Viel Erfahrung und wenig Berührungsängste – ein beeindruckender Auftritt des Gitarristen Peter Ratzenbeck im Alten Kino Rankweil
Am Bregenzer Gebhardsberg trat „Mr. Fingerpicking“ Peter Ratzenbeck 1976 erstmals öffentlich auf. In der Zwischenzeit sind unzählige Shows, Alben und Gitarrenworkshops dazugekommen. Nach Vorarlberg kam er am gestrigen Dienstagabend gern zurück und hinterließ im sehr gut besuchten Alten Kino Rankweil gute Laune und ungläubiges Staunen über seine atemberaubende Fingerfertigkeit. Neben eigenen Songs bot er auch Coverversionen, denen er seine eigene, unverkennbare Note verlieh.
Peter Ratzenbeck weiß, wie er mit seinem Publikum umgeht. Nach 37 Jahren auf der Bühne hat er eine Menge Routine. Heute lebt er zurückgezogen im nördlichen Waldviertel. In den 1970er-Jahren verdiente sich der gebürtige Grazer als Straßenmusiker sein Geld und bereiste dabei Deutschland, England, Schottland und Irland. Bevor er als Solokünstler durchstartete, arbeitete er in Graz mit etablierten Austropop-Künstlern wie STS zusammen. Dem Umstand, dass diese Band ungleich berühmter geworden ist als er selbst, kann er durchaus seine positiven Seiten abgewinnen: „STS haben es schwerer als ich, wenn sie im Bierzelt spielen und alle ‚Fürstenfeld’ schreien. Meine Sachen hingegen sind so unbekannt…“, sagt er – ohne Mitleidheischen, sondern mit einem verschmitzten Lächeln.
Zahlreiche Anekdoten
Dabei hätten es einige seiner Songs durchaus verdient, breiteres Gehör zu finden. Er ist in allen Tonarten und -lagen zuhause, kann ebenso heftig rocken wie zart zupfen. Seine erste Eigenkomposition, mit der er den Nachwuchswettbewerb des Folk-Festivals am Gebhardsberg gewann, deutet bereits sein großes Können an. „Odyssee“ heißt das Stück – ein passender Titel angesichts seines epischen Aufbaus.
Auf die Minute pünktlich beginnt er sein Programm mit „Unterwegs“: die Beine übereinandergeschlagen, mit dem ganzen Körper heftig mitwippend. Nach nur wenigen Minuten ist der 57-Jährige voll in seinem Element, erzählt zwischen den Songs anekdotenreich aus seiner Vergangenheit. Manches Mal geraten leider diese Geschichten etwas zu ausführlich. Doch das Publikum stört sich kaum daran und spendet immer wieder begeisterten Beifall. Auf jeden Fall hat es mit einem Künstler zum Anfassen zu tun, der in der Pause das Gespräch mit einigen Zuschauern genießt.
Virtuose Technik
Coverversionen hat er ebenso im Programm. Ein Beispiel ist das berühmte Harry-Lime-Thema aus dem Film „Der dritte Mann“. „Diese Melodie von Anton Karas ist auf meiner persönlichen Top-10-Liste vertreten“, sagt Ratzenbeck. Dass er, anders als das Original, eine Gitarre und keine Zither verwendet, macht er mit seiner virtuosen Technik locker wett. Auch im Fall von Eric Claptons „Wonderful tonight“ klingt bei ihm zwar einerseits deutlich das Original durch, andererseits aber gewinnt er dem tausendmal gehörten Song neue Facetten ab. Ratzenbecks Hinweis, er spiele hier eine „minimalistische Version“, gibt etwas Rätsel auf bzw. stürzt den ambitionierten Hobby-Gitarristen endgültig in Verzweiflung: Wenn das, was er da vorne auf der Bühne zu Gehör bringt, minimalistisch ist – wie erst klingt dann ein opulenter Ratzenbeck-Song?
Autodidakt
Bei den meisten seiner Songs begnügt er sich mit dem Spielen und verzichtet auf Gesang. Einige Male greift er aber doch zum Mikrofon und beherzigt den Hinweis eines befreundeten Musikers: „Du hast zwar keine Stimme, aber dieselbe hat Charakter.“ Sein Werk ist über die Jahrzehnte so umfangreich geworden, dass er nach Bedarf und Vorliebe seine Songs zu Medleys zusammenbaut. Dabei wird besonders deutlich, wie unglaublich leicht ihm Stimmungs- und Rhythmuswechsel von der Hand gehen. Dabei hatte er nicht eine Stunde Gitarrenunterricht. „Ich bin nach wie vor Autodidakt. Ich kann weder die Tonleiter noch sonst etwas. Die Gitarristen, die mir bis heute gut gefallen und mit denen ich auch nach all den Jahren immer wieder zusammenkomme, sind nach wie vor Autodidakten“, sagte er in einem Interview in der Zeitschrift Akustik.
„Der kreative Punkt in dir“
Seine fehlende musikalische Ausbildung habe er mit viel Disziplin ausgeglichen. Dabei hat er – sehr erfolgreich – daran gearbeitet, einen eigenen Stil zu finden: „Wenn du nicht deine eigene Richtung entwickelst, wirst du deinen Vorbildern gegenüber immer in Hassliebe enden. Die Unverkennbarkeit des Interpreten sollte es eigentlich geben, und dahin geht seit nahezu zehn Jahren meine Intention. Du stehst als Musiker irgendwann vor einem inneren Aufbäumen, in dem du dir sagst: ‚Schluss jetzt mit dem Nachspielen und Interpretieren, du bist ja auch da, und jetzt wird es Zeit, den kreativen Punkt in dir zu entdecken.’“
www.peter-ratzenbeck.at
"Odyssee": www.youtube.com/watch?v=LYxXyCPzEFw
www.alteskino.at