Neu in den Kinos: „Joker: Folie à Deux“
In der lange erwarteten Fortsetzung lässt „Joker“-Regisseur Todd Phillips seinen psychopathischen Antihelden wiederauferstehen – und unterläuft dabei alle Erwartungen in ein typisches Sequel. Joaquin Phoenix als Joker und Lady Gaga als Harley Quinn verstören als Liebespaar, das sich in eine halluzinierte Freiheit singt.
Ein altmodischer Trickfilm nimmt den kommenden Wahnsinn vorweg. Der mit schnellen Strichen gezeichnete Joker bereitet sich darin auf seinen großen Auftritt vor, doch es gibt jemanden, der ihm dabei am nächsten und eben deshalb im Weg steht: sein Schatten. Über ihn muss er springen, ihn muss er besiegen. Das ist in einem Trickfilm schwierig genug, als Inhaftierter einer psychiatrischen Anstalt allerdings nahezu unmöglich.
Denn eben dort ist Arthur Fleck, der berühmteste Wahnsinnige von Gotham City, nach seiner Mordserie gelandet. Als Joker sorgte er vor fünf Jahren für Furore und Aufstand in der Stadt und bescherte – vor allem dank des Auftritts von Joaquin Phoenix in der Hauptrolle des psychopathischen Antihelden – Regisseur Todd Phillips dessen größten künstlerischen und kommerziellen Erfolg. Doch das Leben geht weiter, und weil es im Kino meistens als Fortsetzung erzählt wird, sitzt Fleck nun in seinem Inselgefängnis und muss sich die Beleidigungen der wenig zimperlichen Aufseher anhören. Witze kommen dem nach wie vor nur aus Haut und Knochen bestehenden Clown keine über die Lippen, höchstens Blut, wenn ihn die Wärter den Bart wegscheren. Hier gibt es keine Möglichkeit zur Flucht, im Gegenteil: Arthur Fleck erwartet ein Mordprozess, und falls er nicht als traumatisierter Schizophrener für immer weggesperrt wird, schlägt seine letzte Stunde auf dem elektrischen Stuhl.
Wer ist Arthur Fleck? Diese Frage rückte Phillips in „Joker“ in den Mittelpunkt und landete einen Clou, indem er aus der Comicfigur und dem Gegenspieler Batmans einen gescheiterten Komiker am mentalen Abgrund machte, dem die bankrotte Stadt seine Therapiesitzungen nicht mehr bezahlen kann und der am Ende nicht sich selbst, sondern einem gefeierten Showmaster vor laufender Kamera in den Kopf schießt. Für die Fortsetzung müsste die Frage lauten: Wer ist Joker?
Geschundene Seele
Nun ist „Joker: Folie à Deux“ allerdings weniger eine solche Fortsetzung als ein mehr als zweistündiger Epilog. Gotham City, das dreckige Abziehbild New Yorks aus den 1980er Jahren, ist dem Arkham State Hospital gewichen, wo Fleck mit geschundener Seele und malträtiertem Körper auf seinen Prozess wartet – und die Liebe seines Lebens trifft. Sie heißt Harley Quinn, inszeniert sich als verrückte Anarchistin und outet sich als Bewunderin des Jokers. Lady Gaga spielt diese Figur, die von Phillips zwar geheimnisvoll inszeniert wird, der er aber wenig Raum zur Entfaltung bietet, als psychotische Kriegstreiberin mit Eigeninteresse: Fleck ist für sie, wie sich herausstellen wird, nur die Hülle, aus der das geschminkte Faszinosum heraustritt.
Das eigentlich Faszinierende ist hingegen die Art und Weise, wie Flecks hoffnungsvolle Liebe zum Ausdruck kommt: durch die Kraft der Musik. Es sind die organisch, aber keineswegs harmonisch in die Erzählung eingebauten Gesangs- und immer wieder Tanznummern, die diesem Film ihren Stempel aufdrücken. Schlager aus Flecks Kindheit begleiten die imaginierten Auftritte von Joker und Harley Quinn auf Showbühnen, Nachtclubs und im Fernsehen, die Phillips wie grelle Halluzinationen inszeniert – die sie auch sind. Während Flecks Anwältin (Catherine Keener) die Schizophrenie ihres Mandanten als einzige Möglichkeit für dessen Verteidigung sieht, damit Fleck nicht für die Taten des Jokers verantwortlich zu machen sei, macht Harley Quinn, deren wahres Motiv sich erst im Laufe des Films offenbart, genau das Gegenteil: Sie befeuert die falschen Hoffnungen für eine Seite einer gespaltenen Persönlichkeit.
Phillips macht es seinem Publikum in mehrfacher Hinsicht nicht einfach. „Joker: Folie à Deux“ unterläuft die Erwartungen an ein typisches Sequel mindestens in dem Ausmaß, in dem Phoenix und Lady Gaga jene an ein Liebespaar torpedieren. Dass hier eine Amour fou die Institutionen der politischen Herrschaft in den Abgrund reißen wird, will man nicht so recht glauben. In einer der schönsten Szenen singt sich wohl deshalb der Joker am Telefon der psychiatrischen Anstalt nicht nur den Weltschmerz, sondern auch den Liebeskummer von der Seele.
ab 2.10., Kino Bludenz, GUK Kino Feldkirch, Cineplexx Hohenems (auch OF), Cinema Dornbirn, Kinothek Lustenau, Kinocenter Bregenz, Cineplexx Lauterach (auch OF)