Neu in den Kinos: „Heldin“
Aus dem Leben einer Krankenpflegerin: Der Film der Schweizer Regisseurin Petra Volpe verdichtet einen Arbeitsalltag auf eineinhalb Stunden. Das Ergebnis mit der überwältigend aufspielenden Leonie Benesch in der Hauptrolle ist so grandios wie packend.
In ihrem Spind hängen Kinderfotos und Dankeskarten. Floria ist an ihrem Arbeitsplatz angekommen und zieht sich um. Die neuen Turnschuhe „waren im Ausverkauf“, erzählt sie der Kollegin. Und dass sie mit ihrer Tochter im Zoo gewesen sei. Dann geht es mit dem Lift in den fünften Stock, und ab jetzt bleibt für private Unterhaltungen keine Zeit: Floria tritt als Pflegefachfrau die Nachtschicht in einem Zürcher Krankenhaus an.
Alle Betten in der chirurgischen Abteilung sind belegt, noch vor der Dienstübergabe hilft Floria in der unterbesetzten Station ihrem Kollegen beim Waschen einer betagte Patientin. Denn Floria arbeitet, wie man auf den ersten Blick erkennt, mit vollem Einsatz. Sie ist freundlich, aufmerksam, empathisch. Zum Patienten, der sich keine Magensonde setzen lassen möchte und der weder Familie noch Freunde hat, sagt sie: „Sie haben ja mich.“ Gemeinsam mit einer Kollegin, die für den anderen Trakt zuständig ist, und einer zwischen den beiden Frauen pendelnden Pflegeschülerin beginnt die Arbeit: Etiketten beschriften, Spritzen aufziehen, Sonderwünsche erfüllen, Hundefotos von Patienten anschauen und Ängste vertreiben. Denn Angst im Krankenbett haben alle, aber bei jedem äußert sie sich anders. Ein Film wie aus der Wirklichkeit geschnitzt: Für Floria ist der Dienst ein Dauereinsatz ohne Atempause, bei dem ihr die Kamera den gesamten Film hinweg nicht von der Seite weicht, sie durch die Krankenhausgänge verfolgt, beim Transport in den OP-Saal begleitet und jeden ihrer Handgriffe beobachtet. Auch den Fehler, der ihr schließlich unterläuft.
Parforceritt
Die intensive Spannung, die sich aus der Kombination von hektischem Geschehen und hochmobiler Kameraführung ergibt, ist so verblüffend wie grandios. Die Schweizer Regisseurin Petra Volpe und ihre Kamerafrau Judith Kaufmann erzählen „Heldin“ als packenden Thriller, in dem sich die Situation von Minute zu Minute zuspitzt. Hautnah erlebt man mit, wie Floria von einem Zimmer zum nächsten hastet, tröstet und vertröstet. Das Unmögliche versucht. Nur als sie einer verwirrten Patientin zur Beruhigung ein Gutenachtlied singt, wendet sich die Kamera für wenige Augenblicke in diesem Film von ihr ab und blickt durch das Krankenhausfenster auf die Lichter der Nacht.
Die Wirkkraft von „Heldin“ ist aber auch zum großen Teil das Verdienst von Leonie Benesch, die mit einem schauspielerischen Parforceritt die Anspannung Florias, die verzweifelt versucht, Ruhe zu bewahren, in jeder Einstellung spürbar macht. Die Anliegen der Patientinnen und Patienten – von der Mutter, die sich keiner weiteren Operation unterziehen möchte über den älteren Mann, der erfolglos um ein Gespräch mit der behandelnden Ärztin bittet, bis zum Privatpatienten, der seine Angst vor dem Tumor mit Zynismus kompensiert – erhöhen minütlich den Druck. Obwohl sie stets souverän wirkt, kann Floria auf die Situation doch nur reagieren. Totale Konzentration und höfliche Abgrenzung helfen irgendwann nicht mehr. Dass die titelgebende Heldin vielleicht gar keine ist, mag daran liegen, dass sie am Ende nicht heldinnenhaft, sondern sehr menschlich funktioniert.
ab 27.2., Cinema Dornbirn