Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Thorsten Bayer · 01. Mär 2013 · Musik

Vertrackte Songs, die ihre Spuren im Gehör hinterlassen – „Box“ stellten ihr neues Album im Palace St. Gallen vor

Anderswo wird eine solche Veranstaltung mit „CD-Release-Party“ überschrieben, in St. Gallen trägt sie den ungleich sympathischeren Titel „Plattentaufe“. Das Schweizer Quartett „Box“ mischt Jazzimprovisation mit elektronischer Musik. Auf dem neuen Album wird es zudem von zwei Rappern und einer Jazzsängerin unterstützt. Das Ergebnis kann sich absolut hören lassen.

Trompeter Niklaus Hürny, Fabian M. Mueller (Keyboards), Kaspar von Grünigen (Bass) und Drummer Alexandre Maurer sind „Box“. Ihre langjährige Ausbildung ist das Fundament einer Band auf musikalischem Top-Niveau. Bandleader Hürny beispielsweise hat an der Jazzschule Bern Performance und Musikpädagogik studiert und unterrichtet dort heute Trompete. Das neue, dritte Album „Erosion“ trägt erneut seine Handschrift. Fabian M. Müller, 1983 in St. Gallen geboren und in Heiden aufgewachsen, lernte bereits im Alter von sechs Jahren Violine. Es folgten eine Klavierausbildung (Klassik und Jazz) sowie Gehörbildung am Lehrerseminar Rorschach. Nach Ausflügen in die elektronische Musikerzeugung verschrieb er sich der Komposition und der improvisierten Musik Seit acht Jahren arbeitet er als freischaffender Musiker.

„Genug kantig und eruptiv“

Das Schweizer Magazin Jazz’n’More lobte 2008 das Debütalbum „Bruch“ und bezeichnete seinen Stil als einen „Jazz von heute, an dem die DJ-Kultur nicht vorübergegangen ist (…) Die Musik hat eine frische Ausstrahlung, überzeugt mit soliden Grooves und melodiösen Motiven, aber ist auch genug kantig und eruptiv.“ Diese Stärken hat sich die Band bewahrt und ihrer Musik mit den neuen Stimmen an den Mikrofonen neue Facetten hinzugefügt. Da sind zum einen die beiden Rapper Sky 189, der aus Südafrika stammt, sowie Black Cracker aus Brooklyn / New York City. Besonders der US-Amerikaner tut dem Auftritt der Band im Palace gut. Beim zweiten Song, als die Beats fetter werden, betritt er die Bühne. Die Show-Elemente, auf die die Schweizer bislang verzichtet haben, liefert er jetzt nach. Es wirkt fast wie Ausdruckstanz, was Black Cracker da vorne bietet – aber nach einem kurzen Fremdeln während der ersten Takte geht die Rechnung schnell auf.

Düstere Großstadt-Stimmung

Passend zu ihrem düsteren Sound ist die Bühne ganz in tiefblaues Licht getaucht. Fabian M. Mueller zaubert tiefe, bedrohlich wabernde Klänge aus seinem Keyboard. Darüber schwebt die Trompete von Niklaus Hürny. Kaspar von Grünigens Bass spüren der Zuhörer auch deutlich in ihren bequemen Sesseln, mit denen das ehemalige Kino ausgestattet ist. Claire Huguenin aus Fribourg unterstützt die Band mit ihrem (Sprech-)Gesang und ihrem späteren Einsatz an der E-Gitarre. Die drei SängerInnen geben dem Auftritt Tiefe. „Sie bugsieren den urbanen Dark Jazz (oder Jazz Noir) von BOX immer wieder in die Grenzgebiete von Spoken Word oder Dub Poetry, ihre Geschichten erzählen von einer Welt, in der die Sonnenuhr nur selten zum Einsatz kommt“, heißt es im Pressetext der Band.

Das Ganze klingt nach großer, gefährlicher Stadt – ganz so, als wollte Box den aktuellen Claim des Palace unterstützen, das auf seinem März-Plakat (möglicherweise ironisch) klarstellt: „We whisper in your ear a great secret: St. Gallen is NOT a provincial town.“

Starke Leistung von Alexandre Maurer

Warm spielen müssen sich die Künstler überhaupt nicht. Sie sind sofort „drin“ und spielen präzise auf den Punkt. Da sind verdammt gute Musiker am Werk, allen voran Drummer Alexandre Maurer, der vom linken Bühnenrand aus seine Kollegen souverän durch vielschichtige Songs mit vielen Wendungen führt. So bieten sie einen sehr kurzweiligen und abwechslungsreichen Abend. Der Titel des neuen Albums „Erosion“ trügt. Der Eindruck, den die Musiker hinterlassen, ist alles andere als „vom Winde verweht“. Im Gegenteil: Dem Zuhörer prägen sich vertrackte Songs mit Widerhall ein. Erodieren mögen allenfalls Vorbehalte gegen vermeintlich ermüdende Jazz-Improvisation.

www.boxmusic.ch
www.palace.sg