Variantenreiche Kompositionen und Spielarten – Das Ensemble plus unter der Leitung von Thomas Gertner musizierte im Magazin 4 mit großer Aussagekraft
Endlich konnte Guy Speyers als neuer Leiter des Ensemble plus in die neue Abonnementsaison starten. Dabei wurde die neue Heimstätte, das Magazin 4 in Bregenz, erstmals bespielt, und die Raumatmosphäre sowie die Akustik boten beste Voraussetzungen für ein stimmungsvolles Konzert. Im Zentrum standen Streichquartette von Johannes Wohlgenannt Zincke und die Uraufführung des Werkes „Via vitae“ von Gerda Poppa. Die Musikerinnen und Musiker des Ensemble plus musizierten bestens disponiert und in einem guten Austausch miteinander.
Gerda Poppa komponierte das Streichquartett mit dem bezeichnenden Titel „Via vitae“ bereits vor einigen Jahren. Die durch Corona bedingten Turbulenzen verunmöglichten lange die Werkpräsentation, doch nun, beim vierten Anlauf, klappte es. In ihrer Einführung erzählte Gerda Poppa, dass sie beim Komponieren im Wesentlichen vom Gedanken getragen war, drei unterschiedliche Persönlichkeitsmerkmale in Musik zu fassen. In der Kürze und Stringenz des Werkes kristallisierte sich dieses Vorhaben eher wenig heraus. Dennoch entwickelte „Via vitae“ eine spannungsgeladene Aussagekraft. Michaela Girardi und Yukiko Tezuka an den Violinen, Guy Speyers an der Bratsche und Jessica Kuhn am Violoncello spielten die aufgewühlt tremolierenden Passagen, nervös immer wieder aufkeimende und sich verlierende Tonfloskeln und die in die Mittelpassage eingelagerte melodische Linie mit markant ausgeformten Phrasierungen. Sicherheit und Orientierung im dichten Klanggeschehen bot Thomas Gertner am Pult.
Unterhaltsam und im Duktus an die Minimal Music angelehnt, entfaltete Johannes Wohlgenannt Zincke das fünfsätzige Streichquartett „m15“. Ein Anliegen war es dem Komponisten, die Streichinstrumente in ihrer vollen Pracht zum Klingen zu bringen. Kommunikativ in der Anlage, mit zahlreichen Imitationen zwischen den Instrumentenstimmen, Repetitionsmustern, Dialogen, weitertragenden musikalischen Phrasen und rufartigen Floskeln entwickelte sich eine gut nachvollziehbare Musik, die teilweise an Folkmusic erinnerte. Die tragende Akustik im Magazin 4 kam der Werkdeutung zugute, denn die einzelnen Stimmen wirkten klangvoll und transparent zugleich.
Matthijs van Dijks Streichquartett „Truce? He asked“ war mitteilsam angelegt und bot wirkungsvolle Dialoge zwischen den einzelnen Stimmen. Eine besondere Note erhielt die Musik durch den „Blues“, den eine absteigende Geste implizierte. Schließlich endete das Stück mit einer gegenläufigen, versöhnlichen Phrase.
Abgerundet wurde das vielgestaltige Konzert mit dem Sextett „Lachrymae“ des französischen Komponisten Tristan Murail. Dazu wurde Streichquartett mit einer Altflöte (Manuela Schedler) und einem Kontrabass (Nikolaus Feinig) ergänzt. Die spektrale Musik entwickelte feinsinnig aus dem Obertonspektrum heraus kristallisierte musikalische Verläufe, die eine in sich tragende Ruhe verströmten und eine gute Basis für harmonische Klangfarbenspiele gewährte. Eine besondere Rolle nahm die Flöte ein, sie öffnete eine zusätzliche Klangebene, die dem Werk einen mystischen Touch verlieh.