Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Fritz Jurmann · 28. Apr 2021 · Musik

Ungebrochener Optimismus bei den Bregenzer Festspielen: Gespielt wird ab 3000 erlaubten Besuchern am See

Es gibt immer noch Überraschungen, auch für einen altgedienten Journalisten, der seit vielen Jahren jeweils im November über die Programmpräsentation der Bregenzer Festspiele für die kommende Saison berichtet. Schuld ist Corona, das Virus, das diesmal alles über den Haufen geworfen hat. So war zuletzt das im Herbst 2019 von den Festspielen selbstbewusst präsentierte, unglaublich vielfältige Programm zur 75. Jubiläumssaison 2020 nach Ausbruch der Pandemie schon im März des Jahres Makulatur und wurde später zum gut gemeinten, aber eher bemühten Reader‘s Digest-Programm einer „Festwoche“ eingedampft. Ein Blick nach Salzburg hätte gezeigt, wie man auch in Pandemiezeiten richtig Festspiele macht.   Für die kommende Saison 2021 haben anhaltende Infektionszahlen und damit einhergehende Maßnahmen die Verantwortlichen der Festspiele vorsichtig werden lassen, und so fand die Programmpräsentation nun mit fünfmonatiger Verspätung erst diesen Mittwoch statt. Es war die erste in der Geschichte der Festspiele, in der das Ausloten der erlaubten und wirtschaftlich noch sinnvollen Spielmöglichkeiten der Festspiele mindestens ebenso spannend war wie die Ankündigung der großteils bereits bekannten Inhalte von Produktionen, die aus dem Jubiläums-Programm für 2020 ins heurige Jahr übernommen werden und keine großen Überraschungen mehr bieten.

Festspiele „auf jeden Fall!“

Das „Wie“ steht also erstmals gleichwertig neben dem „Was“ in dieser Runde des Leading-Teams der Festspiele auf der mit Elementen aus „Rigoletto“ und „Nero“ originell dekorierten Werkstattbühne. In der Moderation des früheren Dramaturgen Olaf A. Schmitt herrscht dabei kein Zweifel daran, „auf jeden Fall diese Festspiele zu machen“ (der kaufmännische Direktor Michael Diem). Präsident Hans-Peter Metzler räumt ein, dass die Pandemie das Festival hart getroffen habe, das 80 Prozent seiner Einnahmen aus Kartenverkäufen lukriert. Aber man sei durch Entgegenkommen des Publikums und die Verbundenheit mit Sponsoren und Subventionsgebern „mit einem blauen Auge“ davongekommen. Die jüngsten Erfahrungen von Großveranstaltungen in Barcelona, München oder Berlin zeigten, wie man bereits jetzt kontrolliert und ohne Ansteckungsgefahr Programme stattfinden lassen kann. Intendantin Elisabeth Sobotka ergänzt, dass ein gut durchdachtes Präventionskonzept mit Abständen in den Reihen den Umgang mit dem Publikum sicherstellen würde: „Getestet, genesen oder geimpft kommt jeder rein, der eine FFP2-Maske trägt.“ Außerdem hofft man auf den „Grünen Pass“, so er bis dann schon vorliegen wird.

Michael Diem konkretisiert: „Mit jenen 3000 Zusehern, die ab 19. Mai outdoor erlaubt sind, würden wir auf unserer 7000 Plätze fassenden Seetribüne auch wirtschaftlich gerade noch zurande kommen und auf jeden Fall spielen.“ Man hoffe allerdings, dass die Regierung bis spätestens Ende Mai zu einer weiteren Öffnung über den Sommer bereit sei, was die Sache erleichtern könnte. Ebenso rechnet man bald mit einer Reisefreiheit innerhalb der EU, besonders wichtig für den Großteil des Festspielpublikums, das aus Deutschland anreist. Mehr war im Moment von den Verantwortlichen nicht zu erfahren.

Erst in der Schlussrunde gesteht Diem dann auf Fragen von Journalisten, dass es auch einen Plan Z oder Plan B gebe, falls die Infektionszahlen wie derzeit im Bregenzerwald weiter stark steigen und auch in der Modellregion Vorarlberg die Durchführung von Festspielen verunmöglicht würde. Von den 225.000 aufgelegten Karten seien derzeit 110.000 fix verkauft, weitere 60.000 vorgebucht, mehr als zum selben Zeitpunkt vor einem Jahr, also insgesamt drei Viertel. „Im Fall einer kompletten Absage müssten wir, so wie im Vorjahr, rund 170.000 Karten rückabwickeln. Wir würden dabei auf den Effekt des Vorjahres hoffen, wo rund die Hälfte der Kartenbesitzer ihre Tickets vom Vorjahr auf heuer umgebucht hat.“

