in sinnfällig veranschaulichte Szenen. In Erinnerung blieben insbesondere die Sätze über die Einsamkeit allein sowie die Einsamkeit zu zweit. 
Die drei Jugendlichen der Avrona-Gang mit Roman Wegmann brachten ihre Lebenswelt und die Ablehnung, die viele Erwachsene den Jugendlichen gegenüber offen zeigen, eingängig und mit Zuversicht in Bilder. Während der eine seine unbefriedigten Sehnsüchte in Action ausleben wollte und der andere sich hauptsächlich nach Ruhe sehnte, agierte der dritte verbindlich und stellte die Freundschaft in den Vordergrund. 

Ergreifende Gedichte von Manon Bauer

Die im vergangenen Jahr jung verstorbene Künstlerin Manon Bauer hat speziell für das Pfortekonzert, kurz vor ihrem Tod, zwei Gedichte gesprochen, die im Originalton zugespielt wurden. Innerhalb des Oratoriums war dieser Intervention der Satz „Es ist vollbracht“ zugeordnet. Die Besucher:innen hörten mucksmäuschenstill zu. Die ergreifende Stimmung im fast voll besetzten Festsaal erhöhte die Intensität der Darbietungen. Abschließend brachten sich Schüler:innen einer Klasse der HTL Rankweil mit Emanuel Gächter & Theresia Abbrederis mit einem Audiobeitrag ein. Auch sie stellten existenzielle Fragen über das gegenseitige Vertrauen. Aufhorchen ließ vor allem die Aussage der Jugendlichen, bei großen Fragen unserer Gesellschaft nicht wirklich mitreden zu können.
Alle sieben Interventionen lenkten die Blicke auf jeweils andere Aspekte und bereicherten die musikalische Interpretation des Haydn-Oratoriums maßgeblich. Raul Campos und Klaus Christa gelang es mit dieser künstlerischen Herangehensweise hervorragend, die religiöse Passionsbetrachtung und die klassische Musik in einen gegenwärtigen Kontext zu stellen, der viel Raum für individuelle Interpretationen öffnete. 

Ausdrucksstarke musikalische Deutung

Joseph Haydns Werk musizierte das Pforte Kammerorchester Plus mit aufwühlender musikalischer Empathie. Clau Scherrer motivierte die Musiker:innen zu wirkmächtigen Phrasierungen und profilierten Kontrasten. Stets im Vordergrund stand jedoch eine transparente Linienführung. Sie unterstrich den weitgehend liedhaften musikalischen Tonfall des Werkes und brachte die sprachlich konzipierten Charaktere der Themen in jedem einzelnen Abschnitt zur Geltung.
Eine große Bereicherung für die Aufführung der „Sieben letzten Worte“ war der Graubündner Chor Cantus Firmus Surselva, den Clau Scherer als dreiundzwanzigjähriger Musiker im Jahr 1999 gegründet hatte. Mit einem warmen und ausgewogenen Gesamtklang wirkte der Chor sehr präsent. Besonders beeindruckend stellten die Sänger:innen die Einleitungen in die jeweiligen Abschnitte im archaischen „Falsobordone-Stil“ a capella in den Raum. Anna Gschwend (Sopran), Salome Cavegn (Alt) Philipp Classen (Tenor) und Ulfried Staber (Bass) formten ihre Soloparts gut aus und integrierten sich gleichzeitig in den chorischen Gesamtklang. Viel gäbe es noch über zahlreiche musikalische Details zu berichten, die diese Werkdeutung der „Sieben letzten Worte“ zu einem eindringlichen Erlebnis machten. 
Bedeutsam verlieh Clau Scherrer am Pult der Stille und den Pausen in der Musik Raum und Zeit, um die Wirkung des großen Ganzen zusätzlich zu verstärken. 

weitere Aufführungen:
Pforte um 8 
Fr 11.4., 20 Uhr, Konzert & Buffet in der Stella Musikhochschule
Pforte zu Gast
Sa, 12.4., 17 Uhr,  Erlöserkirche Lustenau  
So 13.4, 17 Uhr,  Klosterkirche Disentis / CH

https://www.pforte.at/konzerte/konzerte-im-pf%C3%B6rtnerhaus-2025/konzert-n-2-und-nie-verstummt-es/