Vaduz Classic – ein stürmischer Auftakt mit russischer Leidenschaft
Das Wetter spielte eine wesentliche Rolle beim Auftaktkonzert des 2. Vaduzer Classic Open-Air-Festivals. Denn pünktlich zum Konzertbeginn setzte der Regen ein, eine Stunde später donnerte es dann von der Bühne herunter. Dirigent Valery Gergiev und sein Mariinsky Orchestra taten alles, um den dunklen Wolken ein Gegengewicht zu setzen und auch Pianist Denis Matsuev ließ sich vom prasselnden Regen nicht irritieren – er ließ seine Finger auf die Tasten prasseln. Und das nicht nur zu Beginn von Tschaikowskis erstem Klavierkonzert.
Der Geschichtenerzähler Denis Matsuev
Der Anfang dieses Konzerts ist legendär und bleibt jedem, der es einmal gehört hat, im Ohr hängen. So wuchtig, so energiegeladen startet kein anderes Klavierkonzert. Für Pianisten ist es immer eine Herausforderung, neben der Kraft auch die Romantik nicht zu kurz kommen zu lassen. Denis Matsuev erzählte eine Geschichte. Sie begann mit einem Paukenschlag-Ereignis, schweifte dann ab, verlor sich, wurde zum Kinderspiel, zum Tanz, zum Vergnügen, um dann den Weltschmerz zu streifen und sich in die Romantik zu verlieben. Er ist ein technisch brillanter Musiker, ein Erzähler, der sich die Musik wie ein Raubtier gezähmt hat, um mit ihr von Geschehnisse zu berichten. Ein Handwerker mit Träumen. Einer, der manchmal die Anschläge abzuwiegen schien, um die Töne leicht und sanft werden zu lassen, dann aber die Töne aus dem Klavier hinaus jagte um ihnen die Schwerkraft zu nehmen. Matsuev differenzierte, blieb aber immer kraftvoll, immer virtuos. Und so wurde das Klavierkonzert von Tschaikowski eine große russische Geschichte aus dem vorletzten Jahrhundert, mit Birkenwäldern, sumpfigen Böden, viel Weite und viel Wodka. Vor allem der zweite Satz war von der träumerischen Melodie geprägt, die zuerst von der Flöte angestimmt und dann vom Pianisten mit viel Empathie übernommen wurde.
Die wuchtige „Alpensinfonie“
Das war ein fulminanter Start in diese zweite Ausgabe des Vaduzer Classic Open-Air-Festivals. Da der Regen am Ende des Klavierkonzertes zwar aufgehört hatte, aber die Wolken nach wie vor tief hingen, wurde auf eine Pause verzichtet, man holte rasch die zusätzlichen Musiker auf die Bühne und schon ließ Dirigent Valery Gergiev den vergangenen Tag vom Sonnenaufgang bis zum Gewitter von der Bühne aus musikalisch neu erstehen. Richard Strauss hat in seine Alpensinfonie alles hineingepackt, was zum alpinen Leben gehört. Und das Orchester packte all das wieder aus – jedenfalls das, was für Musiker drinsteckt. Dank der Videotechnik und zwei aufmerksamen Kameramännern, die das Geschehen auf der Bühne auf einer großen Leinwand wiedergaben, konnten auch die Instrumente aus dem Theaterfundus, die Richard Strauss für diese Komposition eingesetzt hatte, gesehen werden – die Herdenglocken, die Donnermaschine und selbst der Herr am Triangel durfte sich mal zeigen. (Georg Kreisler hätt’s gefreut).
Nervöse Hände und viel Sehnsucht
Das Orchester aus St. Petersburg interpretierte die „Alpensinfonie“ in all ihren Dimensionen. Von der sanften Dämmerung zum bildgewaltigen Sonnenaufgang, von der beklommenen Schwüle bis zur donnernden Entladung samt Blitzen, den raschen Abstieg ins Tal, die einsetzende Dämmerung und die folgende Nacht. Und wieder waren es die Bläser, die markante Akzente setzten, „das Spiel machten“, während die Streicher eher für den Hintergrund und den satten Unterboden zuständig waren. Gergiev führte seine Musiker mit nervös flatternder Hand und winzigem Taktstock, wie auf der Großleinwand zu sehen war. Manchmal schlich sich in die sich immer wieder aufbäumende Musik eine tiefe Sehnsucht und Melancholie ein, wie sie die russischen Dichter Anton Tschechow oder Iwan Turgenjew beschreiben. Gleichzeitig wurde klar, dass Richard Strauss viel von Beethoven gelernt hatte und von Richard Wagner beeinflusst war.
Starke Stücke und leidenschaftliche Interpretationen bei diesem Start in Vaduz. Das gleiche Konzert mit gleicher Besetzung und gleichem Programm ist übrigens schon einen Tag später, am 24. August, beim Gstaad Menuhin Festival zu erleben. Dort aber im Zelt.
Die nächsten Konzerte beim Vaduzer Classic Open Air:
Samstag, 25. August
17 Uhr, Rathaussaal Vaduz: A Story of Love – New Talents
20 Uhr, Parkhaus Marktplatz Vaduz: Liechtenstein singt – mit dem Sinfonieorchester Liechtenstein SOL (Leitung: Kevin Griffiths) und 100 Sängerinnen und Sängern aus Liechtenstein
Sonntag, 26. August
11 Uhr Rathaussaal Vaduz: Internationale Preisträger - Ensemble Esperanza
20 Uhr, Parkhaus Marktplatz Vaduz: Abschlusskonzert mit Rolando Villazon, Tenor und Louise Alder, Sopran und dem SOL (Dirigent Guerassim Voronkov)