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Nix ist fix, heißt es also in Bregenz, aber letztlich auch „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, und so arbeitet ein motiviertes Team aus hochkarätigen Fachleuten seit Monaten unverdrossen an den Details für eine komplette, uneingeschränkte Aufführung der 80 Veranstaltungstermine vom 21. Juli bis 22. August. Im Mittelpunkt steht die Wiederaufnahme von Verdis Opernknüller „Rigoletto“ von 2019 mit 28 Vorstellungen in der klugen, gleichermaßen spektakulären wie berührenden Inszenierung des Münchners Philipp Stölzl, der vor den Medienleuten absolut glücklich darüber ist, dass „der Clown ein zweites Jahr bekommt“ und für alle Mitwirkenden das Leben vor und hinter der Bühne wieder losgeht: „Das wird ein bewegendes Ereignis!“ Größere Anpassungen und Änderungen sind nicht geplant, obwohl wichtige Protagonisten wie die Traum-Gilda Melissa Petit und der Dirigent Enrique Mazzola bereits anderweitig verpflichtet sind. An seiner Stelle wird erstmals eine Frau in Bregenz eine Seeaufführung leiten, Julia Jones.

Wie für 2020 vorgesehen, wird als Hausoper das weitgehend unbekannte Werk „Nero“ von Arrigo Boito gegeben, eine unvollendet gebliebene, 1924 uraufgeführte opulente Rarität par excellence um die historische Figur des blutrünstigen römischen Kaisers. Der in Bregenz u. a. von seiner „Hamlet“-Inszenierung bekannte Regisseur Olivier Tambosi wird versuchen, wie er vor gut einem Jahr in Bregenz erzählte, diese „Apotheose des Scheiterns“ mit aktuellen Bezüge anzureichern.

Fünf Operproduktionen

Insgesamt fünf Opern stehen heuer auf dem Programm der Bregenzer Festspiele, darunter zwei Uraufführungen. Die eine davon ist im Rahmen des Opernateliers „Wind“, Erstling des Bregenzerwälders Alexander Moosbrugger nach einer Renaissance-Vorlage, dafür wird auf der Werkstattbühne eine Pfeifenorgel der Firma Rieger, Schwarzach, errichtet. Ein weiterer „Einblick“ dazu findet am Montag, 3. Mai, 18 Uhr, im Kunsthaus Bregenz statt. Eine zweite Uraufführung als erstmalige Co-Produktion mit dem Bregenzer Theater KOSMOS ist Bernhard Studlars Schauspiel „Lohn der Nacht“, das aus einem Wettbewerb hervorging. Als österreichische Erstaufführung feiert mit „Upload“ eine experimentelle interdisziplinäre Filmoper des Niederländers Michel van der Aa ihre Premiere auf der Werkstattbühne. Das Deutsche Theater Berlin gastiert mit Kleists „Michael Kohlhass“ in Bregenz, gemeinsam mit dem Landestheater entsteht im Seestudio die Kreation „Ihr seid eingeschifft“ von Silvia Costa. Und die Musicbanda Franui darf nicht fehlen, diesmal mit Liedern von Georg Kreisler und zusammen mit dem Puppenspieler Nikolaus Habjan.   

Wirklich neu im Programm gegenüber der Vorlage von 2020 ist die Produktion im Bregenzer Opernstudio der Festspiele, wo anstelle von Haydns „Armida“ nun mit jungen ambitionierten Kräften die zweite Rossini-Oper in der Regie von Brigitte Fassbaender am Kornmarkt gezeigt wird, „Die Italienerin in Algier“. Außerdem gibt es mit der legendären Mezzospranistin auch eine Meisterklasse und eine Lesung aus ihrer neuen Biografie.

Symphoniker als Orchester der ersten Stunde

75 Jahre Bregenzer Festspiele bedeuten auch eine ebenso lange Zusammenarbeit mit den Wiener Symphonikern als Orchestra in Residence. Ihr neuer Chefdirigent Andrés Orozco-Estrada wird erstmals in dieser neuen Funktion zwei der drei Orchesterkonzerte leiten. Eines davon, mit Haydns Oratorium „Die Schöpfung“, bezieht neben dem traditionsreichen Bregenzer Festspielchor, Einstudierung Benjamin Lack, auch weitere Chöre aus dem Umkreis mit ein und unterstreicht damit auf besondere Weise die regionale Verankerung der Festspiele, die 1946 aus einer Bregenzer Bürgerinitiative heraus entstanden sind. Das andere bringt mit Wagners „Rheingold“ aus der Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ in einer halbszenischen Aufführung einen Verweis auf den Fluss, der den Bodensee durchquert. Neben einem dritten Konzert der Symphoniker wird auch das Symphonieorchester Vorarlberg neben der Rossini-Oper im Opernstudio mit einem eigenen Orchesterkonzert auftreten, erstmals unter seinem neuen Chefdirigenten Leo McFall.

Zu einem flammenden Appell an die Politik setzt schließlich noch Regisseur Philipp Stölzl an, der die Wichtigkeit der Kultur als Überlebensmittel für viele Bevölkerungsschichten unterstreicht und in der dringend notwendigen Öffnung der Kulturstätten in Deutschland und Österreich eine Gleichbehandlung mit Wirtschaftsbetrieben und Industrie sichergestellt haben möchte.