Wer wagt, gewinnt – oder auch nicht?! – das erste Abonnementkonzert des „Concerto Stella Matutina“ polarisierte
Draufgängerisch stürzte sich das „Concerto Stella Matutina“ im ersten Abonnementkonzert unter dem Motto „Grenzenlos barock!“ ins musikalische Abenteuer. Die Improvisation über Zeit- und Genregrenzen hinweg sollte im Mittelpunkt des Abends stehen. „Ja, dürfen die das?“ stellte das CSM bereits in seiner Konzertankündigung eine provokante Frage. Selbstverständlich dürfen und sollen Grenzen ausgelotet und überschritten werden sowie Raum für Experimente gegeben sein. Wünschenswert ist jedoch, dass ausgefallene Ideen nicht allzu sehr auf Kosten der musikalischen Qualität gehen und in einen oberflächlichen Klamauk ausarten. Obwohl die Spielfreude, die Werkdeutungen und Improvisationen der Orchestermusiker sowie die Darbietungen des musikalischen Leiters David Gordon beim Großteil des Publikums Begeisterungsstürme auslösten, blieben im Hinblick auf das musikalische Niveau viele Fragen und Wünsche offen.
Vielversprechend waren die programmatischen Ausgangspunkte. Genregrenzen zwischen der Barockmusik und dem Jazz wollte das CSM im Rahmen seines ersten Abonnementkonzertes in der Kulturbühne AmBach überschreiten sowie die Improvisation in den Vordergrund seines Tuns stellen. Zum gemeinsamen Musizieren luden sie den britischen Musiker, Improvisator und Komponisten David Gordon ein. Eine Suite, bestehend aus Tanzsätzen unterschiedlicher Werke von Jean Philippe Rameau, Händels Orgelkonzert in A-Dur (HWV 296a) und die Komposition „Romanesque“ von David Gordon bildeten die Pfeiler des experimentierfreudigen Abends. Dazwischen lagerten die Musiker Improvisationen über das berühmte melodisch-harmonische Satzmodell „La Folìa“ sowie eine Stilimprovisation mit einem Streifzug durch die Jahrhunderte.
Nervosität und Spielfreude
Jean Philippe Rameaus Musik wirkte in der Zusammenstellung aus Werken von „Les Boréades“, „Hippolyte et Aricie“ und „Dardanus“ bunt und wirkungsvoll in der motivisch-thematischen Anlage. David Gordon trat als Cembalist und musikalischer Leiter elegant, quirlig und humorvoll auf. Diese Eigenschaften zeigten sich auch im farbenreichen Arrangement des Werkes, das David Gordon für das CSM angefertigt hatte. Der Einsatz der Blockflöte gab der Orchestrierung eine schöne Farbe und kurz lenkte die Passage, in der David Gordon am Klavier improvisierte, die Aufmerksamkeit auf sich. Doch eigenartig diffus und inhomogen wirkte die Spielart der Orchestermusiker vor allem in den hohen Streicherregistern. Da nutzte auch der Einsatz von Schellen und Rasseln in der Perkussion nichts und schon gar nicht das Driften in Klangfelder, die wohl einen Blick in die Gegenwart andeuten sollten.
Wenig inspiriert
Dann wendeten sich die Musikerinnen und Musiker der Improvisation über das berühmte Motiv von „La Folìa“ zu. Als „Zeremonienmeister“ gab David Gordon den einzelnen Stimmgruppen die Einsätze. Augenscheinlich hatten die Musikerinnen und Musiker auf der Bühne ihren Spaß beim spontanen Erfinden und Auszieren von musikalischen Einfällen, doch bewegten sich diese allzu sehr an der Oberfläche und es wurde rasch klar, welche Musiker Erfahrung mit improvisierter Musik haben und welche eben nicht. Noch deutlicher zeigte sich dies bei der abschließenden Kollektivimprovisation über das Lied „Summ, summ, summ“. Über das wenig originelle Kopieren von Stiltypen kam das Orchester nicht hinaus und es dauerte lange, bis das musikalische Geschehen endlich beim Jazz und jenen Musikern aus den Reihen des CSM angelangt war, die wirklich etwas zu sagen hatten.
Figurenwerk
Wer sich mit dem Solisten David Gordon eine spannende Interpretation des A-Dur Konzertes (HWV 296a) von Georg Friedrich Händel erhofft hatte, wurde enttäuscht. David Gordon spielte zwar viel Figurenwerk und forderte die Orchestermusiker zu humorvollen Antworten im Tutti auf. Die interessanteste Passage gestaltete allerdings Johannes Hämmerle solistisch am Cembalo. Als Ganzes betrachtet wurde der Höreindruck - auch bei größtem Wohlwollen und Respekt den Musikern gegenüber - von allzu vielen Ungenauigkeiten getrübt.
Klamauk
Blieb abschließend noch die Frage wie David Gordons eigenes Werk „Romanesque“ - ein Konzert für Blockflöte, Streicher, Blechbläser, Perkussion und Cembalo - angelegt ist. Die Musik entsprach ganz dem Temperament, das David Gordon während des Abends verströmt hatte. Es erklang ein Sammelsurium an Ideen, Zitaten, Allusionen, ein Stilmix vom Barock über Pop, Schlager bis hin zu afrikanischen und lateinamerikanischen Motiven und Rhythmen. Die bunten Instrumentalfarben waren gespickt mit viel perkussivem ‚Tschimbum’. David Gordon wollte seine Musik als musikalischen Spaß verstanden wissen und er schrieb dazu auch einen Blockflötenpart, den der Solist Matthijs Lunenburg virtuos ausfüllte.
Vorfreude
Das weitere Abonnementprogramm verspricht, dass die Musikerinnen und Musiker des Concerto Stella Matutina in den kommenden Projekten ihre Energien und herausragenden musikalischen Qualitäten wieder in jenen musikalischen Genres einsetzen, für die sie allseits geschätzt werden.