Demnächst in den Kinos: Die deutsch-französische Coming-of-Age-Geschichte "Tandem – In welcher Sprache träumst du?" (Foto: Julien Poupard, Les Films de Pierre, Port au Prince Pictures)
Silvia Thurner · 25. Nov 2010 · Musik

Vier Kompositionen und ihre Verhältnisse zueinander aufgezeigt - Der Eröffnungsabend der Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik überzeugte mit ausgesuchten Werken und hervorragenden MusikerInnen

Beim Eröffnungsabend der diesjährigen Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik gastierten hervorragende MusikerInnen in der Remise Bludenz. Das Ensemble musikFabrik aus Köln und das Pellegrini Quartett gestalteten einen anspruchsvollen Abend in dessen Mittelpunkt das Werk „Glanz“ von Karlheinz Stockhausen stand. Erstmals gespielt wurde der Hymnus „Ave maris stella“ von Nicolas de Grigny, den Alexander Moosbrugger für die beiden Ensembles eingerichtet hat. Vor allem dieses Werk stellte enorme Herausforderungen an die MusikerInnen. Die neueste Komposition von Alfred Knüsel, „Installation Streichquartett“, wurde mit viel Zustimmung aufgenommen.

Der groß angelegte Zyklus „Klang - die 24 Stunden des Tages“ ist Karlheinz Stockhausens letztes Werk. Das Ensemble musikFabrik und zahlreiche MusikerInnen spielten im Rahmen der Triennale Köln im vergangenen Frühjahr die 21 Stunden des Tages, die Stockhausen komponiert hat, bevor er vor ziemlich genau drei Jahren am 5. Dezember 2007 verstorben ist. In Bludenz musizierten die Ensemblemusiker der musikFabrik die 10. Stunde „Glanz“, des unkonventionellen Werkes. Stockhausen fasste die Musik stringent, beruhend auf in sich geschlossenen Tonreihen. Daraus wurde eine lustbetonte Musik entwickelt, die zahlreiche Klangfarbennuancen zum Schimmern und Glänzen brachte. Nachdem ein Trio mit Viola, Fagott und Klarinette das Zentrum des musikalischen Geschehens bildete, forderten die kurzzeitig dazu gekommenen Trompete, Posaune, Oboe und Tuba zum Dialog auf. Gleichzeitig wurde damit das Klangfarbenspektrum erweitert. Die Ensemblemusiker spielten das Werk mit einer bewundernswerten Konzentration auf das Wesentliche. Zusammen mit der Lichtregie, die den musikalischen Fluss allmählich in ein vom Komponisten vorgegebenes gelbes Licht tauchte, ergab sich über weite Strecken ein abgerundetes musikalisches Ganzes, das theatralische Momente nicht scheute.

Differenziertes Hören als Voraussetzung

Alexander Moosbrugger setzte sich in seiner aktuellen Arbeit mit dem „Premier livre d’orgue“ von Nicolas de Grigny auseinander. Er richtete den Hynmus „Ave maris stella“ für Ensemble ein. Dabei notierte er die Musik in einer mitteltönigen Stimmung, wie sie in der Orgelliteratur üblich ist. Für die Streichquartett- und Ensemblemusiker stellte diese Vorgabe eine enorme Herausforderung dar, die nur teilweise realisiert wurde. Jedoch musizierten die Streicher und Bläser die filigranen Klänge in einer guten Balance zueinander. Vor allem die Fuge wurde mit großer Aussagekraft geformt.

Die Faszination des damaligen Neuen

Der Prologue für Viola solo von Gérard Grisey interpretierte der Bratschist Axel Porath vom Ensemble musikFabrik. Das Werk ist fast vierzig Jahre alt. Der Enthusiasmus des Komponisten, der damit quasi eine Neuentdeckung musikalisch formulierte, war spürbar. Die Klänge wurden aufgebrochen und spektral aufgefächert, sodass das Innenleben hör- und erlebbar wurde. Axel Porath wendete sich den facettenreichen Klangfarbenmustern konzentriert zu und entfaltete eine vielgestaltige Studie.

Benutzter Tonraum im Jetzt

Alfred Knüsels Installation „Streichquartett - Vier nicht zyklische Passagen“ wurde vom Pellegrini Quartett (Antonio Pellegrini, Thomas Hofer, Fabio Marano und Helmut Menzel) uraufgeführt. Die vier Sätze entfalteten unterschiedliche Charaktere, die sich beziehungsreich ergänzten und zueinander in Beziehung standen. Zu Beginn lenkten vor allem die Progression des Klangflusses und die perkussiven Akzente die Aufmerksamkeit auf sich. Eingebettet in pendelnde Klänge waren im zweiten Abschnitt irisierende Flageoletts - Anklänge an Palestrina - hörbar. Im dritten Satz steckten große Gesten und korrespondierende Glieder den Rahmen ab. Differenziert ineinander verwoben, durchsetzt mit gut proportionierten Markierungen, erklangen die melodischen Muster im Finalsatz. Abwechslungsreich und mitteilsam wirkte das vielgestaltige Streichquartett.