Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Silvia Thurner · 18. Nov 2013 · Musik

Viel Romantik und dann endlich ein herrlich überdrehter Hexensabbat – Das Symphonieorchester Vorarlberg unter der Leitung von David Wroe bot gute Unterhaltung

Viel romantisches Gefühl gewährten das Symphonieorchester Vorarlberg und David Wroe den Zuhörenden beim zweiten Abonnementkonzert im Bregenzer Festspielhaus. In großer Besetzung erklangen drei Werke aus drei Jahrhunderten. Einleitend interpretierten die MusikerInnen das emotionsgeladene Werk „Der große Regen“ von Johanna Doderer. Das Violinkonzert von Samuel Barber spielte der aufstrebende russische Geiger Eugene Ugorski mit viel Ausdruckskraft. Den Höhepunkt des Abends bot die Deutung der Symphonie fantastique op. 14 von Hector Berlioz.

Die aus Vorarlberg stammende Komponistin Johanna Doderer lebt seit Jahren in Wien. Mit ihrer eingängigen und plastisch ausformulierten Musik feiert sie internationale Erfolge. Das Werk „Der große Regen“ aus dem Jahr 2007 ist für großes Orchester geschrieben. In effektvoll sich aufbäumenden Passagen führte die Komponistin die Linien klangfarbenreich von einfach gezeichneten Floskeln hin zu imposanten Klangtürmen, in denen die Energien entladen wurden. Die Wirkung strömte unmittelbar und ohne Reibungen auf die Zuhörenden ein und so fand wohl in vielen Köpfen ein „Musikkino im Kopf“ statt.

Sensibler Solist


Weitere Unterhaltung auf hohem musikalischen Niveau wurde mit Samuel Barbers Violinkonzert op. 14 geboten. Eugene Ugorski an der Violine trat zwar etwas schüchtern auf, doch mit seiner intensiven Tongebung und der in sich gekehrten Musizierhaltung zog er das Publikum in seinen Bann. Die ersten beiden Abschnitte wurden mit einem elegischen Geist entfaltet. Obwohl die OrchestermusikerInnen mit viel Bedacht auf den Solisten spielten, wirkte die Instrumentation des Violinkonzertes teilweise sehr wuchtig. Vor allem der Finalsatz hatte es in sich und hier setzte Eugene Ugorski seine herausragende Spieltechnik in Szene. Atemberaubend und mit einem halsbrecherischen Tempo wirbelte die Musik dahin, bewundernswert gelenkig folgte das Orchester dem Solisten. Sympathisch agierte David Wroe als guter Vermittler zwischen dem Solo- und dem Orchesterpart.

Die fixe Idee klar formuliert


Nach dem klangschwelgerischen ersten Konzertteil bot die Symphonie fantastique, op. 14 von Hector Berlioz viele Anreize. Die Episoden aus dem Leben eines Künstlers nahmen David Wroe und das Symphonieorchester Vorarlberg sehr ernst in der vielgestaltigen Ausformung der einzelnen thematischen Felder. Die sogenannte „idée fixe“, die das fünfsätzige Werk im Inneren zusammenhält, kristallisierten die MusikerInnen transparent heraus. Auf diese Weise kamen Variationen und Transformationen, Verzerrungen und das Auseinanderbrechen des zusammenhangstiftenden Themas mitteilsam und gut ausgedeutet zur Geltung.

Der Interpretationsansatz der ersten drei Sätze erschloss sich mir nicht von vornherein. Zwar musizierten die Orchestermitglieder engagiert und konzentriert und David Wroe leitete sie umsichtig und mit viel Ausdrucksgehalt. Trotzdem stellte sich ein übergeordneter Fluss nicht selbstverständlich ein, ein paar Passagen wirkten mitunter etwas undeutlich ausformuliert. Erst im vierten und vor allem im fünften Satz formte sich die Werkdeutung zu einem abgerundeten Ganzen. Und ab diesem Zeitpunkt stellte sich eine famose Schlusswirkung ein.

Finalwirkung


Zackige Artikulationen verliehen dem „Gang zum Höchstgericht“ eine schneidende Härte und eine dramatische Steigerung. Die Art wie im „Traum eines Hexensabbats“ die „idée fixe“ verzerrt und übersteigert wiedergegeben wurde, war mitreißend. So wurden die Brüchigkeit der gesamten Anlage der monumentalen Symphonie von einer anderen Perspektive aus erlebbar und im Nachhinein die Überlegungen zur Werkdeutung klarer. Das Publikum reagierte begeistert und feierte vor allem David Wroe, der mit dieser Werkdeutung seine Qualitäten unter Beweis stellte.

Das Konzertprogramm beinhaltete drei Kompositionen aus dem 19., dem 20. und dem 21. Jahrhundert. Zu denken gab mir die Tatsache, dass gerade das älteste Werk den innovativsten Geist verströmte.